Art Against Waste – Chris Landrock

Der Künstler, Umweltaktivist und Surfer Chris Landrock recycelt kreativ. Seine Kunstwerke bestehen aus gefundenem und selbst aufgesammelten Müll.

Ich komme vom Einkauf nach Hause, völlig schlapp und kaputt. Dieses Überangebot an Ware, das in jedem gängigen Einkaufsladen vorzufinden ist, erschlägt mich einfach immer wieder. Ausruhen kann ich mich nicht, sollten ja alle Produkte aus der Kühltheke schnell verstaut werden. So fang ich an meine Jutebeutel und Körbe zu leeren. Joghurt, Butter, Bananen. Bioware, weil wir uns als Familie dafür entschieden haben, dass das für unsere Kleine vielleicht besser ist. Ich bin genervt… Warum muss da ein Plastikband drum sein? Warum muss ich diese Biobananen mit Müll “ergänzen”, nur damit ich sie von den konventionellen Bananen  unterscheiden kann? Windeln, Zahnbürsten, Spielzeug, Shampoo… es nimmt kein Ende. Fast jedes Stück, das durch meine Hände geht, hat Bestandteile, die ich zwangsläufig in den Müll geben werde. 

Chris Landrock. Good Idea, 2016. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.
Chris Landrock. Good Idea, 2016. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.

Reduce – Reuse – Recycle. Wenn jeder von uns diese drei Worte in genau dieser Reihenfolge beherzigt, dann lässt sich viel bewegen und auch retten. Eben auch Bereiche unseres Planetens, die wir vielleicht nicht täglich sehen, aber von unserem Müll mehr als nur beansprucht werden.

Keep on Surfing

Chris Landrock. Color Pieces, 2018. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.
Chris Landrock. Color Pieces, 2018. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.

Mit so einem Bereich hat Chris Landrock allerdings täglich zu tun. Und zwar an seinem Arbeitsplatz, an den wunderbaren Stränden unserer Ozeane. Er ist ein Mann der Meere und das bereits in dritter Generation. Schon sein Opa und sein Vater fuhren zur See. Und er erobert das Wasser seit seinem 17. Lebensjahr auf seinem Surfboard. Und das höchst professionell. Auch während seines Lehramtsstudiums (Mathematik und Sport) arbeitete er in den Semesterferien als Surflehrer und entdeckte so viele Surf-Hotspots auf der ganzen Welt.

Muscheln und Müll

Surfen und Kunst. Wie geht das zusammen? Macht euch ein Bild und setzt euch mit Chris Landrock und seinen Kunstwerken auseinander. Er selbst bezeichnet das Meer als seinen Spielplatz, seinen Erholungsraum und Wohlfühlort, und gerade deshalb ist es Landrock wichtig, was mit diesem einzigartigen Ökosystem passiert.

Als Kind sammelte er Muscheln, heute sind es Treibholz und Müll. Es hat sich so einiges verändert an den Küsten auf der ganzen Welt und auch im Wasser selbst. In den Ozeanen befinden sich laut Chris Landrock momentan schätzungsweise über 150 Millionen Tonnen an Plastik, von sonstigen Verunreinigung des Wassers ganz abgesehen. Und an den Stränden kann schon von einer Müllflut gesprochen werden. 

Chris Landrock. Colour, 2018. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.
Chris Landrock. Colour, 2018. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.

Auch an Chris Landrocks Lieblingsstränden in Andalusien, Galizien und Frankreich, an denen er mittlerweile seit mehr als 10 Jahren für Salt Tours Surfcamps leitet, wird der Müll angespült. Die Flut an Plastik nimmt stetig zu.

Upcycling

Chris Landrock nimmt mit, was er tragen kann und bringt alles in sein Atelier nach Bremen. Kunststoff in allen Formen und Farben findet sich dort. Und er schenkt allen Teilen ein neues Leben. Mit viel Liebe und Kreativität schafft er einzigartige Kunstwerke – Bilder, Skulpturen und Auftragsarbeiten wie Interior Design, etwa Lampen. 

Chris Landrock. Surfin in Wood, 2014. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.
Chris Landrock. Surfin in Wood, 2014. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.

Der Künstler will ein Bewusstsein für die Verschmutzung der Weltmeere etablieren. Die Sorge um die Ozeane hat ihn bereits 2010 dazu gebracht das Label Meerkreativität zu gründen. Art Against Waste – unter diesem Motto präsentiert er sein Oeuvre.

Lebender Müll

Chris Landrock. Trashface – Smoke Head. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.
Chris Landrock. Trashface – Smoke Head. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.

Mit großen Augen blicken einen die Skulpturen Chris Landrocks an. Er nennt sie Trashfaces. Sie durchlöchern mit ihrem Blick. Aus Müll formt der Künstler Figuren, die anthropomorphe Mimik und Gestik aufweisen. Sie rauchen, sie trinken, sie lachen, sie deuten, sie tanzen, sie sind alle in Bewegung. Hula Girl, Nerd, Hippie Girl – die Titel der Kunstwerke suggerieren Schönes, Positives und gute Laune. Erst durch die Betrachtung und durch die Auseinandersetzung mit den verwendeten Materialien wird die/ der Rezipient*in auf die dahinter stehende Aussage aufmerksam. 

Land und Wasser

Chris Landrock. Converter, 2016. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.
Chris Landrock. Converter, 2016. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.

Seine Collagen zeigen unter anderem das Meer und seine Bewohner. Fische schwimmen aufeinander zu. Ein Wal frisst Plankton. Über einer gigantischen Welle fliegt ein Hubschrauber. Auf einem roten Herz steht eine Figur, kurz vorm Absturz, bröckelt das Herz doch langsam ab. Unter anderem Szenen, die real passieren könnten, die Chris Landrock in seine Werke übersetzt. Dies alles mit Hilfe von Treibholz und Müll.

Chris Landrock. Yaws, 2018. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.
Chris Landrock. Yaws, 2018. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.

Der Künstler etabliert mit seinen Arbeiten ein Bewusstsein für die jetzige Situation, für den Zustand unserer Erde. Und genau das möchte er erreichen. Seine Werke regen zu einem Nachdenken und zur Diskussion an. Ermahnen sie uns alle in unserem alltäglichen Umgang mit Gekauftem? Oder stehen sie wie ein Mahnmal vor uns? Der Künstler übt mit ihnen Kritik – an der aktuellen Kultur und der modernen Identität. Das alles mit einem Lächeln, Freude und Witz. So ist doch gleich jeder positiv eingestellt in seinem eigenen Umfeld ein paar Kleinigkeiten zu überdenken.

Gemeinsam für die Meere

Chris Landrock. Crumple, 2019. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.
Chris Landrock. Crumple, 2019. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.

Gemeinsam mit seinen Sportkollegen gründete der Künstler 2018 während der Longboard-Weltmeisterschaft in China die Initiative Athletes against Plastic. Die Strände von Müll befreien, das ist auch eine wöchentliche Aufgabe, die er zusammen mit den Teilnehmern seiner Surfcamps vornimmt. Er besucht Schulklassen und Kindergartengruppen, hält Workshops, damit schon die Kleinen sensibilisiert werden. Die gleiche Aufklärungsarbeit, die er auch mit seiner Kunst leistet.

Chris Landrock. Trashface – Mr. Evil. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.
Chris Landrock. Trashface – Mr. Evil. © Chris Landrock, Meerkreativität. Foto: Elisabeth Weiß.

Noch bis zum 12.12.2019 könnt ihr im Osiander Tübingen in der Wilhelmstraße einige Werke Chris Landrock sehen. Schaut vorbei!