[C]AR[T] – Wo Kunstwerke auf Oldtimer treffen: Bo Contrast und Heidi Degenhardt im Gespräch

Kunstwerke und Oldtimer teilen eine gemeinsame Anziehungskraft, die Menschen vor allem auf einer emotionalen Ebene bindet und fasziniert. An diese Faszination knüpft das KuneProjects-Team mit der Ausstellung „[C]AR[T] – Wo Kunstwerke auf Oldtimer treffen“ im KultTourGut in Reutlingen an. Dort treten Werke von Bo Contrast und Heidi Degenhardt in einen Dialog miteinander und den dort ausgestellten Fahrzeugen.

Kunstwerke gerade an ungewöhnliche Orte außerhalb des Museums zu bringen, ist für das KuneProjects-Team ein besonderes Anliegen. Seien es die Verbindung von Kunst und Kulinarik im Caro‘s Tübingen oder regionale zeitgenössische Perspektiven auf das historische Kloster Bebenhausen. Seit Oktober 2022 treffen nun auch Kunstwerke im neu eröffneten KulTourGut in Betzingen auf Old- bzw. Youngtimer. In der Ausstellung „ [C]AR[T]” stehen die großen und bunten Materialbilder von Bo Contrast den zarten Porzellanarbeiten von Heidi Degenhardt gegenüber und treten auch in einen Dialog mit den Fahrzeugen selbst.

Ausstellungsansicht [C]AR[T] – Wo Kunstwerke auf Oldtimer treffen, 2022. Foto: Julia Berghoff.

Kunst im Dialog mit Old- und Youngtimern

Schon während des Aufbaus wurde bewusst, wie sich die Oldtimerhalle der KultTourGut GmbH plötzlich zu einem völlig neuen Raum – zu einem Kulturraum – entfaltete. Denn was haben Kunst- und Autoliebhaber:innen gemeinsam? Sie teilen eine Faszination für einzigartige Objekte, die uns vor allem auf einer emotionalen Ebene binden. Ein Kunstwerk ist eben nicht nur eine dekorative Leinwand mit Farbe oder ein schönes Stück Ton, so wenig wie ein VW Käfer oder ein Porsche 964 „nur“ Autos sind. Kunstwerke und Oldtimer sind im wahrsten Sinne des Wortes „Weggefährten“, wobei ihr Wert, ideell als auch materiell, weit über eine bloße Funktion hinausgeht – und gerade hier wird es spannend.

Heidi Degenhardt, Kapselfrucht 1 und 2, 2019, Porzellan Mixed Media. © Heidi Degenhardt, Foto: Julia Berghoff.

Bo Contrasts Freude am Experimentieren

Aus diesem Grund setzten KuneProjects Kunstwerke und Oldtimer in einen Dialog und wählten hierfür zwei Künstlerinnen, deren Werke ästhetisch fast nicht unterschiedlicher sein könnten. Bo Contrast arbeitet mit verschiedensten Materialien, die sie in zahlreichen Schichten auf die großformatigen Leinwände bringt. Stoffe, Luftpolsterfolie und sogar Kaffeebohnen tauchen in ihren Werken auf, was auch ihre Freude am Experimentieren zeigt. Neben dem Fokus auf eine reliefartige Haptik spielt in Bo Contrast Werken vor allem Farbe eine zentrale Rolle. Wie schon der Untergrund wird sie in vielen Schichten aufgetragen, wobei die Sprayfarben beginnen zu changieren. Steht man eine Weile davor, verändert sich sogar die eigene Perspektive. Die Formen, Falten und Kerben werden zu Gebirgen und Tälern, wie auf einer riesigen Landkarte und mit jedem neuen Quadratzentimeter eröffnet sich ein ganz neues Territorium. Dabei sprühen die Materialbilder durch ihre lebhaften Strukturen vor Dynamik und Kraft.

  • Ausstellungsansicht [C]AR[T] – Wo Kunstwerke auf Oldtimer treffen, 2022. Foto: Julia Berghoff.
  • Bo Contrast, 2021, aus der Serie Reallusion, Mixed Media auf Leinwand, 100 x 140 x 9 cm. Foto und © Bo Contrast.
  • Bo Contrast, Power, 2021, aus der Serie Reallusion, Mixed Media auf Leinwand, 100 x 140 x 7 cm. Foto und © Bo Contrast.

Haptische Anziehungskraft bei Heidi Degenhardt Porzellanarbeiten

Diese enorme haptische Anziehungskraft verbindet Bo Contrasts Werke wiederum mit Heidi Degenhardts Porzellanarbeiten. Man möchte sie anfassen und gleichzeitig beschützen, so zerbrechlich scheinen die zarten weißen Objekte mit ihren spitzen Zacken und schmalen Graten. Wie versteinerte Korallen oder noch unbekannte Lebewesen bewegen sie sich an der Grenze zwischen Erkennbarem und Abstraktion, was sie ebenfalls mit den Werken von Bo Contrast gemein haben. Die unzähligen Porungen von Heidi Degenhardts schwammartigen Objekten aus der die „Porifera“-Reihe ähneln sogar den zerklüfteten Strukturen von Bo Contrasts Materialbildern, wie etwa bei der Arbeit „Adventure“. Auch optische Verbindungen zu den Oldtimern werden sichtbar: So erinnert das Porzellanobjekt „Zeitspur 2“ beispielsweise an die Turbine eines Turboladers und für ihr Werk „Tandava“ verwendete Bo Contrast tatsächlich Autolack.

Wie genau die beiden Künstlerinnen ihre Materialien wählen und was sie zu den Arbeiten inspiriert hat, hat Julia in kurzen Gesprächen erfragt.

  • Heidi Degenhardt, Kapselfrucht 1, 2019, Porzellan Mixed Media. © Heidi Degenhardt. Foto: Julia Berghoff.
  • Heidi Degenhardt, Zeitspur 2, 2019, Porzellan Mixed Media. Foto und © Heidi Degenhardt.
  • Bo Contrast, Tandava, 2022, aus der Serie Reallusion, Mixed Media auf Leinwand, 120 x 100 x 6 cm. Foto und © Bo Contrast.

Im Gespräch mit Bo Contrast

Wie beginnst du ein neues Werk? Wie wählst du dein Material, deinen Ausgangspunkt?

Bo Contrast: Die Thematik, welche das Bild beinhaltet, spielt eine große Rolle bei der Vorbereitung. Ich lese vorab sehr viel darüber, beschäftige mich intensiv damit und so entstehen auch diese Bilder in meinem Kopf. Ich gehe das Werk vor meinem geistigen Auge durch. Ich sehe die Farben und Bilder vor meinem geistigen Auge. Dementsprechend wähle ich auch das Material sowie die Farben aus und lege mir alles zurecht, bevor ich beginne.

Der Prozess gestaltet sich sehr intuitiv. Ich bin mit meinen Gedanken bei diesem Thema und lasse mich dann von diesem Gefühl verleiten, was ich dabei empfinde.
So kommt es meist dazu, dass eben nicht alles nach Plan läuft, was absolut in Ordnung ist. Der Prozess selbst fordert demnach eine hohe Flexibilität von mir, ebenso die Fähigkeit Veränderung anzunehmen.

Jedes Bild ist eine Herausforderung an mich selbst, die Dinge anzunehmen, wie sie eben entstehen.

Bo Contrast, Butterfly, 2022, aus der Serie Reallusion, Mixed Media auf Leinwand, 120 x 100 x 8,6 cm. © Bo Contrast. Foto: Julia Berghoff.
Bo Contrast, Butterfly, 2022, aus der Serie Reallusion, Mixed Media auf Leinwand, 120 x 100 x 8,6 cm. © Bo Contrast. Foto: Julia Berghoff.

Was inspiriert dich?

Die Inspiration entsteht aus den Gesprächen, die ich führe. Da mein Thema „Erkenne die Fülle, um die innere Leere zu überwinden“ ist, führe ich viele Gespräche mit Menschen, die sich entweder in dieser Situation befinden oder gerne dorthin möchten. So entstehen die ganzen Fragestellungen in meinem Kopf und die Themen, die ich in meinen Bildern verarbeite. Es geht letzten Endes darum, was uns dabei hilft, diese Fülle und innere Zufriedenheit zu empfinden.

Was macht dir an deiner künstlerischen Arbeit am meisten Spaß?

Spaß macht mir im Großen und Ganzen alles. Von der Vorbereitung bis zum Vollenden eines Kunstwerkes. Der Prozess selbst ist aber dennoch das besondere für mich. Es ist das Eintauchen und Verbinden der Gedanken mit dem Visuellen, was es für mich so besonders macht. Das Gefühl dabei, dass man etwas erschafft, was für jemand anderen eine so große Bedeutung hat und sein ganzes Leben langfristig verändern könnte. Der Gedanke, dass der Mensch, der dieses Kunstwerk tagtäglich um sich hat und sich dadurch ermutigt fühlt z. B. diesen Weg zu gehen.
In Situationen wo man an sich selbst zweifelt durch das Visuelle daran erinnert wird, dass es völlig okay ist auch diese negativen Gefühle zu empfinden und durch das Kunstwerk dazu inspiriert wird weiterzumachen, das ist genau das, was mich so an der künstlerischen Arbeit fasziniert und was ich eben mit meiner Kunst an die Menschen weitergeben möchte.

links: Bo Contrast, Everything connect, 2022, aus der Serie Reallusion, Mixed Media auf Leinwand, 100 x 80 x 7 cm. 
rechts: Bo Contrast, Adventures, 2021
aus der Serie Reallusion, Mixed Media auf Leinwand. 100 x 140 x 9 cm. © Bo Contrast. Foto: Julia Berghoff.
links: Bo Contrast, Everything connect, 2022, aus der Serie Reallusion, Mixed Media auf Leinwand, 100 x 80 x 7 cm; rechts: Bo Contrast, Adventures, 2021 aus der Serie Reallusion, Mixed Media auf Leinwand. 100 x 140 x 9 cm. © Bo Contrast. Foto: Julia Berghoff.

Was fällt dir am schwersten?

Das schwerste für mich ist, wenn ich im Prozess aufhören muss. Wenn es spät am Abend ist und es Zeit ist ins Bett zu gehen. Es fühlt sich an wie eine Trennung in diesem Moment. Ein Liebeskummer der besonderen Art, denn man möchte gar nicht aufhören und den Lauf unterbrechen.

Welche Assoziationen wecken die Werke von Heidi in dir?

Mit Heidis Werken verbinde ich Wasser und die Tiefe. Sie erinnern mich optisch an ein Korallenriff. Jedes einzelne Werk ist so einmalig und Zart und man fragt sich sofort, was es so einzigartig gemacht hat. Welche Hürden notwendig waren, um diese Form entstehen zu lassen.

Ausstellungsansicht [C]AR[T] – Wo Kunstwerke auf Oldtimer treffen, 2022. Foto: Julia Berghoff.
Ausstellungsansicht [C]AR[T] – Wo Kunstwerke auf Oldtimer treffen, 2022. Foto: Julia Berghoff.

Im Gespräch mit Heidi Degenhardt

Wie beginnst du ein neues Werk?

Heidi: Wenn ich ein neues Werk beginne, hole ich erst mal mein Skizzenbuch. Alle Ideen und Impulse, um etwas Neues anzugehen, halte ich da erst mal fest. Wenn ich mir dann sicher bin, geht es an den praktischen Teil. Alles was ich hierzu brauche, wird dann in meinem Atelier bereit gestellt.

Wie wählst du dein Material, deinen Ausgangspunkt?

Da habe ich es einfach, da mein Schwerpunkt in den letzten Jahren immer das Material Porzellan war. Bei manchen Porzellanskulpturen muss ich jedoch erst dementsprechende Gipsformen anfertigen. Diese werden zerhauen, geraspelt, geschmirgelt und wieder zusammengebaut. Außen kommt ein Klebeband ran, damit das Porzellan nicht durch die Ritzen dringen kann.

Dann kommt in die Gipsform flüssiges Porzellan – Gießporzellan genannt! Nach einigen Stunden werden die Gipsteile vorsichtig entfernt. Die Trockenzeit kann beginnen, danach wird das Objekt bei hoher Temperatur – bis zu 1300 Grad Celsius gebrannt.

  • Heidi Degenhardt, Flaschen-Post 1 und 2, 2020, Porzellan Mixed Media. © Heidi Degenhardt, Foto: Julia Berghoff.
  • Heidi Degenhardt, Porifera 1 und 2, 2019, Porzellan Mixed Media. © Heidi Degenhardt, Foto: Julia Berghoff.
  • Heidi Degenhardt, Kapselfrucht 1 und 2, 2019, Porzellan Mixed Media. Foto und © Heidi Degenhardt.

Was inspiriert dich?

Sämtliche Arten von skurrilen, bizarren Formen. Besonders jedoch sind einige Arbeiten von mir aus der Natur inspiriert. Kapselfrüchte, Rhizome, Ingwerknollen finde ich sehr faszinierend.

Was macht dir am meisten Spaß?

Das Abtauchen in die Arbeit mit einer Tasse Cappuccino bei schöner Musik. Experimentelle Dinge auszuprobieren und auf das Ergebnis gespannt sein, wenn dann der Brennofen aufgeht.

Heidi Degenhardt, Porzellanschälchen, 2021. Foto: Julia Berghoff.
Heidi Degenhardt, Porzellanschälchen, 2021. Foto: Julia Berghoff.

Was fällt dir am schwersten?

Ehrlich gesagt, den Transport von sperrigen schweren Podesten mag ich nicht so sehr.

Welche Assoziationen wecken die Werke von Bojana in dir?

Ihre Oberfläche und Strukturen der Bilder sind eindrucksvoll. So stelle ich es mir auf einem anderen Planeten vor – oder sogar auf dem Mond.


Die Ausstellung [C]AR[T] – Wo Kunstwerke auf Oldtimer treffen läuft bis zum 12. Februar 2023, der Eintritt ist frei. Die Ausstellung ist noch an folgenden Tagen zu besichtigen:

15. Januar 2023, 14–17 Uhr

12. Februar 2023, 14–17 Uhr

und nach Vereinbarung

KultTourGut 
Olgastr. 49
72770 Reutlingen

Exklusive Events:

14. Januar 2023, 14–16 Uhr: Porzellan-Workshop mit Heidi Degenhardt „Ein kleines Porzellanschälchen entsteht“ / 35 EUR p. P. inkl. Glas Sekt, max. 7 Teilnehmende

3. Februar 2023, 18 Uhr: Weinprobe und Künstlergespräch mit Heidi Degenhardt und Bo Contrast / 35 EUR p. P. inkl. Snacks

—> Anmeldung unter: hello@kunearts.com