Erzähl mir im Kunstverein Reutlingen

Kulturen vernetzen, alteingesessenes Gender-Denken aufbrechen, Diskriminierung öffentlich machen – das sind nur einige Aspekte, die Nilbar Güreş mit ihren Werken anspricht. Im Kunstverein Reutlingen können einige ihrer aussagekräftigen Werke erlebt werden.

Im Gespräch mit: Eva Bozenhardt

Zu Besuch waren wir bei Eva Bozenhardt in ihrem Gemeinschaftsatelier in Lustnau. Eine Künstlerin, die in ihren Werken Alltagsmomente einfängt, die oft ungesehen bleiben. Durch die Übersetzung auf die Leinwand gewinnen diese allerdings eine ganz neue, ganz eigene Faszination.

Art Against Waste – Chris Landrock

Chris Landrock. Trashface. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.

Der Künstler, Umweltaktivist und Surfer Chris Landrock recycelt kreativ. Seine Kunstwerke bestehen aus gefundenem und selbst aufgesammelten Müll.

Brighton – London by the Sea

Seit Jahren zieht es uns immer wieder nach Südengland, und zwar nach Brighton. Diese Stadt beeindruckt uns durch ihre Aufgeschlossenheit und Offenheit, die uns oft sehr an Tübingen erinnert.

Kein Witz. No Joke im Kunstverein Reutlingen

Sophie Reinhold. Gewöhne dich nicht daran. 2019, Öl auf Marmormehl auf Jute, 190 x 140 cm. Ausstellungsansicht: Kunstverein Reutlingen. Kein Witz. No Joke.

Gewöhne dich nicht daran. Mit diesen Worten empfängt der Kunstverein Reutlingen mit seiner Ausstellung Kein Witz. No Joke. Eine große Leinwand trägt diese Aufforderung, eine Leinwand, die die Künstlerin Sophie Reinhold geschaffen hat. Es ist ein Werk, das einen in den Bann zieht, Neugierde weckt und auch Fragen aufwirft. Man tritt automatisch näher. Der Blick haftet auf dem Bild. Was bedeutet diese Aufforderung? Wer fordert auf? Und vor allem: Warum?

Bean Finneran: Art and Craft – Lebender Ton

Raumfüllende Ringe und gen Himmel strebende Kegel erinnern an Seeanemonen, Federboas oder Grashalme, die sich im Wind hin und her bewegen. Sie ziehen an, wollen berührt werden, fordern zum Nachdenken auf. Wie funktionieren diese einzigartigen Skulpturen? Aus welchem Material wurden sie geschaffen? Die in Kalifornien lebende Künstlerin Bean Finneran haben wir im Kunstverein Reutlingen persönliche kennen gelernt. Sie nahm uns auf eine unglaubliche Reise mit, eine Reise über die Entstehung ihrer Arbeiten. So lernten wir ihre unglaubliche künstlerische Überzeugung und all die einzelnen Arbeitsschritte, von der Materialwahl bis zur Fertigstellung ihrer Skulpturen, kennen.  Ton – Craft and Art Vor über 20 Jahren entdeckte Bean Finneran den Werkstoff Ton. In der Kunstszene immer noch verrufen als Handwerksmaterial, schafft sie es daraus beeindruckende Kunstobjekte zu entwickeln. Ihre Skulpturen bestehen alle aus einem Grundelement, aus Tonstäben. In mühevoller Handarbeit stellt Bean Finneran diese filigranen Einzelstücke her. Aus kleinen Kugeln rollt sie mit beiden Händen unterschiedlich lange und dicke gebogene Stangen, die sie als curves bezeichnet. Diese werden nach dem sogenannten Niedertemperaturbrennen einzeln mit einem Pinsel, meist in sehr grellen Farben, bemalt. Highlights setzt Finneran gerne an beiden Enden, indem sie ein bis zwei Zentimeter Glasur, durchsichtig oder in Farbe, aufträgt. Danach müssen die Stäbe nochmals in den Ofen. Ihre Skulpturen bestehen aus hunderten bis zehntausenden dieser Tonkörper. So kann man sich vorstellen, wie lange die Künstlerin allein für die “Vorarbeit” benötigt, eine für sie äußerst meditative Arbeit, die sie persönlich mit der Erde und der menschlichen Kultur verbindet. curve by curve Einzigartig ist die Entstehung der Skulpturen, die den Raum um sich in Besitz nehmen. Er fungiert als Bühne. Mit viel Bedacht wählt sie zuerst den passenden Ort, der blanke Boden dient als Träger. Auf diesen legt Bean Finneran in der von ihr gewünschten Form eine Vielzahl an Tonstäben. Schicht über Schicht stapelt sich. Diese Ansammlung bildet das Grundgerüst der Skulptur. Keine Hilfsmittel oder Verbundstoffe werden zum Aufbau benötigt. Das gesamte Werk besteht lediglich aus den mühevoll handgefertigten curves. In dieses Gerüst werden nun weitere Tonstäbe gesteckt. Man kann fast schon von einem Gleiten sprechen, denn alles wird ohne Druck ausgeführt. In ein Loch wird eine Stange geführt und diese sucht sich durch die Schwerkraft ihren eigenen Halt, ihre eigene Position. Es entstehen individuelle Gebilde. Der Zufall spielt in diesen Werken eine nicht zu verachtende Rolle. Keine Position der curves gleicht einer anderen – ein geordnetes natürliches Chaos.  Stunden bis Tage dauert der Aufbau einer Skulptur. Dabei setzt man sich intensiv mit der Haptik dieser einzigartigen Objekte auseinander, baut eine enge Verbindung zu ihnen auf und ist unglaublich stolz, sobald Bean Finneran die Skulptur als abgeschlossen deklariert. Lichteinfall und Schatten beleben sie. Je nach Tageszeit ändern sie ihre Aussagekraft. „The forms are always transitory, in a space for a given amount of time. […] The sculptures cannot be moved without taking them apart and reconstructing them. They are built curve-by-curve and disassembled one by one. This process of continual and possible change and transformation connects me to the natural world.”  Es entsteht eine Verbindung mit dem menschlichen Leben, mit dem Kreislauf der Zeit, der durch ein nicht endendes Auf- und Abbauen definiert wird, einem Werden und Vergehen. Bean Finneran Bean Finneran wurde 1947 in Cleveland, Ohio, geboren. Bereits während ihres Studiums (1966-67 Goucher College, Baltimore, MD, 1968 University of Michigan, Ann Arbor, MI, 1969 Museum School, Boston Museum of Fine Art, MA und 1970 Massachusetts College of Art, Boston, MS) etablierte sie sich in den Vereinigten Staaten als Performance-Künstlerin (ZONE Theater Company, Boston, MA). 1974 gründete sie gemeinsam mit Freunden Parrot Pearls Ceramic Jewelry. Über zwanzig Jahre entwickelte sie für die Firma individuelle Schmuckdesigns.  Seit mittlerweile über 45 Jahren ist Bean Finneran aktives Mitglied der SOON 3 Avantgarde Theatergruppe, heute in der Funktion als stellvertretende künstlerische Leiterin. Ihre Liebe zur Performance trägt sie somit bis heute in sich, gibt sie den Akteuren ihrer Theatergruppe weiter. Mit ihren Tonskulpturen bespielt sie nun Museumsräume. Durch deren lebendig anmutenden Charakter erzählen diese ihre ganz eigene Performance. In ihrem Atelier in Kalifornien, mit Blick auf den Pazifik, stellt sie die einzigartigen curves her.

Between Swimming and Dryland – Zwischen Realität und Imagination

Skuril und grotesk erscheinen Anna M. Szaflarskis Arbeiten und regen zum Nachdenken und Nachforschen an. Bezüge zur Mikrobiologie, Literatur und Kunstgeschichte gekoppelt mit Fantasy und Science-Fiction finden sich und nehmen jede Besucher*in mit in eine einzigartige Welt, in Anna M. Szaflarskis ganz eigenen Kosmos. Between Swimming and Dryland Der Kunstverein Reutlingen präsentiert unter dem Titel Between Swimming and Dryland die erste institutionelle Einzelausstellung der kanadisch-polnischen Künstlerin in Deutschland. Über 20 zum Teil raumfüllende Arbeiten sind auf knapp 700 Quadratmetern zu sehen.  Im Mittelpunkt der Arbeiten steht der Körper, seine Grenzen, die Einbettung in die jeweilige Umwelt und das Körperbewusstsein. Dabei spielt Anna S. Szaflarski mit der Wahrnehmung der Rezipient*innen, ihre Werke lösen Irritationen aus. So werden das eigene, ganz individuelle Wissen über Körper und ihre Einbettung in die Umgebung in Frage gestellt. Klecks Klecks, 2019 Klecks Klecks. Diese 15m lange raumfüllende Textilarbeit ist in Kooperation mit dem belgischen Künstler Remko van der Auwera entstanden. Gearbeitet wurde mit der sogenannten ice dyeing-Technik. Mit Farbpigmenten und Eis, die auf das gefaltete und zerknüllte Gewebe aufgetragen wurden, entstanden individuelle Strukturen und Ausdrücke. Durch die Wahl des Eises und den dadurch sehr langsamen Prozess des Färbens, entstehen einzigartige Formen. Sie erinnern an die Tintenklecksbilder, die von dem deutschen Mediziner Justinius Kerner und dem Schweizer Psychiater und Psychoanalytiker Hermann Rorschach in ihren psychodiagnostisches Testverfahren benutzt wurden. Es macht Spaß sich intensiv mit dem Werk zu beschäftigen. Man erkennt Gesichter und Gegenstände, vertraute Objekte in dem durch den Schmelzprozess entstanden Chaos. Unzählige Geschichten lassen sich finden, und jeder sieht seine ganz eigenen. It filled the Well, it pleases the Pools, 2019 Die Installation It filled the Well, it pleases the Pools zeigt Keramik auf einem verfremdeten Tisch. Wie an einer gedeckten Tafel werden Teller und Gläser, Vasen und Krüge präsentiert. Doch funktionsfähig sind sie nicht. Durchlöchert und aufgeplatzt eröffnen sie Blicke auf das Innere des menschlichen Körpers. Zwei hirnähnlich aussehende Objekte ergänzen das Arrangement. Und auf subtile Art und Weise holen zwei Gesichter, im Profil dargestellt, die Rezipient*innen mit an den Tisch. In einem äußerst spannenden Kontrast steht hier also die Anatomie mit dem vom Mensch Erschaffenen, das Subjekt mit dem Objekt, das Belebte mit dem Unbelebten. Die Arbeit entstand in Kooperation mit der polnischen Keramikerin Olga Milczynska. Die Ausstellung Between Swimming and Dryland lädt zum Nachdenken, zum Imaginieren und zum Diskutieren ein. Ein Besuch in der Gruppe vereinfacht oft die Beantwortung von aufkommenden Fragen. Sie ist noch bis zum 25.08.2019 im Kunstverein Reutlingen zu sehen. Anna M. Szaflarski Anna M. Szaflarski ist 1984 in St. Catharina, Kalifornien, geboren. Sie studierte Bildende Kunst an der Emily Carr University, Vancouver, an der Kunsthochschule Berlin Weissensee und der Universität der Künste, Berlin. Sie ist Autorin, Künstlerin und Kunstbuchverlegerin (AKV Berlin). Neben der Malerei und Zeichnung, finden sich in ihrem Oeuvre Keramik, Installation und Performance. Sie lebt und arbeitet in Berlin.