Hannah Krämer nimmt Raum im Alten Waschhaus ein

In ihrer ersten kuratierten Ausstellung „Raum einnehmen“ zeigt Hannah Krämer Porträts und Körperansichten in Öl und vereinzelt Acryl. Die Ausstellung vom 1. Mai bis zum 27. Mai 2025 im Alten Waschhaus in Tübingen ist Teil des gleichnamigen Stipendiums von KuneArts und Kosmos e.V. und gibt Einblick in ihre persönliche und künstlerische Entwicklung.

Seit dem 1. Mai 2025 schmücken die Malereien von Hannah Krämer die Café-Wände des Alten Waschhauses in Tübingen. Follower:innen ihrer Social Media Kanäle sind bereits vertraut mit ihrer Kunst und einigen ihrer Werke, doch mit der Ausstellung Raum einnehmen tritt sie im Rahmen des Alten Waschhaus Stipendiums von KuneArts und Kosmos e.V. als Künstlerin auch in den analogen Raum.

Zwischen digitalem und analogem Raum

Bereits der Titel der Ausstellung spielt mit Mehrdeutigkeit. Raum einnehmen bedeutet hier nicht nur das fassbare Ergreifen eines Raumes durch ihre Werke – es beschreibt auch einen inneren Prozess: den Schritt aus der eigenen Komfortzone, hin zur Öffentlichkeit. Für Hannah Krämer hat sich der Ausstellungstitel „richtig angefühlt“, da „einerseits meine Bilder den Raum einnehmen und das Waschhaus verändern“, so die Künstlerin. Andererseits, sagt sie, „weil ich mich traue, den Raum einzunehmen und so ein bisschen aus meinem Safe Space und Social Media rauskomme“.

Porträts im vorderen Café-Raum ©Foto: Julian Böhm

Die 23-jährige Hannah Krämer stammt aus Oppenweiler bei Backnang und studiert derzeit Medienwissenschaft in Tübingen. Schon seit ihrer Jugend malt sie – anfangs mit Bunt- und Bleistiften und seit einigen Jahren mit einem Fokus auf Acryl- und nun Ölmalerei. Besonders schätzt sie am Malen mit Öl im Vergleich zu Acryl, „wie sich die Farbe anfühlt und wie der Prozess ist“. Ihre Werke zeigen oftmals Freund:innen und Familienmitglieder – immer mit einem feinen Gespür für Emotion und Präsenz. Sichtbarkeit ist für sie nicht nur Thema, sondern – zumindest auf Social Media – seit einiger Zeit Praxis: Auf Instagram folgen ihrem Account @hannahkraemerart über 2400 Menschen, sie betreibt gemeinsam mit der Fotografin und Autorin Caroline Gramsch den Podcast delulu und brotlos über Kunst, und auch auf YouTube und TikTok ist sie aktiv. Mit ihrer ersten kuratierten Ausstellung Raum einnehmen verlässt sie nun den digitalen Raum – und tritt bewusst in den analogen.

Regelmäßig gibt Hannah Krämer auf Social Media Einblicke in ihre Arbeit – wie hier ©Foto: Hannah Krämer

Porträts und Körper

Die Ausstellung gliedert sich in zwei Räume mit klaren thematischen Schwerpunkten. Im vorderen Raum begegnen Besucher:innen einer Reihe von Porträts – allen voran dem Herzstück der Ausstellung: ein vergleichsweise großes Porträt der Eltern der Künstlerin. „Das ist im Moment mein Lieblingsbild, wo ich das Gefühl habe, dass ich das wirklich umsetzen konnte, was ich umsetzen wollte und auch was meine weitere Kunst hoffentlich prägen wird“, so Hannah Krämer lächelnd. Ergänzt wird es durch kleinere Porträts, deren ausdrucksstarke Gesichter und stille Gesten intime Geschichten erzählen. Hier geht es um das Persönliche, das Vertraute – und um das genaue Hinschauen. Bei der Vernissage am 3. Mai 2025, bei der auch einige Freund:innen und Familienmitglieder von Hannah Krämer anwesend waren, konnten einige ihr eigenes Gesicht in porträtierter Form im Alten Waschhaus wiederfinden. Freund:innen und Familie zu malen, mache ihr besonders Spaß: „Es fühlt sich richtig an“ und für sie sei es „irgendwie mehr wie nur irgendeine Person zu malen“.

Herzstück der Ausstellung: Das Porträt der Eltern ©Foto: Julian Böhm

Im hinteren Raum dominiert das Thema Körperlichkeit. Mehrere großformatige Ölgemälde zeigen Körper in fragmentierten Posen und Perspektiven – stark und verletzlich zugleich. Hierbei handelt es sich um ihre etwas älteren Werke, die sich nicht nur thematisch, sondern auch in Bezug auf die Hintergrundgestaltung von den Porträts im vorderen Raum unterscheiden. Besonders die Farbe Braun bildet jedoch eine Konstante in ihrer Kunst: „Ich finde, daran sieht man auch bei den älteren Bildern, die eigentlich in meinem Kopf ganz anders aussehen wie die neueren Bilder, dass die irgendwie zusammengehören.“ Der Eindruck von mutiger Offenheit sowie des Verletzlichen wird auch durch das Non-finito – des nicht vollendeten Werkes – evoziert. „Früher habe ich viele Bilder auch aktiv aufgehört, bevor sie fertig waren“, so die Künstlerin auf die Frage, wann ein Werk in ihren Augen fertig sei.

Werke rund um Körperlichkeit im hinteren Café-Raum ©Foto: Julian Böhm

Klassisches Medium – Zeitgenössische Bildsprache

Hannah Krämers Arbeiten passen zu unserem Zeitgeist, wie bei der Vernissage während des Artist Talks von Natalie Savas betont wurde. Mit Öl auf Leinwand arbeitet sie mit einem sehr klassischen Medium, aber schafft es auch, diesen Ansatz in ein zeitgenössisches Format zu übertragen. Die Entwicklung ihrer Kunst ist für die Besucher:innen innerhalb der Ausstellung zu erkennen. Die Konkretisierung ihres Stils lässt sich unter anderem an ihrer mittlerweile präferierten Farbpalette erkennen. Neben einer kleinen Auswahl an Grundfarben nutzt sie vor allem Braun und Pink als Grundpalette für ihre neueren Porträts. Unterschiedliche Brauntöne mixe sie dabei am liebsten selbst, denn „meine Kunst ist eher intuitiv“, so die Künstlerin.

Porträts in verschiedenen Formaten ©Foto: Julian Böhm

Auffallend sind auch die verschiedenen Formate ihrer Werke. Leinwände und Malpappen variieren in den Maßen. Auch runde Werke, die auf den ersten Blick an die italienische Renaissance erinnern, sind ausgestellt. In dieser Hinsicht verlässt sie sich ebenfalls auf ihre Intuition, wie sie verrät: „Ich bestelle die Größen oft sehr ‚random‘ und gucke immer, was ich dann bekomme, und dann ist es eben eine Challenge zu schauen, wie das Bild auf die verschiedenen Größen passt.“ Das Hauptmotiv ihrer jeweiligen Werke stehe aber immer schon anfangs fest – alles andere entwickle sich dann: „Ich habe immer eigentlich ein Foto, das ich malen möchte, aber wie genau ich das dann male, das entsteht dann schon“, so Hannah Krämer angesprochen auf ihren Malprozess, in den sie auch ihren Follower:innen auf Social Media stets Einblicke durch ihre Posts gewährt.

Kunst als geteiltes Erlebnis

Die Ausstellung Raum einnehmen ist noch bis zum 27. Mai 2025 im Alten Waschhaus in Tübingen zu sehen und findet im Rahmen des Alten Waschhaus Stipendiums von KuneArts und Kosmos e.V. statt – einem Förderprogramm für junge, aufstrebende Künstler:innen aus Tübingen und der Region. Es richtet sich an Personen, die bisher wenig öffentliche Präsenz hatten und sich weiterentwickeln möchten. Das Stipendium umfasst professionelle Unterstützung, Ausstellungsfläche und soll zur Sichtbarkeit und Vielfalt der regionalen Kunstlandschaft beitragen.

Impression aus dem hinteren Café-Raum ©Foto: Julian Böhm

Mit der begleitenden Veranstaltung namens Artnight am 17. Mai 2025 setzt Hannah Krämer einen weiteren Akzent: Besucher:innen sind eingeladen, selbst in Gemeinschaft kreativ zu werden – mit Pinsel, Papier, Farbe oder auch Nadel und Faden, direkt in den Ausstellungsräumen des Cafés. Dabei soll der Fokus allen voran auf dem gemeinsamen Kunstmachen und dem Austausch liegen, denn „Kunst ist oft ein sehr einsames Hobby“, wie sie bemerkt. Mit der Ausstellung und der Art Night nimmt Hannah Krämer somit nicht nur Raum ein, sondern öffnet diesen auch für andere. Der Prozess, neben den sozialen Medien weitere Schritte in die Öffentlichkeit und die professionelle Kunstszene zu wagen, bringt sie während der Vernissage immer wieder zum Lächeln: „Das ist sehr schön. Das ist aufregend, aber ich freue mich sehr.“