Zauberwald
Inmitten dieser traumhaften Winterlandschaft auf 1500 Höhenmetern befindet sich ein See, bedeckt mit Eis und Schnee, an den ein kleines romantisches Waldstück grenzt. Bereits aus einiger Entfernung sind mystische Klänge zu hören, die uns nun den Fußweg zum Zauberwald weisen. Über eisige Wege und Schneewehen bahnen wir uns den Weg zu dem verzauberten Wald, der uns den Weg bereits leuchtet.
André Wischnewski in der Frischzelle_26
Der Künstler André Wischnewski erforscht in seinen Arbeiten die Strukturen und Funktionen des Comics. Wie arbeiten Sprache und Form zusammen? Worauf basiert das Genre? In filigranen Papierarbeiten und ausladenden Raumzeichnungen geht er diesen Fragen nach und stellt den Besucher*innen neue Sichtweisen vor.
Ignacio Uriarte
Ignacio Uriarte entfloh den tickenden, tackendern und brummenden Geräuschen des Büros und wurde Künstler. Ein Künstler, der diese tickenden, tackerneden und brummenden Geräusche in den Ausstellungsraum bringt. Unterschiedliche Büromaterialien werden bearbeitet, neu angeordnet und in einen fremden Kontext gesetzt.
Alltagsutopien – Drei Ausstellungen in der Galerie Stadt Sindelfingen
Betritt man das Foyer der Galerie Stadt Sindelfingen, so ist man bereits direkt im Ausstellungsraum: Drei unterschiedliche und doch zusammenpassende Ausstellungen treffen aufeinander. Rechts des Eingangs hat die Stuttgarter Künstler*innengruppe Verlag für Handbücher ihre Handbücherei aufgebaut, die den Auftakt der Ausstellung „Utopien in der Stadtgesellschaft – Identität und Geschichte“ macht. Durchgänge gewähren Blicke in die angrenzenden Kabinetträume mit den Ausstellungen „Crossing Limbo“ von Marie Lienhard im Schaufenster Junge Kunst auf der einen und „Frühe Fotos, späte Bilder. Skulptur“ von Joachim Kupke auf der anderen Seite. Utopien in der Stadtgesellschaft – Identität und Geschichte Die Ausstellung „Utopien in der Stadtgesellschaft – Identität und Geschichte“ ist aus einer Ausschreibung im Rahmen der Biennale Sindelfingen hervorgegangen, in der Künstler*innen mit Bezug zu Sindelfingen aufgefordert waren, sich mit der Geschichte der Stadt auseinanderzusetzen. Unter den acht ausgewählten Positionen befinden sich neben der Handbücherei unter anderem Rauminstallationen von Adam Cmiel und Melanie Dorfer sowie eine VR-Arbeit von Tzusoo. Die Handbücherei versammelt unter dem Titel Sicheres Arbeiten Betriebsanleitungen, Handbücher und Ähnliches; die Künstler*innengruppe ist besonders an Handlungsanweisungen interessiert, die sie von der verschriftlichten Form wieder in eine Performance verwandeln. Die Besucher*innen sind zudem aufgefordert, mitzumachen: Mitgebrachte Handbücher können gestempelt und eingeworfen werden und werden so Teil des Kunstwerks. Mit der Arbeit denkt die Gruppe auf künstlerische Art über alltägliche Handlungen und so über Möglichkeiten des Zusammenlebens nach. Ähnliche Themen verhandelt Adam Cmiel in der Installation future city – mit Witz und Charme entwirft er ein Portrait von Sindelfingen, der Sindelfinger Architektur und Umgebung und somit auch von den Menschen, die sich dort eingeschrieben haben. Er versammelt Objekte von Flohmärkten auf einer Tischplatte zu einer Skyline Sindelfingens und stellt ein mit Sprühfarbe vergoldetes Stück Beton als Goldberg (ein Hügel, auf dem bereits in der Römerzeit im Gebiet Sindelfingens gesiedelt wurde) in die Ecke. Melanie Dorfer hingegen nimmt mit der Arbeit continuum explizit auf die Ausstellungsarchitektur Bezug. Sie stellt unter anderem im Obergeschoss des Oktogons aus, das als Anbau speziell für die Institution der Galerie Stadt Sindelfingen von Josef Paul Kleinhues entworfen wurde. continuum besteht aus Leinwandstoff, der direkt an der Wand angebracht und dort bemalt wurde. Die entstehenden Falten und Schattierungen beleben gemeinsam mit der diagonalen Form den achteckigen, annähernd runden Raum des Oktogons: Wie eine Spirale lenkt die Arbeit den Blick im Kreis. Im völlig anderen Medium der Virtual Reality kann man mit der Künstlerin Tzusoo, die dieses Jahr den DAAD-Preis auf dem Rundgang der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart erhalten hat, das Foyer des Museums neu entdecken. Die Arbeit mit dem Titel Who Guards the Museum verfremdet die Eingangssituation, indem sie gewohnte Konstanten wie die Wände und die Zwischendecken auflöst und so neue Einblicke in das Geschehen im Museum ermöglicht. Während der Rezeption verschwimmen so die Wirklichkeitsebenen, so dass man als Betrachter*in einen neuen Blick auf den Ort bekommt. Frühe Fotos, späte Bilder. Skulptur Joachim Kupke gehört ebenfalls seit Jahren zum Sindelfinger Kunstbetrieb. Der Maler verbindet in seinen surrealistisch-realistischen Arbeiten aktuelle gesellschaftspolitische Themen mit Vorbildern aus dem kunstgeschichtlichen Kanon. Hier trifft die Illustrierte sowohl auf Popart als auch auf das niederländische Goldene Zeitalter. Neben einer Auswahl von jüngst entstanden Malereien sind auch Fotografien zu sehen, die Kupke bereits 1971 auf einer Reise in die USA in Columbus, OH anfertigte. Sie zeigen dokumentarisch alltägliche Charaktere und sind so ein Dokument der Zeit. Gleichzeitig verweisen sie aber auf die Alltagskultur, die Kupke in seiner Malerei thematisiert. Eine Skulptur Kupkes à la Duchamp erwartet Besucher*innen in einer Nische; weitere Plastiken aus der Sammlung der Galerie stehen bereits im Hauptraum im Dialog mit den Arbeiten an den Wänden. Crossing Limbo Crossing Limbo von Marie Lienhard ist Teil der Reihe Schaufenster Junge Kunst – ein Programm, mit dem die Galerie Stadt Sindelfingen jungen Künstler*innen eine institutionelle Plattform bietet. Die Installation kommt visuell ganz minimalistisch daher, hat es aber in sich: Vier Magnetpaare werden von Carbonfaserschnüren so im Raum gehalten, dass sie sich zwar gegenseitig in der Schwebe halten, sich aber nicht berühren. Diesen Aufbau, mit dem Lienhard auch schon im ZKM in Karlsruhe zu sehen war, kombiniert sie mit einer Eisenkugel, die als Pendel nur wenige Zentimeter über die Magnete hinwegfliegt und sie so in Schwingung versetzt. Der Clou daran ist, dass sich die Taste zum Auslösen des Pendels nicht innen befindet, sondern außen. Durch ein paar Stufen kann man an das Fenster herantreten, die Taste auslösen und die Eisenkugel auf ihrem Weg durch den Raum verfolgen. Besonders gut funktioniert die Installation aber natürlich, wenn man sie zu zweit betrachtet. Die eine Person löst außen das Pendel aus, die andere kann innen die Zitterbewegungen der Magnete beobachten. Danach wird getauscht! Beim Verlassen des Gebäudes bleibt eine Fülle von Eindrücken. Was die drei Ausstellungen verbindet, sind Positionen, die sich mit dem Alltag auseinandersetzen. Auch wenn dieser Alltag zunächst spezifisch für Sindelfingen erscheint, lassen sich die verhandelten Problemstellungen verallgemeinern. Mit Themen von Handlungen im Zusammenleben über das Stadtbild und die Architektur arbeiten die Künstler*innen der Gruppenausstellung an Utopien. Kupkes fotografische Dokumente und Malereien halten uns einen Spiegel vor und Marie Lienhard fordert Zusammenarbeit. Klar ist, die Kunst wirkt in die Stadt hinein; nicht zuletzt, wenn man sich auf dem Marktplatz nochmals umdreht und auf den Bannern am Balkon von Jov T. Keisar liest „Ich möchte von Ämtern in Ruhe gelassen werden.“ Die Ausstellung Utopien in der Stadtgesellschaft – Identität und Geschichte ist noch bis zum 08.09.2019 in der Galerie Stadt Sindelfingen zu sehen. Die Ausstellungen Crossing Limbo und Frühe Fotos, späte Bilder. Skulptur laufen noch bis zum 23.02.2020. Der Eintritt in die Galerie Stadt Sindelfingen ist frei! Einige Bilder in diesem Beitrag wurden aufgrund des Urheberrechts entfernt. (Januar 2020)
Bean Finneran: Art and Craft – Lebender Ton
Raumfüllende Ringe und gen Himmel strebende Kegel erinnern an Seeanemonen, Federboas oder Grashalme, die sich im Wind hin und her bewegen. Sie ziehen an, wollen berührt werden, fordern zum Nachdenken auf. Wie funktionieren diese einzigartigen Skulpturen? Aus welchem Material wurden sie geschaffen? Die in Kalifornien lebende Künstlerin Bean Finneran haben wir im Kunstverein Reutlingen persönliche kennen gelernt. Sie nahm uns auf eine unglaubliche Reise mit, eine Reise über die Entstehung ihrer Arbeiten. So lernten wir ihre unglaubliche künstlerische Überzeugung und all die einzelnen Arbeitsschritte, von der Materialwahl bis zur Fertigstellung ihrer Skulpturen, kennen. Ton – Craft and Art Vor über 20 Jahren entdeckte Bean Finneran den Werkstoff Ton. In der Kunstszene immer noch verrufen als Handwerksmaterial, schafft sie es daraus beeindruckende Kunstobjekte zu entwickeln. Ihre Skulpturen bestehen alle aus einem Grundelement, aus Tonstäben. In mühevoller Handarbeit stellt Bean Finneran diese filigranen Einzelstücke her. Aus kleinen Kugeln rollt sie mit beiden Händen unterschiedlich lange und dicke gebogene Stangen, die sie als curves bezeichnet. Diese werden nach dem sogenannten Niedertemperaturbrennen einzeln mit einem Pinsel, meist in sehr grellen Farben, bemalt. Highlights setzt Finneran gerne an beiden Enden, indem sie ein bis zwei Zentimeter Glasur, durchsichtig oder in Farbe, aufträgt. Danach müssen die Stäbe nochmals in den Ofen. Ihre Skulpturen bestehen aus hunderten bis zehntausenden dieser Tonkörper. So kann man sich vorstellen, wie lange die Künstlerin allein für die “Vorarbeit” benötigt, eine für sie äußerst meditative Arbeit, die sie persönlich mit der Erde und der menschlichen Kultur verbindet. curve by curve Einzigartig ist die Entstehung der Skulpturen, die den Raum um sich in Besitz nehmen. Er fungiert als Bühne. Mit viel Bedacht wählt sie zuerst den passenden Ort, der blanke Boden dient als Träger. Auf diesen legt Bean Finneran in der von ihr gewünschten Form eine Vielzahl an Tonstäben. Schicht über Schicht stapelt sich. Diese Ansammlung bildet das Grundgerüst der Skulptur. Keine Hilfsmittel oder Verbundstoffe werden zum Aufbau benötigt. Das gesamte Werk besteht lediglich aus den mühevoll handgefertigten curves. In dieses Gerüst werden nun weitere Tonstäbe gesteckt. Man kann fast schon von einem Gleiten sprechen, denn alles wird ohne Druck ausgeführt. In ein Loch wird eine Stange geführt und diese sucht sich durch die Schwerkraft ihren eigenen Halt, ihre eigene Position. Es entstehen individuelle Gebilde. Der Zufall spielt in diesen Werken eine nicht zu verachtende Rolle. Keine Position der curves gleicht einer anderen – ein geordnetes natürliches Chaos. Stunden bis Tage dauert der Aufbau einer Skulptur. Dabei setzt man sich intensiv mit der Haptik dieser einzigartigen Objekte auseinander, baut eine enge Verbindung zu ihnen auf und ist unglaublich stolz, sobald Bean Finneran die Skulptur als abgeschlossen deklariert. Lichteinfall und Schatten beleben sie. Je nach Tageszeit ändern sie ihre Aussagekraft. „The forms are always transitory, in a space for a given amount of time. […] The sculptures cannot be moved without taking them apart and reconstructing them. They are built curve-by-curve and disassembled one by one. This process of continual and possible change and transformation connects me to the natural world.” Es entsteht eine Verbindung mit dem menschlichen Leben, mit dem Kreislauf der Zeit, der durch ein nicht endendes Auf- und Abbauen definiert wird, einem Werden und Vergehen. Bean Finneran Bean Finneran wurde 1947 in Cleveland, Ohio, geboren. Bereits während ihres Studiums (1966-67 Goucher College, Baltimore, MD, 1968 University of Michigan, Ann Arbor, MI, 1969 Museum School, Boston Museum of Fine Art, MA und 1970 Massachusetts College of Art, Boston, MS) etablierte sie sich in den Vereinigten Staaten als Performance-Künstlerin (ZONE Theater Company, Boston, MA). 1974 gründete sie gemeinsam mit Freunden Parrot Pearls Ceramic Jewelry. Über zwanzig Jahre entwickelte sie für die Firma individuelle Schmuckdesigns. Seit mittlerweile über 45 Jahren ist Bean Finneran aktives Mitglied der SOON 3 Avantgarde Theatergruppe, heute in der Funktion als stellvertretende künstlerische Leiterin. Ihre Liebe zur Performance trägt sie somit bis heute in sich, gibt sie den Akteuren ihrer Theatergruppe weiter. Mit ihren Tonskulpturen bespielt sie nun Museumsräume. Durch deren lebendig anmutenden Charakter erzählen diese ihre ganz eigene Performance. In ihrem Atelier in Kalifornien, mit Blick auf den Pazifik, stellt sie die einzigartigen curves her.