COMEBACK – Kunsthistorische Renaissancen

Die Tübinger Kunsthalle zeigt bis zum 10. November 2019 die Ausstellung COMEBACK – kunsthistorische Renaissancen. Kuratorin Nicole Fritz beweist hier ihr gutes Gespür für Gegenwartskunst und präsentiert 30 internationale Künstler*innen und rund hundert Werke.
Ragnar Kjartansson

Erstmalig in Deutschland zeigt das Kunstmuseum Stuttgart einen Gesamtüberblick über das künstlerische Schaffen des isländischen Künstlers Ragnar Kjartansson.
FUMES AND PERFUMES 6.0

Frank Bayh und Steff Rosenberger-Ochs realisieren im Juli 2019 bereits zum sechsten Mal in Folge eine Fotoausstellung der besonderen Art.
Alltagsutopien – Drei Ausstellungen in der Galerie Stadt Sindelfingen

Betritt man das Foyer der Galerie Stadt Sindelfingen, so ist man bereits direkt im Ausstellungsraum: Drei unterschiedliche und doch zusammenpassende Ausstellungen treffen aufeinander. Rechts des Eingangs hat die Stuttgarter Künstler*innengruppe Verlag für Handbücher ihre Handbücherei aufgebaut, die den Auftakt der Ausstellung „Utopien in der Stadtgesellschaft – Identität und Geschichte“ macht. Durchgänge gewähren Blicke in die angrenzenden Kabinetträume mit den Ausstellungen „Crossing Limbo“ von Marie Lienhard im Schaufenster Junge Kunst auf der einen und „Frühe Fotos, späte Bilder. Skulptur“ von Joachim Kupke auf der anderen Seite. Utopien in der Stadtgesellschaft – Identität und Geschichte Die Ausstellung „Utopien in der Stadtgesellschaft – Identität und Geschichte“ ist aus einer Ausschreibung im Rahmen der Biennale Sindelfingen hervorgegangen, in der Künstler*innen mit Bezug zu Sindelfingen aufgefordert waren, sich mit der Geschichte der Stadt auseinanderzusetzen. Unter den acht ausgewählten Positionen befinden sich neben der Handbücherei unter anderem Rauminstallationen von Adam Cmiel und Melanie Dorfer sowie eine VR-Arbeit von Tzusoo. Die Handbücherei versammelt unter dem Titel Sicheres Arbeiten Betriebsanleitungen, Handbücher und Ähnliches; die Künstler*innengruppe ist besonders an Handlungsanweisungen interessiert, die sie von der verschriftlichten Form wieder in eine Performance verwandeln. Die Besucher*innen sind zudem aufgefordert, mitzumachen: Mitgebrachte Handbücher können gestempelt und eingeworfen werden und werden so Teil des Kunstwerks. Mit der Arbeit denkt die Gruppe auf künstlerische Art über alltägliche Handlungen und so über Möglichkeiten des Zusammenlebens nach. Ähnliche Themen verhandelt Adam Cmiel in der Installation future city – mit Witz und Charme entwirft er ein Portrait von Sindelfingen, der Sindelfinger Architektur und Umgebung und somit auch von den Menschen, die sich dort eingeschrieben haben. Er versammelt Objekte von Flohmärkten auf einer Tischplatte zu einer Skyline Sindelfingens und stellt ein mit Sprühfarbe vergoldetes Stück Beton als Goldberg (ein Hügel, auf dem bereits in der Römerzeit im Gebiet Sindelfingens gesiedelt wurde) in die Ecke. Melanie Dorfer hingegen nimmt mit der Arbeit continuum explizit auf die Ausstellungsarchitektur Bezug. Sie stellt unter anderem im Obergeschoss des Oktogons aus, das als Anbau speziell für die Institution der Galerie Stadt Sindelfingen von Josef Paul Kleinhues entworfen wurde. continuum besteht aus Leinwandstoff, der direkt an der Wand angebracht und dort bemalt wurde. Die entstehenden Falten und Schattierungen beleben gemeinsam mit der diagonalen Form den achteckigen, annähernd runden Raum des Oktogons: Wie eine Spirale lenkt die Arbeit den Blick im Kreis. Im völlig anderen Medium der Virtual Reality kann man mit der Künstlerin Tzusoo, die dieses Jahr den DAAD-Preis auf dem Rundgang der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart erhalten hat, das Foyer des Museums neu entdecken. Die Arbeit mit dem Titel Who Guards the Museum verfremdet die Eingangssituation, indem sie gewohnte Konstanten wie die Wände und die Zwischendecken auflöst und so neue Einblicke in das Geschehen im Museum ermöglicht. Während der Rezeption verschwimmen so die Wirklichkeitsebenen, so dass man als Betrachter*in einen neuen Blick auf den Ort bekommt. Frühe Fotos, späte Bilder. Skulptur Joachim Kupke gehört ebenfalls seit Jahren zum Sindelfinger Kunstbetrieb. Der Maler verbindet in seinen surrealistisch-realistischen Arbeiten aktuelle gesellschaftspolitische Themen mit Vorbildern aus dem kunstgeschichtlichen Kanon. Hier trifft die Illustrierte sowohl auf Popart als auch auf das niederländische Goldene Zeitalter. Neben einer Auswahl von jüngst entstanden Malereien sind auch Fotografien zu sehen, die Kupke bereits 1971 auf einer Reise in die USA in Columbus, OH anfertigte. Sie zeigen dokumentarisch alltägliche Charaktere und sind so ein Dokument der Zeit. Gleichzeitig verweisen sie aber auf die Alltagskultur, die Kupke in seiner Malerei thematisiert. Eine Skulptur Kupkes à la Duchamp erwartet Besucher*innen in einer Nische; weitere Plastiken aus der Sammlung der Galerie stehen bereits im Hauptraum im Dialog mit den Arbeiten an den Wänden. Crossing Limbo Crossing Limbo von Marie Lienhard ist Teil der Reihe Schaufenster Junge Kunst – ein Programm, mit dem die Galerie Stadt Sindelfingen jungen Künstler*innen eine institutionelle Plattform bietet. Die Installation kommt visuell ganz minimalistisch daher, hat es aber in sich: Vier Magnetpaare werden von Carbonfaserschnüren so im Raum gehalten, dass sie sich zwar gegenseitig in der Schwebe halten, sich aber nicht berühren. Diesen Aufbau, mit dem Lienhard auch schon im ZKM in Karlsruhe zu sehen war, kombiniert sie mit einer Eisenkugel, die als Pendel nur wenige Zentimeter über die Magnete hinwegfliegt und sie so in Schwingung versetzt. Der Clou daran ist, dass sich die Taste zum Auslösen des Pendels nicht innen befindet, sondern außen. Durch ein paar Stufen kann man an das Fenster herantreten, die Taste auslösen und die Eisenkugel auf ihrem Weg durch den Raum verfolgen. Besonders gut funktioniert die Installation aber natürlich, wenn man sie zu zweit betrachtet. Die eine Person löst außen das Pendel aus, die andere kann innen die Zitterbewegungen der Magnete beobachten. Danach wird getauscht! Beim Verlassen des Gebäudes bleibt eine Fülle von Eindrücken. Was die drei Ausstellungen verbindet, sind Positionen, die sich mit dem Alltag auseinandersetzen. Auch wenn dieser Alltag zunächst spezifisch für Sindelfingen erscheint, lassen sich die verhandelten Problemstellungen verallgemeinern. Mit Themen von Handlungen im Zusammenleben über das Stadtbild und die Architektur arbeiten die Künstler*innen der Gruppenausstellung an Utopien. Kupkes fotografische Dokumente und Malereien halten uns einen Spiegel vor und Marie Lienhard fordert Zusammenarbeit. Klar ist, die Kunst wirkt in die Stadt hinein; nicht zuletzt, wenn man sich auf dem Marktplatz nochmals umdreht und auf den Bannern am Balkon von Jov T. Keisar liest „Ich möchte von Ämtern in Ruhe gelassen werden.“ Die Ausstellung Utopien in der Stadtgesellschaft – Identität und Geschichte ist noch bis zum 08.09.2019 in der Galerie Stadt Sindelfingen zu sehen. Die Ausstellungen Crossing Limbo und Frühe Fotos, späte Bilder. Skulptur laufen noch bis zum 23.02.2020. Der Eintritt in die Galerie Stadt Sindelfingen ist frei! Einige Bilder in diesem Beitrag wurden aufgrund des Urheberrechts entfernt. (Januar 2020)
Bean Finneran: Art and Craft – Lebender Ton

Raumfüllende Ringe und gen Himmel strebende Kegel erinnern an Seeanemonen, Federboas oder Grashalme, die sich im Wind hin und her bewegen. Sie ziehen an, wollen berührt werden, fordern zum Nachdenken auf. Wie funktionieren diese einzigartigen Skulpturen? Aus welchem Material wurden sie geschaffen? Die in Kalifornien lebende Künstlerin Bean Finneran haben wir im Kunstverein Reutlingen persönliche kennen gelernt. Sie nahm uns auf eine unglaubliche Reise mit, eine Reise über die Entstehung ihrer Arbeiten. So lernten wir ihre unglaubliche künstlerische Überzeugung und all die einzelnen Arbeitsschritte, von der Materialwahl bis zur Fertigstellung ihrer Skulpturen, kennen. Ton – Craft and Art Vor über 20 Jahren entdeckte Bean Finneran den Werkstoff Ton. In der Kunstszene immer noch verrufen als Handwerksmaterial, schafft sie es daraus beeindruckende Kunstobjekte zu entwickeln. Ihre Skulpturen bestehen alle aus einem Grundelement, aus Tonstäben. In mühevoller Handarbeit stellt Bean Finneran diese filigranen Einzelstücke her. Aus kleinen Kugeln rollt sie mit beiden Händen unterschiedlich lange und dicke gebogene Stangen, die sie als curves bezeichnet. Diese werden nach dem sogenannten Niedertemperaturbrennen einzeln mit einem Pinsel, meist in sehr grellen Farben, bemalt. Highlights setzt Finneran gerne an beiden Enden, indem sie ein bis zwei Zentimeter Glasur, durchsichtig oder in Farbe, aufträgt. Danach müssen die Stäbe nochmals in den Ofen. Ihre Skulpturen bestehen aus hunderten bis zehntausenden dieser Tonkörper. So kann man sich vorstellen, wie lange die Künstlerin allein für die “Vorarbeit” benötigt, eine für sie äußerst meditative Arbeit, die sie persönlich mit der Erde und der menschlichen Kultur verbindet. curve by curve Einzigartig ist die Entstehung der Skulpturen, die den Raum um sich in Besitz nehmen. Er fungiert als Bühne. Mit viel Bedacht wählt sie zuerst den passenden Ort, der blanke Boden dient als Träger. Auf diesen legt Bean Finneran in der von ihr gewünschten Form eine Vielzahl an Tonstäben. Schicht über Schicht stapelt sich. Diese Ansammlung bildet das Grundgerüst der Skulptur. Keine Hilfsmittel oder Verbundstoffe werden zum Aufbau benötigt. Das gesamte Werk besteht lediglich aus den mühevoll handgefertigten curves. In dieses Gerüst werden nun weitere Tonstäbe gesteckt. Man kann fast schon von einem Gleiten sprechen, denn alles wird ohne Druck ausgeführt. In ein Loch wird eine Stange geführt und diese sucht sich durch die Schwerkraft ihren eigenen Halt, ihre eigene Position. Es entstehen individuelle Gebilde. Der Zufall spielt in diesen Werken eine nicht zu verachtende Rolle. Keine Position der curves gleicht einer anderen – ein geordnetes natürliches Chaos. Stunden bis Tage dauert der Aufbau einer Skulptur. Dabei setzt man sich intensiv mit der Haptik dieser einzigartigen Objekte auseinander, baut eine enge Verbindung zu ihnen auf und ist unglaublich stolz, sobald Bean Finneran die Skulptur als abgeschlossen deklariert. Lichteinfall und Schatten beleben sie. Je nach Tageszeit ändern sie ihre Aussagekraft. „The forms are always transitory, in a space for a given amount of time. […] The sculptures cannot be moved without taking them apart and reconstructing them. They are built curve-by-curve and disassembled one by one. This process of continual and possible change and transformation connects me to the natural world.” Es entsteht eine Verbindung mit dem menschlichen Leben, mit dem Kreislauf der Zeit, der durch ein nicht endendes Auf- und Abbauen definiert wird, einem Werden und Vergehen. Bean Finneran Bean Finneran wurde 1947 in Cleveland, Ohio, geboren. Bereits während ihres Studiums (1966-67 Goucher College, Baltimore, MD, 1968 University of Michigan, Ann Arbor, MI, 1969 Museum School, Boston Museum of Fine Art, MA und 1970 Massachusetts College of Art, Boston, MS) etablierte sie sich in den Vereinigten Staaten als Performance-Künstlerin (ZONE Theater Company, Boston, MA). 1974 gründete sie gemeinsam mit Freunden Parrot Pearls Ceramic Jewelry. Über zwanzig Jahre entwickelte sie für die Firma individuelle Schmuckdesigns. Seit mittlerweile über 45 Jahren ist Bean Finneran aktives Mitglied der SOON 3 Avantgarde Theatergruppe, heute in der Funktion als stellvertretende künstlerische Leiterin. Ihre Liebe zur Performance trägt sie somit bis heute in sich, gibt sie den Akteuren ihrer Theatergruppe weiter. Mit ihren Tonskulpturen bespielt sie nun Museumsräume. Durch deren lebendig anmutenden Charakter erzählen diese ihre ganz eigene Performance. In ihrem Atelier in Kalifornien, mit Blick auf den Pazifik, stellt sie die einzigartigen curves her.
Between Swimming and Dryland – Zwischen Realität und Imagination

Skuril und grotesk erscheinen Anna M. Szaflarskis Arbeiten und regen zum Nachdenken und Nachforschen an. Bezüge zur Mikrobiologie, Literatur und Kunstgeschichte gekoppelt mit Fantasy und Science-Fiction finden sich und nehmen jede Besucher*in mit in eine einzigartige Welt, in Anna M. Szaflarskis ganz eigenen Kosmos. Between Swimming and Dryland Der Kunstverein Reutlingen präsentiert unter dem Titel Between Swimming and Dryland die erste institutionelle Einzelausstellung der kanadisch-polnischen Künstlerin in Deutschland. Über 20 zum Teil raumfüllende Arbeiten sind auf knapp 700 Quadratmetern zu sehen. Im Mittelpunkt der Arbeiten steht der Körper, seine Grenzen, die Einbettung in die jeweilige Umwelt und das Körperbewusstsein. Dabei spielt Anna S. Szaflarski mit der Wahrnehmung der Rezipient*innen, ihre Werke lösen Irritationen aus. So werden das eigene, ganz individuelle Wissen über Körper und ihre Einbettung in die Umgebung in Frage gestellt. Klecks Klecks, 2019 Klecks Klecks. Diese 15m lange raumfüllende Textilarbeit ist in Kooperation mit dem belgischen Künstler Remko van der Auwera entstanden. Gearbeitet wurde mit der sogenannten ice dyeing-Technik. Mit Farbpigmenten und Eis, die auf das gefaltete und zerknüllte Gewebe aufgetragen wurden, entstanden individuelle Strukturen und Ausdrücke. Durch die Wahl des Eises und den dadurch sehr langsamen Prozess des Färbens, entstehen einzigartige Formen. Sie erinnern an die Tintenklecksbilder, die von dem deutschen Mediziner Justinius Kerner und dem Schweizer Psychiater und Psychoanalytiker Hermann Rorschach in ihren psychodiagnostisches Testverfahren benutzt wurden. Es macht Spaß sich intensiv mit dem Werk zu beschäftigen. Man erkennt Gesichter und Gegenstände, vertraute Objekte in dem durch den Schmelzprozess entstanden Chaos. Unzählige Geschichten lassen sich finden, und jeder sieht seine ganz eigenen. It filled the Well, it pleases the Pools, 2019 Die Installation It filled the Well, it pleases the Pools zeigt Keramik auf einem verfremdeten Tisch. Wie an einer gedeckten Tafel werden Teller und Gläser, Vasen und Krüge präsentiert. Doch funktionsfähig sind sie nicht. Durchlöchert und aufgeplatzt eröffnen sie Blicke auf das Innere des menschlichen Körpers. Zwei hirnähnlich aussehende Objekte ergänzen das Arrangement. Und auf subtile Art und Weise holen zwei Gesichter, im Profil dargestellt, die Rezipient*innen mit an den Tisch. In einem äußerst spannenden Kontrast steht hier also die Anatomie mit dem vom Mensch Erschaffenen, das Subjekt mit dem Objekt, das Belebte mit dem Unbelebten. Die Arbeit entstand in Kooperation mit der polnischen Keramikerin Olga Milczynska. Die Ausstellung Between Swimming and Dryland lädt zum Nachdenken, zum Imaginieren und zum Diskutieren ein. Ein Besuch in der Gruppe vereinfacht oft die Beantwortung von aufkommenden Fragen. Sie ist noch bis zum 25.08.2019 im Kunstverein Reutlingen zu sehen. Anna M. Szaflarski Anna M. Szaflarski ist 1984 in St. Catharina, Kalifornien, geboren. Sie studierte Bildende Kunst an der Emily Carr University, Vancouver, an der Kunsthochschule Berlin Weissensee und der Universität der Künste, Berlin. Sie ist Autorin, Künstlerin und Kunstbuchverlegerin (AKV Berlin). Neben der Malerei und Zeichnung, finden sich in ihrem Oeuvre Keramik, Installation und Performance. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Baselitz-Richter-Polke-Kiefer – Die jungen Jahre der alten Meister
Baselitz-Richter-Polke-Kiefer – Namen deutscher Künstler, die heute nicht populärer sein könnten. Überdimensionale Marktpreise und zahlreiche Blockbusterausstellungen auf der ganzen Welt führten dazu, dass diese vier Namen als Aushängeschilder für deutsche künstlerische Qualität der Nachkriegszeit verwendet werden. Dass dann die Staatsgalerie Stuttgart mit dem Kurator Götz Adriani in einer Sonderausstellung diese deutschen Könige der Malerei zusammenführt, macht neugierig. Welche Werke werden zu sehen sein? Wie funktioniert eine gemeinsame Nebeneinanderstellung dieser Künstler, deren Biografien doch unterschiedlich verlaufen sind? Im Fokus der Ausstellung stehen die 1960er Jahre. Im Vorraum kurz chronologisch unter sozialpolitischen Aspekten skizziert werden. In diesem Jahrzehnt sind die vier Künstler in unterschiedlichen Ausbildungsstadien oder im Übergang zu dem „Danach”. Aus diesem Grund kann man mit der in der Ausstellung zu sehenden Werkauswahl bei allen Künstlern eine motivische und/oder technische Entwicklung sehen. Mit je 20-25 Werken sind die Künstler in der Stirling-Halle vorwiegend mit Malereien präsentiert. Der Beginn der Ausstellung machen die von Erdtönen beherrschten Malereien Georg Baselitz‘. Beeinflusst von den politischen ost- und westeuropäischen Ideologien, malt dieser irgendwo zwischen Figuration und Abstraktion. Auf die zerrissenen Heldenbilder und angestückelten Frakturbilder folgt 1969 die Motivumkehr, die berühmten „auf dem Kopf“ stehenden Bilder. Direkt ohne Übergang, folgen die vorwiegend schwarz-weiß Malereien Gerhard Richters. Teilweise vermitteln kleine Abbildungen von Zeitungsausschnitten die Quellen der vorgefundenen Motive. Bunter und ironischer wird es mit Sigmar Polke. Siebdruckarbeiten, die Nutzung von vorgefundenen Textilien und Einarbeitung von Text lassen etwas mehr schauen, mehr entdecken und mehr schmunzeln. Die Abschlussarbeit Anselm Kiefers‚ Kunststudium „Besetzungen“ von 1969 nimmt großen Raum ein. In jenem Werk hält sich der Künstler, gekleidet in der Militäruniform seines Vaters, stehend mit dem Hitlergruß ausführend, fotografisch fest. Doch auch die etwas späteren erdtönigen, großen, aneinander gestückelten Leinwandbilder Kiefers, finden zum Abschluss der Ausstellung ihren Platz. >> Was fehlt sind aber Bezüge. Bezüge unter diesen „vier Namen“. Keine biografischen, sondern technische und motivische Bezüge.<< Dieser kleine Rundgang zeigt Werke aus den 1960er Jahre der „vier Namen aus Deutschland, die in der ganzen Welt bekannt sind“ mit Blick auf die sozialpolitischen Umstände. Was fehlt sind aber Bezüge. Bezüge unter diesen „vier Namen“. Keine biografischen, sondern technische und motivische Bezüge. In der Ausstellung fehlt jegliche Vermittlung, die ein solches Faß hätte anstoßen können. Oder gibt es keine Gemeinsamkeiten, Unterschiede oder Parallelen? Wieso sind immer wieder realistische Motive in ihren Werken zu finden? Was hat es mit der Farbwahl der Künstler auf sich? Allein eine Nennung der verwendeten Materialien in der Bildlegende, unter den netten Leihgebern, hätte schon eine neue Sicht auf die Werke vermitteln können. Aber all diesem wurde abgesagt. Wer sich mit dieser Kunst nicht auskennt, hat immer noch die schönen Bilder der „vier Namen aus Deutschland, die in der ganzen Welt bekannt sind“ anzusehen. Die Ausstellung ist noch bis zum 18.08.2019 in der Staatsgalerie Stuttgart zu sehen. Danach zieht sie weiter in die Deichtorhallen Hamburg (12.09.2019–05.01.2020). Die Bilder in diesem Beitrag wurden aufgrund des Urheberrechts entfernt. (Januar 2020)
