Ausstellungshighlights 2022

Fünf Kune-Autor:innen blicken auf Ausstellungen 2022 und stellen ihre Lieblinge in Stuttgart, Zürich, Basel, Kassel und Essen vor.

Let’s try again – 2021 war weniger DAS Kunstjahr. Der Lockdown hat uns bis zum Mai begleitet, Kultureinrichtungen mussten häufig auf einfach lösbare Ausstellungen ausweichen und die heiß geliebten Vernissagen fanden ohne viel Küsschen-Verteilung (und Sekt) statt. Die Hoffnung aller Kunstliebhaber:innen liegt nun in 2022. Nicht nur die documenta fifteen und die Biennale d’Arte Venezia vereinen internationale Kunst, auch Eröffnungen neuer Häuser und monografische Ausstellungen stehen bei uns auf der Liste. Was sie alle vereint: Sie beschränken sich nicht nur auf unsere Region und sind ergo mit Reisen verbunden. Wir bleiben also weiterhin positiv gestimmt. 

Auf welche/s Ausstellung/Kunstereignis freut ihr euch am meisten? Lasst es uns in den Kommentaren wissen! 

Anna Katharina: Objekt Skizzenbuch 

Die großen beeindruckenden Schauen sind eine gute Gelegenheit, das eigene Bildergedächtnis aufzufrischen und zu erweitern, vor allem dann, wenn Werke aus weit entfernten Sammlungen gezeigt werden. Besonders freue ich mich aber immer über (kleinere) Ausstellungen mit spezifischen Themen und Kunstwerken, die bisher weniger zugänglich oder bekannt waren. Mit der Ausstellung „Rudolf Koller. Die Skizzenbücher“ im Kunsthaus Zürich werden 67 Skizzenbücher mit über 4000 Skizzen des Schweizer Künstlers Rudolf Koller (1828–1905) in den Fokus gerückt. Skizzenbücher sind spannende Objekte, die als persönliche und künstlerische Dokumente das Leben und Wirken von Künstler:innen nachzeichnen, aber ebenso viele Einblicke und Anhaltspunkte zu deren Arbeitsweise oder einer Werkgenese liefern.  

Abbildung aus einem Skizzenbuch von Rudolf Koller. Zu sehen ein Löw gezeichnet mit Bleistift
Rudolf Koller, Ruhender Löwe, aus: Skizzenbuch P 65, fol. 2, 1851–1855, Kunsthaus Zürich, 1905.

Wie das Kunsthaus Zürich in der Ankündigung zur Ausstellung mitteilt, wurden die Skizzenbücher nun restauriert und digitalisiert. Nach und nach werden diese online zur Verfügung gestellt. Schon vorab darin zu ‚blättern‘ macht Lust auf die Ausstellung, die gewiss zur Wahrnehmung und Verwendung von Skizzenbüchern beiträgt: Zeichnerisch finden sich darin Rudolf Kollers bekannte Tierstudien und deren akkurate Detailansichten, jedoch auch mit groben und feinen Strichen skizzierte Landschaften. Zudem hat der Maler Körper- und Kopfstudien von Menschen angefertigt. Vor allem die Köpfe erinnern mich entfernt an Tronies, jene Gesichts- und Ausdrucksdarstellungen anonymer Personen, die im holländischen und flämischen Barock verbreitet waren. Oder handelt es sich dabei um abgewandelte Kopien berühmter Porträts? Ob ich mit diesen Annahmen richtig liege, wie die Vielfalt der Motive in den Skizzenbüchern mit seinem Ruf als Tiermaler zusammenzubringen sind und welche Zeichenmaterialien der Künstler nutzte, verrät hoffentlich der Besuch der Ausstellung. 

„Rudolf Koller. Die Skizzenbücher“ ist vom 20. Mai bis 14. August 2022 im Kunsthaus Zürich zu sehen. 

Maik: Moved by Schlemmer 

Die Staatsgalerie Stuttgart hat sich in den letzten Jahren auf ihre Kernthemen konzentriert und ändert das auch 2022 nicht. Nach der großen Schlemmer-Ausstellung 2014 steht dieses Jahr wieder das Triadische Ballett, welches vor 100 Jahren seine Uraufführung erlebte, im Mittelpunkt einer Ausstellung. Drei internationale Künstler:innen wurden eingeladen, sich mit Schlemmers Werk auseinanderzusetzen: Ulla von Brandenburg, Kalin Lindena und Haegue Yang präsentieren ab dem 10. April ihre Reaktionen auf Schlemmers Ideen und Konzepte. Die Staatsgalerie verspricht „raumgreifende Installationen, die zu durchwandern ein Erlebnis sein wird”. Daneben wird es auch eine Einführung in die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte des Triadischen Balletts geben. Wir sind auf jeden Fall schon gespannt, welche neuen Einblicke die Ausstellung geben wird. 

„Moved by Schlemmer“, Staatsgalerie Stuttgart, 10. April – 9. Oktober 2022

Oskar Schlemmer, Das Triadische Ballett, 1922
Oskar Schlemmer, Das Triadische Ballett, 1922, Staatsgalerie Stuttgart, © Oliver Kröning.

Jessy: documenta fifteen 

Schon wieder fünf Jahre her? Seit 2017 hat sich die Gesellschaft im Westen rapide weiter entwickelt und verändert. Diskriminierungen aller Art werden endlich breit thematisiert, in vielen Ländern wird faschistisches Gedankengut intensiver verbreitet und auch die Corona-Pandemie stellte jedes Individuum bewusst vor neue Herausforderungen, seien es physische oder psychische.

Als das indonesische Künstler:innenkollektiv ruangrupa im Frühjahr 2019 als künstlerische Leitung für die kommende documenta fifteen ernannt wurde, war die Vorstellung einer realen Pandemie nicht gegeben.

Im Oktober 2019 stellte Farid Rakun, ein Mitglied der Gruppe, die zahlreichen Projekte des Kollektivs auf internationalen Biennalen sowie in Jakarta an der Akademie Schloss Solitude vor. Gebannt lauschte die kleine Gruppe im gemütlichem Kreise den Erzählungen. Mit lumbung geht es der Gruppe um Kollektivität, Solidarität und gerechte Verteilung von Ressourcen. Wir sind gespannt darauf, wie diese Punkte nicht nur im Hinblick auf den Klimaschutz und ungerechter Verteilung des globalen Wohlstandes wiedergegeben werden, sondern auch, wie die aktuelle Corona-Pandemie in der Ausstellung widergespiegelt wird. Wie wir es schlussendlich fanden, werdet ihr sicher hier im Blogmagazin und/oder auf unserem Instagram-Account verfolgen können. 

Gruppe Ruangrupa zu sehen an einem Tisch
ruangrupa, v.l.n.r. Daniella Fitria Praptono, Julia Sarisetiati, Ade Darmawan, farid rakun, Iswanto Hartono, Mirwan Andan, Reza Afisina, Indra Ameng, Freund:in, Ajeng Nurul Aini, 2019, Foto: Saleh Husein

ruangrupa: „Wir wollen eine global ausgerichtete, kooperative und interdisziplinäre Kunst- und Kulturplattform schaffen, die über die 100 Tage der documenta fifteen hinaus wirksam bleibt. Unser kuratorischer Ansatz zielt auf ein anders geartetes, gemeinschaftlich ausgerichtetes Modell der Ressourcennutzung – ökonomisch, aber auch im Hinblick auf Ideen, Wissen, Programme und Innovationen.“ 

documenta fifteen, 18. Juni bis 25. September 2022 in Kassel 

Natalie: Louise Bourgeois x Jenny Holzer. The Violence of Handwriting Across a Page im Kunstmuseum Basel 

Wenn man mich nach einer Künstlerin fragt, deren plastisches Werk mich nachhaltig geprägt hat, wäre meine Antwort: Louise Bourgeois. Denn als ich zum ersten Mal die Arbeit Maman sah, war ich überwältigt – ob es am Titel oder an der Spinne oder an der Titel-Werk-Beziehung lag, kann ich bis heute nicht sagen.  

Nun werden wir im Frühjahr 2022 eine neue Möglichkeit haben, uns mit dem künstlerischen Schaffen von Louise Bourgeois vertraut zu machen, jedoch aus dem Blickwinkel der US-amerikanischen Künstlerin Jenny Holzer. Für diese Ausstellung hat sich Jenny Holzer überwiegend mit dem schriftlichen Werk von Louise Bourgeois auseinander gesetzt, da auch ihr eigenes Schaffen vom forschenden und subversiven Umgang mit Sprache in der Öffentlichkeit durch die Verwendung unkonventioneller Formen geprägt ist.  

Freut euch mit uns auf die Ausstellung, die über 200 Arbeiten zeigen wird, darunter Skulpturen, Installationen, Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken und Texte, die thematisch gruppiert in den Räumen des Kunstmuseum Basel ausgestellt werden. 

„Louise Bourgeois x Jenny Holzer. The Violence of Handwriting Across a Page“, Kunstmuseum Basel, Neubau, 19. Februar bis 15. Mai 2022

Paul: Tobias Rehberger 

Mit der Ausstellung „I do if I don’t“ zeigt das Kunstmuseum Stuttgart im kommenden Jahr einen Überblick zu Tobias Rehbergers Arbeiten aus den vergangenen 30 Jahren. Der Künstler ist in Esslingen geboren und bereits seit 2001 Professor für Bildhauerei an der Städelschule in Frankfurt am Main. In seinen Kunstwerken setzt er sich auf oftmals humorvolle Weise mit der Beziehung von Objekten, Licht und Raum auseinander und verbindet mit seiner Bildsprache Kunst und Design. 

Kunstwerk von Tobias Rehberger, Sex, 2012
Tobias Rehberger, Sex, 2012, Foto Thierry Bal © Tobias Rehberger.

Die von Ulrike Groos kuratierte Ausstellung in Stuttgart wird Rehbergers Oeuvre und seine Entwicklung erfahrbar machen. Aktuelle Installationen setzen dabei Höhepunkte: Unter anderem eine Lichtarbeit an der Fassade des Museums, die sowohl von Besucher:innen als auch Passant:innen gesteuert werden kann. Aber auch im Innenraum kann man sich auf Kunst freuen, bei der man selbst aktiv werden kann. 

„I do if I don’t. Tobias Rehberger“, Kunstmuseum Stuttgart, 26. März – 28. August 2022 

Lisa: Renoir, Monet, Gauguin. Bilder einer fließenden Welt. 

Auf das Jahr 2022 freue ich mich aus so vielen Gründen. Nicht nur, dass wir große eigene Ausstellungen eröffnen werden, die Kunstwelt präsentiert Stand heute – und ich habe mich ehrlicherweise gerade mal nur mit den Big-Names beschäftigt – so einige Schmankerl. Mal ganz abgesehen von der 15. Ausgabe der documenta und der 59. Kunst-Biennale in Venedig. 

Das Museum Folkwang feiert 100-jähriges Jubiläum und bereits im Februar eröffnet die Ausstellung Renoir, Monet, Gauguin. Bilder einer fließenden Welt.“ Das Besondere daran ist die Gegenüberstellung der Sammlung von Karl Ernst Osthaus (1874–1921) mit der Sammlung des japanischen Unternehmers Kōjirō Matsukata (1866–1950). So verdeutlicht die Präsentation von über 100 Werken weltbekannter Künstler wie Paul Cézanne, Paul Gauguin, Vincent van Gogh, Édouard Manet, Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir und Auguste Rodin, wie sehr die westlichen Sammler:innen die impressionistische Kunst des 20. Jahrhunderts schätzten. Die Präsentation zeigt aber auch, wie beliebt die französische Kunst Anfang des 20. Jahrhunderts schon in frühen Jahren in Japan war: bestimmt sehr spannend.  

„Renoir, Monet, Gauguin. Bilder einer fließenden Welt, Museum Folkwang, 06. Februar – 15. Mai 2022