Jahresausstellung Künstlerbund- die Tübinger Kunstszene präsentiert sich zum Jahreswechsel 

Die Jahresausstellung des Tübinger Künstlerbundes zeigt eine vielfältige Sammlung regionaler Kunst. Über zwei Dutzend Künstler:innen präsentieren ihre Werke in verschiedenen Medien, die sowohl persönliche als auch gesellschaftliche Themen reflektieren.

Jedes Jahr kommen die kreativen Köpfe des Tübinger Künstlerbundes zusammen, um sich umzusehen. Sie blicken zurück auf ihre individuellen Werke und die Zu- und Abwanderung ihres Vereines. Gleichzeitig sind die Augen aufeinander gerichtet, Fragen wie „Was machen die Kollegen?” oder “ Wer entwickelt sich in welche Richtung?“ regen zur gegenseitigen Inspiration an, bei der die Bilder im Mittelpunkt stehen. Sie reflektieren ein Jahr des Erlebens und Wachsens. Jeder Kunstschaffende trägt seinen Teil mit in die Ausstellung, um im Gesamtbild ein großes Mosaik entstehen zu lassen. Der Eindruck, der dabei für die Zuschauer:innen entsteht, ist von Dagmar Waizenegger bei der feierlichen Vernissage am Nikolaustag vergangenen Jahres treffend als „sofort ästhetisch“ bezeichnet worden. 

Am 11. Januar um 13 Uhr wird zum Abschluss der Ausstellung eine Führung mit den Künstler:innen angeboten. Ein Rückblick auf die charmante und unterhaltsame Atmosphäre der Vernissage soll einen Eindruck davon vermitteln, was die Besucher:innen bei dieser besonderen Gelegenheit erwartet. 

Die Vernissage am 6. Dezember ermöglichte faszinierende Einblicke in den kreativen Dialog der Künstler:innen. ©Foto: Lisa Keppner

„Die Seismografen unserer Zeit“ 

Während draußen die Kälte gegen die Mauern der Kulturhalle schlägt, ist diese im Inneren reichlich gefüllt. Zahlreiche Kunstbegeisterte sind erschienen, um zu bestaunen, was der Künstlerbund aus dem vergangenen Jahr zusammengetragen hat. Die Worte der Bürgermeisterin für Soziales, Ordnung und Kultur Dr. Gundula Schäfer Vogel erreicht diese dabei sowohl mit einer mahnenden als auch hoffnungsvollen Note. In einer Zeit, in der sich die Sprachlosigkeit immer breiter durch die Massen drängt und die Diskussionsfähigkeit zunehmend rückläufig wird, dient die Kunst der Zuflucht. Sie ist eine universelle Sprache, die nicht nur an den Intellekt greift, sondern sich darin versteht, die ganze Persönlichkeit anzusprechen. Deshalb, durch ihre Fähigkeit, das Geschehen um sich herum einzugreifen und für die Menschen bildlich zu machen, seien die Künster: innen die Seismografen unserer Zeit.

Die Ausstellung präsentiert Kunst als universelle Sprache, die alle Besucher:innen berührt und verbindet. ©Foto: Lisa Keppner

„Sie repräsentieren eine Geschichte, die ich erlebt habe“ 

Wie man sich das nun konkret vorzustellen hat, dabei kann Susanne Höfler helfen. Sie präsentiert zum Jahresende ihrer Serie an Bildern, die allesamt Fische als Motiv in sich tragen. Das Thema des Fisches begleitet sie in ihrer Kunst schon seit mindestens 10 bis 15 Jahren, kann sie im Gespräch feststellen. Sie zeigen ihre Entwicklung aus dem Bereich der Figur und des Porträts heraus und kommen als Idee einfach auf sie zu. Wenn sie fischen geht, kommen ihr die neuen Motive für ihre Bilder einfach entgegengeflogen. Dabei steht die Verbundenheit zu der Natur für sie selbstverständlich auch in Verbindung sowohl mit ihrem Leben als auch mit dem Leben auf der Welt insgesamt. Sie selbst reflektiert gerne in der Natur. So zeichnen sich auf den Bildern auch immer Geschichten ab, die Ereignisse aus ihrem Leben im Hintergrund beherbergen, welche sich als Motiv erst gar nicht klar zeigen. Die Serie ist „nicht nur Freundlichkeit, sondern soll eine Geschichte repräsentieren, die darum erlebt wurde“. Die Tatsache, dass hierfür nicht nur ein Bild ausreicht, sondern direkt mehrere angefertigt wurden, erklärt sie durch den von ihr gewünschten Perspektivwechsel. Sie berichtet: „Wenn ich mehr Bilder mache von einem Motiv, eröffnen sich mir verschiedene Aspekte.” So kann auf einer weiteren Ebene dann auch noch das fertige Werk den erneuten Reflextionsgedanken anregen. 

Susanne Höflers Fischmotive – eine Reise durch 10 Jahre Kunst und Naturverbundenheit, die Geschichten aus ihrem Leben und der Welt erzählen. ©Foto: Lisa Keppner

Kunst als „tolle Schlacht“ 

Sebastian Rogler regt das vergangene Jahr zum Verlernen an. In seiner Serie „Express“, die beinahe den Namen „Rotz“ erhielt, verarbeitet er verschiedenste Zeiten auf kleinem Format. Die Gedanken dahinter sind nicht nur interessant, sondern schaffen es im Dezember ebenfalls, den Raum der Kulturhalle mit Gelächter zu füllen. „Die ganze Welt rotzt dahin, also habe ich das Gleiche gemacht.” Den Prozess, den er dabei erlebt, beschreibt er als „äußert befreiend“. Mit alten Kartons und schwarzer Ölfarbe hat er sich auf den Boden seines Ateliers gesetzt und begonnen, wilde Kreise zu malen. „Manchmal“ muss er zugeben, „fließen persönliche oder politische Themen mit in die Arbeit. Ich leide allerdings nicht an der Kunst, wenn dann leide ich zuerst und widme mich dann der Verarbeitung“. Die Ergebnisse dieser Gedanken sind nicht mehr auf Karton zu sehen. Im Gegenteil schmückt Sebastian Rogler die Kulturhalle mit kleinen Werken die, so der Eindruck der Betrachter:innen verschiedene Erzählebenen eröffnen. Und tatsächlich erkennt auch er an, „je kleiner die Dinge werden, desto größer werden sie für mich“.  Auf diesem Weg hat er „Sachverhalte“ erschaffen, die das „Malerische und Begriffliche verbinden“. Dabei stammen die Buchstaben, die auf den Werken zu finden sind aus alten Zeitschriften, die er im Sperrmüll gefunden hat und welche aus so unterschiedlichen Zeiten kommen, dass sie als Objekt an sich schon eine Geschichte erzählen können. Was so als „tolle Schlacht“ als ein Befreiungsakt aus dem Gelernten entstanden ist, mit dem sich der Künstler selbst austricksen wollte, sind Werke, vor denen die Besucher:innen lange stehen blieben, um ihre verschiedenen Bedeutungen erfassen zu können. 

Sebastian Roglers ‚Express‘: Ein befreiender Dialog aus unterschiedlichsten Materialien und alten Zeitschriften – Geschichten, die das Kleine groß machen. ©Foto: Lisa Keppner

„Ein Ensemble im Raum“ 

Doch nicht nur die drei Künstler:innen, die bei der Vernissage von Frau Waizenegger auf die provisorische Bühne gebeten wurden, füllen den Raum der Kulturhalle. Über zwei Dutzend Kunstschaffende geben eine Vielfalt an Malereien, Zeichnungen, Fotografien und Skulpturen zum Besten, die alles in einem „ein Ensemble im Raum“ stellen, bei welchem man merkt, das wurde „von jedem Künstler sehr gut durchdacht“. Jürgen Klugmann schwärmt dabei von der gemeinsamen Hängekommissionen, bei der es sich um eine Handvoll Freiwilliger handelt, die für die Anordnung der Werke im Raum verantwortlich war. Nicht einmal eine Stunde habe es gedauert, da war man sich über den Platz jedes einzelnen Werkes einig. Sebastian Rogler kann darüber im Interview ebenfalls nur lachen: „Ich habe Horrorgeschichte gehört, in denen man sich nach drei Stunden noch nicht einig war. Bei uns hatten sich die Künstler selbst schon richtig platziert“. Die Harmonie, die in diesen Erzählungen mitschwingt, ist in der Kulturhalle für die Besucher:innen greifbar gemacht worden. Neben der eindringlichen Aktualität, die nicht nur politische Momente, sondern auch ganz persönliche Augenblicke erzählt, kann noch bis Samstag, den 11. Januar und vor allem bei der letzten Führung durch die Ausstellung bewundert werden, was regional in Tübingen die Kunstszene bewegt.

Bis 11. Januar lädt die Schau ein, politische und persönliche Kunstmomente zu entdecken. ©Foto: Lisa Keppner
Die Ausstellung verbindet regionale Vielfalt mit harmonischer Präsentation und spürbarer Aktualität. ©Foto: Lisa Keppner