
Jürgen Klugmann ist Künstler, Lehrer und Vorstand des Künstlerbund Tübingen und inspiriert Menschen somit auf vielen Wegen. KUNE hat den Künstler in seinem Atelier besucht und mit ihm über seinen Weg und seine Arbeiten gesprochen.
Hallo Jürgen, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast für unser Gespräch. Mich interessiert immer, wie Künstler ihren Weg zur Kunst gefunden haben… kannst Du das kurz zusammenfassen?
Mich hat Kunst schon in meiner Ausbildung zum Buchhändler interessiert. Für die Ausbildung und aus Liebe zur Literatur bin ich nach Hechingen gezogen. Ich habe dann aber gemerkt, dass der Buchhändler vor allem ein spezialisierter Einzelhändler ist und nach einer Anstellung in Tübingen das Berufsfeld gewechselt.
Ich arbeitete danach in Landesdenkmalamt bei einer archäologischen Grabung im Tübinger Kornhaus. Dort fertigte ich auch Zeichnungen der Grabungsschnitte und Fotografien davon an. Eine Freundin hat mich ins Zeicheninstitut der Universität Tübingen mitgenommen. Für mich war der damalige Institutsleiter Prof. Martin Schmid sehr wichtig in meiner künstlerischen Entwicklung. Er mochte mich und meine Arbeiten sehr und hat mich gepusht. Er war unglaublich klug und hatte einen ganz eigenen Kosmos aus Religion, Philosophie und Psychoanalyse. Seine Bilder waren voll von diesem philosophischen Kosmos.

Wie sah der Unterricht am Zeicheninstitut der Uni Tübingen damals aus?
Man hatte zum Beispiel ein halbes Jahr Komposition und dann wieder ein halbes Jahr Farbenlehre bei ihm.
Auch Dieter Löchle war sehr prägend für mich. Er hat mir die Maltechniken beigebracht und den freien Umgang mit Gestaltungsmitteln. Vor dem Atelierbrand war das Zeicheninstitut wie ein kleiner Akademiebetrieb. Wir wussten wo der Schlüssel ist und konnten dort arbeiten, wenn es gerade keine Kurse gab.
Und wann hast Du Dich dann entschieden, Künstler zu sein?
Ab Mitte der 1990er habe ich dann selbst im Zeicheninstitut Maltechniken unterrichtet. Ich hatte zu der Zeit auch erste Einzelausstellungen. Das Unterrichten wurde mit der Zeit immer wichtiger für mich. Neben der künstlerischen Arbeit und Lehre habe ich aber immer im Handwerk gearbeitet. Zwischen 2006 und 2008 hatte ich ein zweijähriges Stipendium der pro arte Stiftung in Ulm. Da war ich quasi die Hälfte der Woche hier in Tübingen, habe am Zeicheninstitut und am Leibniz Kolleg unterrichtet, und den Rest der Woche war ich in Ulm. Dort hatte ich Ruhe zum Arbeiten und konnte mich ganz der Kunst widmen. Ich hatte Zeit, mich auch auf große Ausstellungen zu bewerben, wie zum Beispiel in München im Haus der Kunst. Eine Reihe, die ich seither verfolge, sind die Vergessenen.
Lethe 03, Mischtechnik, 2009, 48x42cm Lethe 10, Mischtechnik, 2009, 48x42cm
Bei mir laufen immer verschiedene Werkzyklen parallel. Die Vergessenen ist die Reihe, in der ich mich mit dem Tod und dem Vergessen bzw. dem Vergessenwerden auseinandersetze. Neben meinem Atelier im Kloster Wiblingen gab es ein Altersheim und einmal habe ich neben dem Altpapiercontainer eine ganze Kiste mit Fotografien gefunden. Ich dachte, jetzt haben sie hier die letzten Erinnerungen eines Menschen entsorgt, und irgendwie wollte ich diesen Vergessenen ein Denkmal setzen. Eine große Arbeit ist „Lethe“ für die ich von einem Foto 21 Personen portraitiert habe. Die Porträtzeichnungen wurden im Anschluss sehr oft mit Acrylfarbe überlasiert, so dass die Zeichnungen verblasst bzw. fast nicht mehr zu erkennen sind.
Du hast mir vorhin Bilder aus der RomA4 Serie gezeigt. Was hat es denn mit dieser Serie auf sich?
Meine Frau hatte sich an der Deutschen Schule in Rom beworben und dann bin ich natürlich mit. Das war dann auch nochmal wie ein Stipendium, nur ohne Atelier. Und so kam es zu der Serie RomA4, die ich 2010 angefangen habe. Seither sind sicherlich 1000 dieser Blätter entstanden.
RomA4, Bleistift auf Papier, DIN A4, 2010 RomA4, Bleistift auf Papier, DIN A4, 2010 RomA4, Bleistift auf Papier, DIN A4, 2019
Was treibt Dich an, diese Blätter zu machen?
RomA4, das ist Spielerei im Bildraum, wo nichts von außen mit hineinspielt - wenigstens nicht bewusst. Aber das sind sehr freie Arbeiten, die die Ränder der künstlerischen Komposition auskundschaften. Manchmal sind es dann doch wieder dichtere, fast malerische Sachen. Da darf alles passieren, nur irgendwo muss immer Graphit dabei sein und das Format muss DIN A4 sein.
Und gab es auch schon Blätter, die du dann in größere Werke ausgearbeitet hast?
Nicht absichtlich. Darum geht es mir hier nicht. Aber man denkt ja schon irgendwie immer in ähnlichen künstlerischen Bahnen, und klar kommen hier Sachen vor, die ich auch schon in größeren Arbeiten hatte. Es ist aber nicht so, dass ich die RomA4-Arbeiten als Skizzen nehmen würde. Aber es passiert, dass ich etwas wieder aufgreife, und dagegen sträube ich mich nicht.
Wann bist du fertig mit einem Blatt?
Tja, das ist für jeden eine schwierige Frage. Das Beste ist, wenn ich das Gefühl habe, jetzt hab ich mich selbst überrascht und ich gleichzeitig die Freude über eine gute, gelungene Arbeit spüre.
RomA4, Bleistift auf Papier, DIN A4, 2019 RomA4, Bleistift auf Papier, DIN A4, 2023 RomA4, Mischtechnik auf Papier, DIN A4, 2023
Du bist ja auch sehr im Künstlerbund Tübingen aktiv. Was für eine Rolle hat der in Deiner Künstlerkarriere gespielt?
Ich bin schon früh dem Künstlerbund beigetreten und war dann auch schon im Vorstand bevor ich nach Rom gegangen bin. Als ich in Rom war, war ich in Tübingen natürlich weniger aktiv. Nach dieser Zeit, also seit 2014 wurde ich wieder in den Vorstand gewählt und seither engagiere ich mich dafür. Ich finde die Galerie wahnsinnig schön und es macht Spaß, ein interessantes Programm zu organisieren. Außerdem geben wir die Tübinger Edition heraus, hochwertige Grafiken in kleiner Auflage zum kleinen Preis. Auch die organisiere ich.
Wir bieten im Künstlerbund so viele tolle Möglichkeiten für Künstler:innen. Nicht nur zum Ausstellen, auch dass wir die Druckwerkstatt nutzen können. Nicht jede:r hat eine Radier- oder Lithopresse im Atelier stehen.
Wertvoll finde ich auch den Austausch unter den Tübinger Künstler:innen. Manche sieht man nur zur Jahresausstellung, mit anderen hat man dann auch schon mehr zu tun. Man sieht regelmäßig, was die anderen machen, wo es sie künstlerisch hintreibt. Das ist schön.
Was bringen Dir denn Ausstellungen?
Ich freue mich immer, meine Arbeiten in anderen Kontexten zu sehen als in dem, in dem sie entstanden sind. Da hab ich eine freiere Sicht auf die Werke. Auch ist es schön eine Ausstellung zu konzipieren, die Werke mit den Räumen in Beziehung zu setzen. Das ist eine tolle kreative Arbeit, die sehr viel Spaß macht.
Und für mich persönlich ist es dann immer auch spannend zu sehen, wie andere Menschen auf die Arbeiten und auf die Ausstellung reagieren. Das generiert interessante Redeanlässe.
Vielen Dank, lieber Jürgen, für das Gespräch!
Wer die Kunst von Jürgen Klugmann momentan in Ausstellungen sehen möchte, kann das derzeit in Tübingen, Erfurt und Berlin tun.
