Wenn manche Politiker von der Verzichtbarkeit der Kulturszene sprechen, sträuben sich uns die Haare. Wie kann man Menschen einen kulturellen Anker absprechen?! Zufluchtsorte, die momentan vielleicht wichtiger sind als je zuvor. Wir möchten euch weiterhin Zugänge zeigen und Möglichkeiten bieten, wie ihr euch mit Kunst auseinandersetzen könnt. In diesem Quarantäne-Paket rein REGIONAL.
STUTTGART
Kunstmuseum Stuttgart
Wusstet ihr, dass bereits 2-mal Dreharbeiten zum Stuttgarter »Tatort« im Kunstmuseum Stuttgart stattfanden? Nein? Wir auch nicht, aber das und noch mehr kann man auf der eigens für die jetzige Zeit eingerichteten Seite des Kubus – Kunstmuseum Stuttgart – erfahren. Auf kunstmuseumdigital können die Besucher*innen – nicht nur reduziert auf eine rein digitale Sammlungspräsentation – Kunst in drei unterschiedlichen Formaten erfahren. Unter der Rubrik Museumstorys finden sich bisher nur zwei Videos, darunter die Kuratorin Anne Vieth, die wie sie sagt: „im Endspurt auf der Zielgeraden eine Vollbremsung“ erfahren musste. Die von ihr kuratierte Ausstellung WÄNDE|WALLS hätte am 15. Mai 2020 eröffnet werden sollen und ist nun für den Herbst 2020 geplant. Es werden bestimmt in naher Zukunft weitere Vorstellungen und Videos folgen. Ungewöhnlich und spielerisch kann man dazu unter Museumsquiz zwei Fragebögen (für Anfänger und Fortgeschritte) absolvieren, die es in sich haben (siehe oben). Probiert euch doch selbst mal aus! Viel Spaß!
Staatsgalerie Stuttgart
Auch die Stuttgarter Staatsgalerie zieht mit und bietet auf ihrer Homepage eine Fülle an digitalen Angeboten. Damit steht nicht mehr nur der sehr regelmäßig bespielte Instagram Account im Fokus. Die Website Staatsgalerie Zuhause führt uns neben der schon früher eingerichteten Sammlung Digital, in der fast 15.000 Kunstwerke aus allen Sammlungsbereichen digitalisiert zur Verfügung stehen, nun auch zu den aktuellen Ausstellungen Drucksache Bauhaus und Ida Kerkovius. Dazu führt die Kunstvermittlerin Sara Dahme in einer 16 teiligen Videoreihe Von Farbe bis Emotion durch die Sammlung. Neben Instagram kann man auf der Homepage unter #Staatsgallerists Beiträge von Mitarbeiter*innen, Guides, Partner*innen und Besucher*innen zum Museum und ihrer Arbeit aus dem #homeoffice anhören. Auf Instagram blickt die Stuttgarter Institution dazu unter #staatsgaleriehistory auf ihre eigene Geschichte und begleitet diese Erkundung der Vergangenheit mit historischen Fotografien.
Landesmuseum Württemberg
Habt ihr schon einmal an einer Ausstellung mitgewirkt, die erst in 15 Jahren realisiert werden könnte? Dieses Experiment wagt gerade das Landesmuseum Württemberg und lässt jede*n teilhaben, der*die gerne einen Beitrag liefert. Die Besonderheit neben der Planung einer sehr fernen Zukunft ist das Ausstellungsthema: Etwas, das uns in dieser von Corona bestiommten Zeit begleitet. Unser „Objekt für Übermorgen” sozusagen, ein Objekt aus dem Alltag, das die jetzige Situation besonders gut vermittelt. Wissenschaftler*innen wählen jeden Tag unter den Einsendungen das „Objekt des Tages” aus und stellen es in einen kulturgeschichtlichen Kontext.
Das Stadtpalais Stuttgart und deren Angebote zur derzeitigen Ausstellung findet ihr in unserem Kunst-Quarantäne Paket #3 hier.
TÜBINGEN
MUT – Museum der Universität Tübingen
Zu den großen Institutionen regional zählt ganz klar das Tübinger Universitätsmuseum MUT. Ganze 70 Sammlungen und etwa 135 Konvolute kann die Uni Tübingen ihr Eigen nennen und hat damit die größte Anzahl an wissenschaftlichen Unisammlungen in ganz Deutschland. Das MUT ist in den sozialen Medien (Facebook und Instagram) sehr gut aufgestellt und postet regelmäßig. Neben Kurzvorstellungen der Kunstwerke von Stefan Göler, die sich in der momentanen Ausstellung „Die unsichtbare Ausstellung“ in der Dauerschausammlung „verstecken” zum Beispiel, wird man auch stets über Neuigkeiten informiert und auf die digitalen Angebote aufmerksam gemacht. So hat das Museum nicht nur fast 1500 Objekte in das sogenannte emuseum geladen, sondern bietet auch ein beeindruckendes 3D-Museum, in welchem zahlreiche Artefakte durch photogrammatische Erfassungstechnik in 3D-Modellierungen zu finden sind. Dieser neuartige Zugang gewährt Betrachter*innen plötzlich den Vorteil, dass man nicht vor die Vitrine gebannt ist, sondern den Sammlungsgegenstand von allen Seiten betrachten kann. Die Modelle sind auch per VR-Brille einsehbar und lassen sich kostenfrei herunterladen und per 3D-Drucker reproduzieren. Wer also noch ein kleines Hobby braucht, der fühle sich nun angesprochen.
Einen weiteren digitalen Höhepunkt bekommt, wer die Ausstellung Ex Machina. Leonardo da Vincis Maschinen zwischen Wissenschaft und Kunst (Beitrag von uns gibt es hier) verpasst hat. Im 360 Grad Museum Leonardo kann man die Ausstellung virtuell durchlaufen und die knapp 50 Nachbauten der Maschinenentwürfe betrachten und erkunden.
Hölderlinturm
Über zwei Jahre wurde der Hölderlinturm für das große Hölderlinjahr 2020 restauriert und umgestaltet. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach feiert Tübingen mit 8 anderen Städten den 250. Geburtstag (20.03.2020) Friedrich Hölderlins unter der Veranstaltungsreihe Hölderlin 2020. Die lang ersehnte Wiedereröffnung sollte als Startschuss für dieses Programm gelten. Was im Moment auch hier nicht direkt erlebt und besichtigt werden kann, wurde auf hoelderlinturm.digital mit Fotografien von Barabara Klemm sichtbar gemacht. Die Homepage bietet einen digitalen Zugang zu den Themen der Ausstellungen und Veranstaltungen des Hölderlinturms anhand von Bildern, Karten, Texten, Interviews und Podcasts.
Vielleicht ist es immerhin (mit gelockerten Maßnahmen) in naher Zukunft möglich, im umgestalteten und eigentlich den Bürger*innen frei zugänglichen Garten, etwas über den in Tübingen verstorbenen Lyriker und Denker zu sinnieren (allein oder zu Zweit versteht sich).
Kunsthalle Tübingen
Die Kunsthalle gehört seit den 1970er Jahren zu den Kultureinrichtungen in Tübingen, die nicht mehr weg zu denken sind. Jedes Jahr bereitet die Tübinger Kunsthalle unter der Leitung von Nicole Fritz mehrere Ausstellungen vor. Die auf den 04.04.2020 geplante und fertig kuratierte Ausstellung Herzstücke. Sammlung Kunsthalle Emden wurde schon früh nach Bekanntgabe der Coronamaßnahmen abgesagt. So ist es umso erfreulicher zu lesen, dass die Ausstellung für das Publikum im Frühjahr 2022 realisiert werden soll. Das Team um Nicole Fritz hat auf den Ausfall flexibel reagiert und eine digitale Kurzführung durch einen kleinen Teil der Herzstücke in der Kunsthalle Tübingen online zur Verfügung gestellt. Ein besonderes Nebenprojekt zur Ausstellung war die neue Zusammenarbeit mit der noch jung gegründeten Tübinger Medienkünstlergruppe Lunar Ring von Colugo GmbH um Johannes Stelzer. Diese reagierte mittels neuester KI Methoden auf die auszustellenden Medien. Wer neugierig geworden ist, was es damit auf sich hat… die Kunsthalle Tübingen ließ verlauten, dass das Projekt in (vorher vereinbarten) Einzelbesichtigungen ab Ende April besucht werden kann.
Lunar Ring:
Digitale Kurzführung
Kunstprojekt von Hana Smitmans
Die Tübinger Künstlerin Hana Smitmans ruft dazu auf gemeinsam Kunst zu machen. Alle Kinder (und Eltern), die Lust auf Kunst haben, können einen Fisch, ein Blatt oder eine Blume malen und an folgende Adresse schicken:
WennfeldHaus, Eisenhutstraße 50, 72072 Tübingen.
Aus allen Fischen, Blumen und Blättern, die sie im Briefkasten findet, gestaltet sie ein Kunstwerk, eine ganze Hauswand voller Bilder. Eine Videoanleitung gibt es hier und auf Instagram könnt Ihr verfolgen wie das Projekt voranschreitet.
SINDELFINGEN
Galerie Stadt Sindelfingen
Neben dem Schauwerk Sindelfingen (in Quarantäne-Text #3 hier), hat die Stadt auch die Galerie Stadt Sindelfingen zu bieten, die – als ein Ort für zeitgenössische Kunst gegründet – aktuelle Positionen im Diskurs zeigt und regelmäßig zeitgenössischen jungen Künstler*innen die Möglichkeit bietet, sich zu präsentieren. Alle drei aktuell laufenden Ausstellungen sind auf der Homepage jeweils mit einer digitalen Ausstellungsansicht am Ende der einzelnen Vorstellungstexte verlinkt.
SWR2
Der SWR nimmt sich der Thematik des einsamen Betrachtens an. Manch eine*r streift dieser Tage virtuell durch leere Museums- oder Galerieräume und erlebt etwas Einzigartiges – alleine sein im Museum der Wahl. Dass man sich auch anderweitig mit Kunst beschäftigen kann, ohne Räumlichkeiten (ob virtuell oder real), zeigt der Rundfunksender in der Serie Museum im Kopf. In die Reihe, bei der Prominente (z.B. Anna Bergmann, Theaterdirektorin des Badischen Staatstheaters Karlsruhe oder Burkhard Kosminski, Intendant am Schauspiel Stuttgart u.a.) nach ihren Lieblingsbildern befragt werden, wurde auch der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer aufgenommen. Er spricht (nicht ganz überraschend) über die Plastik von Carol A. Feuerman – einen Beitrag zu dieser Diskussion gibt es hier – in seinem Museum im Kopf.
Institutionen auf Instagram & Co
Schloss und Kloster Bebenhausen
Die Schlösser und Gärten Baden-Württemberg haben momentan, wie alle öffentlichen Kulturdenkmäler und Museen, ihre Einrichtungen für den Publikumsverkehr geschlossen. Auf Instagram bietet der social media Kanal des Schloss- und Klosterkomplexes Bebenhausen immer wieder Einblicke in die momentan verschlossenen Mauern. Maik-Sören Hanicz führt Euch in kleinen Videosequenzen durch die ehemalige Zisterzienser Abtei und stellte das vormals königliche Jagdschloss der letzten württembergischen Könige anhand von Fotografien vor. Auch da lohnt es sich vorbei zu schauen.
Kunstverein Reutlingen
Nicht zu vergessen ist natürlich unser Kooperationspartner der Kunstverein Reutlingen, in dessen Räumen in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Reutlingen momentan die Ausstellung Kunst Reutlingen 2020 stillsteht. Auf der Homepage kann man kleine Einblicke in die Ausstellung erhaschen und wir stellen euch im Rahmen der entfallenden Veranstaltung #talkzumtee regelmäßig über unseren Instagram Kanal einige der dort ausstellenden Künstler*innen und deren Werke vor.
DAI Tübingen
Auch das Deutsch-Amerikanische Institut Tübingen bietet Künstler*innen normalerweise regelmäßig eine Plattform für kleinere Ausstellungen. In Zeiten der Quarantäne haben sich zum Zeitvertreib Kulturreferent Daniel Seiler und andere Mitglieder des d.a.i. Teams etwas für Alle überlegt. Einen Podcast der genau eine Regel befolgen muss: Es geht nicht um Corona…
Wir hoffen, dass euch auch diese Zusammenstellung wieder einen kleinen kulturellen Lichtblick schenken konnte und ihr inspiriert werdet, den ein oder anderen Institutionen einen Besuch abzustatten. Digital versteht sich.