Stuttgart sichten – Florian Slotawa stellt Skulpturen der Staatsgalerie Stuttgart in neue Zusammenhänge im Stuttgarter Kunstgebäude

Künstler Florian Slotawa präsentiert in der Ausstellung "Stuttgart sichten" moderne Plastiken der Stuttgarter Staatsgalerie in überraschenden Konstellationen. Die Skulpturen treten untereinander und mit Slotawas eigenen Werken, sowie Stuttgarter Alltagsgegenständen in einen vielschichtigen Dialog im neu renovierten Kunstgebäude Stuttgart am Schlossplatz.

Werke sichten: Künstlerische Interventionen im Ausstellungsbetrieb

Künstler Florian Slotatwa bricht das etablierte Konzept der modernen Skulptur in seiner Ausstellung Stuttgart sichten im Stuttgarter Kunstgebäude am Schlossplatz auf. Anstatt vor weißen Wänden, chronologisch geordnet, auf unscheinbaren weißen Sockeln und in durchsichtigen Vitrinen werden die vom ihm aus der Sammlung der Stuttgarter Staatsgalerie ausgewählten Skulpturen und Plastiken auf alltäglichen Gegenstände platziert, wie etwa auf Waschmaschinen und Türme aus Stühlen und vergilbten Bürocontainern. Oder sie werden sogar in einen Sportwagen gesetzt.

Ausstellungsansicht mit Porsche Sportwagen. Florian Slotawa. Stuttgart sichten. Skulpturen der Staatsgalerie Stuttgart, Kunstgebäude Stuttgart, 2024. © VG Bild-Kunst, Bonn 2024.
Ausstellungsansicht. Florian Slotawa. Stuttgart sichten. Skulpturen der Staatsgalerie Stuttgart, Kunstgebäude Stuttgart, 2024. © VG Bild-Kunst, Bonn 2024.

Neue Ansichten und Bezüge schafft der 1972 in Rosenheim geborene Slotawa zwischen den Skulpturen und Plastiken der Staatsgalerie indem er sie in ungewöhnlichen Kombinationen aneinander reiht. So stellt seine Stuttgarter Reihe (2024) aus unterschiedlichsten Materialen von Norbert Kricke, Anthony Caro, Hans Arp, Otto Freundlich und Mark Di Suvero mit Hilfe eigens angefertigter und in blau gehaltener Sockel auf eine Höhenlinie. Ein Konzept das spannend für die Besucher:innen ist, aber die Ausstellungsmacher:innen im Vorfeld vor logistische Probleme stellte.

Ganz anders greift der Professor für Skulptur an der Kunsthochschule Kassel die Stuttgarter Sammlung mit seinem Werk OBI Picasso (2018) auf, indem er die Arbeit des Spaniers Die Badenden (1956) mit Gegenständen aus dem Baumarkt neu erschafft.

Florian Slotawa. OBI-Picasso. 2018, Courtesy von Bartha, Basel/Copenhagen, Galerie Nordenhake, Berlin/Stockholm/Mexico City, Sies + Höke, Düsseldorf. © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Henning Rogge.
Florian Slotawa. OBI-Picasso. 2018, Courtesy von Bartha, Basel/Copenhagen, Galerie Nordenhake, Berlin/Stockholm/Mexico City, Sies + Höke, Düsseldorf. © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Henning Rogge.

Regionale Bezüge bringt der in Italien lebende Künstler in den Ausstellungsraum – nicht nur mit Sportwagen und Waschmaschinen von Stuttgarter Herstellern, welche die Skulpturen tragen. Mit seinen Stuttgarter Sockeln (2024) aus Alltagsgegenständen, auf denen er unter anderem Werke von Rudolf Belling und Auguste Rodin zeigt, bringt er das Gewöhnliche in den Ausstellungsraum. Die Gegenstände entdeckte der Künstler bei einem Streifzug durch die Büros der Mitarbeiter:innen der Staatsgalerie. Die neu konstruierten Sockel dienen als Präsentationsort und Brücke zum Alltag der Mitarbeiter:innen der Sammlung aus der die Plastiken stammen. Es lassen sich aber auch ästhetische Parallelen, wie zum Beispiel Materialalterungen und Farbakzente entdecken, die Florian Slotawa gezielt sucht.

Florian Slotawa. Stuttgarter Sockel. Ausstellungsansicht. Florian Slotawa. Stuttgart sichten. Skulpturen der Staatsgalerie Stuttgart. Kunstgebäude Stuttgart, 2024. © VG Bild-Kunst, Bonn 2024.
Florian Slotawa. Stuttgarter Sockel. Ausstellungsansicht. Florian Slotawa. Stuttgart sichten. Skulpturen der Staatsgalerie Stuttgart. Kunstgebäude Stuttgart, 2024. © VG Bild-Kunst, Bonn 2024.

Florian Slotawas Werke und die Stuttgarter Sammlung im Dialog

Ästhetischen Korrespondenzen und Kontraste sind auch das Ordnungsprinzip, wenn der Künstler die Werke der Sammlung untereinander und mit seinen eigenen Werken kombiniert. So ist ein ganzer Raum dem Dialog zwischen Slotawas Skulpturen und dem hölzernen Kleinen Adam (1911), sowie einigen Zeichnungen des Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner gewidmet. Slotawas kubisches, abstraktes Werk greift die Form der Vitrine des Adams auf, während andere die grünlichen Farbakzente des Kirchnerwerkes aufnehmen.

Ausstellungsansicht mit Werken von Florian Slotawa und Ernst Ludwig Kirchners Kleiner Adam (1911). Florian Slotawa. Stuttgart sichten. Skulpturen der Staatsgalerie Stuttgart. Kunstgebäude Stuttgart, 2024. © VG Bild-Kunst, Bonn 2024.
Ausstellungsansicht mit Werken von Florian Slotawa und Ernst Ludwig Kirchners Kleiner Adam (1911). Florian Slotawa. Stuttgart sichten. Skulpturen der Staatsgalerie Stuttgart. Kunstgebäude Stuttgart, 2024. © VG Bild-Kunst, Bonn 2024.

In einem anderen Räumen stellt Soltawa die fotografischen Bestandsaufnahmen seines Berliner Atelierraumes in Atelierfotos (2009–2012), inklusiver der herausgerissenen Zwischenwände, dem ebenfalls aus Gips und Sperrholz gefertigten Entwurfsmodell für das Werk Square Depression (1977) von Bruce Nauman gegenüber.

Auf ungewöhnliche Weise wird Walter de Marias raumfüllendes Werk Anfang und Ende der Unendlichkeit – Der 25-Meter-Stab (1987) präsentiert. Das Werk 2018 wurde in der gleichnamigen Ausstellung Stuttgart sichten 2018 in Hamburg gezeigt; die Räume des Stuttgarter Kunstgebäudes waren jedoch zu klein. Daher wird das Werk hier verpackt in seinen Transportkisten gezeigt – inklusive der Transportaufkleber von der Hamburger Ausstellung. An den Wänden befindtet sich eine Auswahl aus Slotawas fotografischer Reihe Mannheimer Bestandsaufnahme (2002–2004), in der der Künstler in schwarz-weiß seinen gesamten Besitz in Gruppen dokumentierte.

Ausstellungsansicht. Walter De Maria. Anfang und Ende der Unendlichkeit - Der 25-Meter-Stab. 1987, verpackt. mit Florian Soltawa. Mannheimer Bestandsaufnahme. 2002-2004. in: Florian Slotawa. Stuttgart sichten. Skulpturen der Staatsgalerie Stuttgart. Kunstgebäude Stuttgart, 2024. © VG Bild-Kunst, Bonn 2024.
Ausstellungsansicht. Walter De Maria. Anfang und Ende der Unendlichkeit – Der 25-Meter-Stab. 1987, verpackt. mit Florian Soltawa. Mannheimer Bestandsaufnahme. 2002-2004. in: Florian Slotawa. Stuttgart sichten. Skulpturen der Staatsgalerie Stuttgart. Kunstgebäude Stuttgart, 2024. © VG Bild-Kunst, Bonn 2024.

Ordnen und Sichten von Kunst und Alltag

Die Bestandsaufnahme sowie das Sichten und Ordnen des Alltags zieht sich somit durch das Werk von Florian Slotawa. Damit ist eine Kooperation mit einer musealen Sammlung, wie derjenigen der Staatsgalerie, nicht abwegig. Auch in ihr werden Objekte gesammelt, in Bestandkataloge aufgenommen, ge-und zugeordnet, sowie in Ausstellungen zu neuen Kontexten organisiert. Ähnliche Projekte mit Werken einer Sammlung auf Sockeln aus Alltagsgegenständen verwirklichte Soltawa bereits mit der Kunsthalle zu Kiel (2004), der Berliner Akademie der Künste (2005) und dem Kunstmuseum Bern (2010). Die Anordnung von Werken anderer Bildhauer:innen in besonderen Reihen realisierte Slotawa bereits in Ausstellungen in Köln (2011) und Hamburg (2018). Dieses Aufgreifen vertrauter Konzepte machte die Stuttgarter Ausstellung aber erst überhaupt möglich.

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Die Hamburger Reihe von Florian Slotawa wie sie in dem Hamburger Deichtorhallen 2018 zu sehen war. Die im Kunstgebäude gezeigte Stuttgarter Reihe beinhaltet die selben Werke von Mark Di Suvero, Hans Arp, Otto Freundlich und Anthony Caro aus der Staatsgalerie Stuttgart. © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf.
Die Hamburger Reihe von Florian Slotawa wie sie in dem Hamburger Deichtorhallen 2018 zu sehen war. Die im Kunstgebäude gezeigte Stuttgarter Reihe beinhaltet die selben Werke von Mark Di Suvero, Hans Arp, Otto Freundlich und Anthony Caro aus der Staatsgalerie Stuttgart. © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf.

Pop-up-Ausstellung oder Ausstellungsremake

Als eine „Pop-up-Ausstellung“ bezeichnete Staatsgalerie Direktorin Christiane Lange die Slotawa-Schau. Und tatsächlich war der Vorlauf für Stuttgart sichten im Kunstgebäude für Museumsverhältnisse unglaublich kurz. Im Herbst 2023 war abzusehen, dass die Ausstellungsräume des Kunstgebäudes bereits deutlich vor dem Aufbau der Archäologie Landesausstellung THE hidden LÄND – Wir im ersten Jahrtausend im September 2024 fertig renoviert sein würden. Daher griff Lange, nach eigener Aussage, zum Telefon und fragte den Künstler Florian Slotawa an, ob er nicht Lust hätte, die Räume zu bespielen. Heraus kam kein neues Konzept, sondern eine Wiederauflage der gleichnamigen Ausstellung von 2018 in den Hamburger Deichtorhallen.

Eingedampft von 3000 Quadratmetern in Hamburg auf ein Drittel der Fläche in Stuttgart, von weitläufen Hallen auf eine Folge von Raumkabinetten, versucht Slotowa zusammen mit Hendrik Bündge, Kurator für das 20. / 21. Jahrhundert an der Staatsgalerie, nun sein Konzept erstmals dem Stuttgarter Publikum näher zu bringen. Bei der sich etwas unglücklich über zwei Räume erstreckenden Stuttgarter Reihe und Walter Di Marias unaufgebauten Anfang und Ende der Unendlichkeit – Der 25-Meter-Stab (1987) stoßen die Ausstellungsmacher:innen buchstäblich an die Grenzen der Räume des Kunstgebäudes. Die Werkauswahl aus dem Bestand der Staatsgalerie orientiert sich an der Hamburger Ausstellung und auch einzelne Gestaltungselemente wie die blauen Sockel und die Waschmaschinen sowie eine Wand mit grünem Gitterraster wurden übernommen.

Ein entscheidender Faktor für Veränderungen bei dieser Auflage von Stuttgart sichten ist daher der Raum in der die Ausstellung gezeigt werden. So lässt der Kuppelsaal ein Mobile (1958) von Alexander Calder in luftige Höhen entschweben und die Glasfront zum Eckensee verbindet diesen mit den Badenden des Obi-Picassos (2018).

Alexander Calder. Mobile. 1958. Ausstellungsansicht. Florian Slotawa. Stuttgart sichten. Skulpturen der Staatsgalerie Stuttgart. Kunstgebäude Stuttgart, 2024. © VG Bild-Kunst, Bonn 2024.
Alexander Calder. Mobile. 1958. Ausstellungsansicht. Florian Slotawa. Stuttgart sichten. Skulpturen der Staatsgalerie Stuttgart. Kunstgebäude Stuttgart, 2024. © VG Bild-Kunst, Bonn 2024.

Die Zukunft des Stuttgarter Kunstgebäudes ist ungewiss

Der Ort der Schau, das Kunstgebäude am Stuttgarter Schlossplatz, bekannt durch seine Arkaden mit Cafébetrieb und seine Kuppel mit dem goldenen Württembergischen Hirsch, erwacht durch die Slotawa-Ausstellung aus einer fast dreijährigen Renovierungsphase. Der Besitzer, das Land Baden-Württemberg, hat im Zuge dieser „hochwertigen Sanierung“ laut Arne Braun, Staatssekretär für Kultur, allein in die Ausstattung der Räume 2,6 Millionen Euro investiert. Die ganze Bausanierung inklusive Büro- und Gastrobereich sind noch nicht abgeschlossen und könnten sich auf ungefähr 20 Millionen Euro belaufen.

Das Kunstgebäude Stuttgart von 1913 nach Plänen von Theodor Fischer. © Staatsgalerie Stuttgart 2024.
Das Kunstgebäude Stuttgart von 1913 nach Plänen von Theodor Fischer. © Staatsgalerie Stuttgart 2024.

Das Stuttgarter Kunstgebäude wurde von Theodor Fischer, Vordenker der Stuttgarter Schule, als Sonderausstellungshaus entworfen und 1913 eröffnet. Den Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg verantwortete sein Schüler Paul Bonatz, auch bekannt für den Stuttgarter Hauptbahnhof. Historisch wertvoll ist das Gebäude nicht nur durch seine wegweisende Architektur, sondern auch seine Geschichte. Nach dem Kapp-Putsch in Berlin tagte hier 1920 die Nationalversammlung. In jüngster Zeit dienten die Räume auch als Tagungsort für den Baden-Württembergischen Landtag während dessen Gebäude 2013 – 2016 saniert wurde. Lange Zeit war es das Zuhause der Städtischen Kunstsammlung, sowie des Württembergischen Kunstvereins und des Stuttgarter Künstlerbundes.

Die genaue Zukunft des Gebäudes entscheidet sich erst in den nächsten zwei Jahren, denn soweit reicht zunächst die aktuelle Finanzierung. Um das Gebäude als Ort für Kunst und Kultur möglichst vielen Akteuren zur Verfügung zu stellen, greift, laut Staatssekretär Braun, das Land Gespräche mit diversen Partner:innen wieder auf. Diese waren während der Sanierung zum Erliegen gekommen. Bleibt zu hoffen, dass hier bald Nägel mit Köpfen gemacht werden und auch Langzeitpartner wie der benachbarte Württembergische Kunstverein Stuttgart zum Zuge kommen.

Die betrieblichen Abläufe im Gebäude wie Haustechnik und Aufsichtspersonal leitet die benachbarte Staatsgalerie. Durch diese organisatorische und räumliche Nähe des Museums war auch die relativ spontane Slotawa-Ausstellung mit Plastiken aus der Staatsgalerie Stuttgart möglich, die noch bis zum 16. Juni 2024 im Kunstgebäude Stuttgart zu sehen ist.

Ausstellungsinformationen

Florian Slotawa. Stuttgart sichten. Skulpturen der Staatsgalerie Stuttgart
5. April bis 16. Juni 2024
im Kunstgebäude am Schlossplatz in Stuttgart

Öffnungszeiten:
Di, Mi, So 12:00 Uhr – 17:00 Uhr
Do-Sa, 12:00 Uhr – 20:00 Uhr

Eintritt 11,50 € / ermäßigt 9,50 €, für 0,50 € Aufpreis inkl. der ständigen Sammlung der Staatsgalerie