Begeisterung für’s Licht
Seitdem finden einmal monatlich regelmäßige Zusammenkünfte statt. Im Sommer im Freien und in der Wintersaison im Jugendraum des Forums Bodelshausen. Kaum zu glauben, zu welchen Inspirationen dieser Treffpunkt dienen kann. Kuratiert wurde die Ausstellung von Sabine Engeser, der Leiterin der Bodelshausener Bücherei und Karin de Bell, der Organisatorin für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Kultur der Gemeinde Bodelshausen. Das musikalische Rahmenprogramm lieferten zwei engagierte Musiker (Saxophon und Klavier) der erfolgreichen Band „Walkers in Palace“ von der Jugendmusikschule Steinlach e.V. aus Mössingen. Zwischen den sehnsuchtsvollen und langgezogenen, teilweise fetzigen Klängen stellten die anwesenden Künstler das Konzept ihrer Zusammenarbeit vor. Angelika Reich von den Fotofreunden Hechingen und Bettina Nädele, von den Fotofreunden Balingen erörterten, wie alles dazu kam und mit welchem Equipment sie arbeiten. So erzählte Bettina Nädele wie sie auf die Aufnahmen des australischen Fotokünstlers Denis Smith gestoßen war und beschlossen hatte: „das will ich auch machen“. Seither ist Sie vom Lightpainting-Fieber gepackt. Nach einer Zusammenkunft von interessierten Fotografiekolleg:innen am Rangendinger Stausee kristallisierte sich eine Gruppe heraus, die das Lightpainting dauerhaft in ihr fotografisches Repertoire aufnehmen wollte. Dank Angelika Reich kann in den Wintermonaten im Jugendraum des Forums in Bodelshausen geübt werden – die Lichtjunkies waren geboren.
Großer Effekt mit kleinen Mitteln
Es braucht neben der Kamera im Prinzip nicht viel Ausstattung für die Aufnahme von Lichtmalereien: Diverse Lichter, die es im 1 Euro-Shop oder bei Amazon gibt, dunkle Kleidung, damit man als Performer versteckt bleibt und Übung, Übung, Übung. Die Übung ist anscheinend das Essenzielle. Als Leuchte kann jede LED-Lampe dienen. Ein Leuchtband auf einen Fahrradfelgen geklebt verwandelt sich gedreht zur Lichtkuppel und eine Lichtstab, der an das Lichtschwert von Star Wars erinnert, findet auch seine Effizienz. Die vielen Gäste der Vernissage, insbesondere ich selbst waren von den fotografischen Resultaten aus einem Jahr „Lichtjunkietreffs“ stark beeindruckt. Die Fotografien sind Kunstwerke von wirklich gekürten Kunststücken!
Das Auge staunt und ist fasziniert, von diesen bunt-schillernden fantasievoll leuchtenden Bildern, die beinahe unwirklich erscheinen. Im Folgenden versuche ich das Lightpainting kunsthistorisch zu verorten und habe die Lichtjunkies dazu befragt. Bettina Nädele antwortete stellvertretend für alle, aus fotografisch ambitionierten Sicht.
Lichtkreationen und Moderne
Das kreative künstlerische Arbeiten mit Licht ist längst kein reiner Trend mehr. Die erste Leuchtreklame, die sogenannten Geisßler‘sche Röhre wurde 1857, vor 167 Jahren von einem Bonner Glasbläser entwickelt. Allerdings kam die Hochkonjunktur der Leuchtreklame erst im ersten Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts auf. Nach einer kurzen Stagnation wegen dem hohen finanziellen Aufwand in den 1920er Jahren wurde es dann Ende der 1920er Jahre rasant weiter betrieben und ausgebildet. Parallel zur Erfindung und Verbreitung der elektrischen Glühlampe entstanden auch schon die ersten fotografischen Experimente im Lightpainting, bzw. ‚Light Drawing‘, wie es die amerikanische Künstlerin und Fotografin Barbara Morgan bezeichnete.
Während der 1960er Jahre widmete sich die Wissenschaft der Erfindung der Lasertechnik, wobei die Konkurrenz, ähnlich wie bei der Entwicklung der bemannten Raumfahrt, zu dem Fortschritt in der Lasertechnik führte, dessen Ergebnis wir heute nutzen.
Schließlich ist die Fotografie per se eine künstlerische Disziplin, die mit dem Licht arbeitet. Das Charakteristische am Lightpainting hingegen ist die Kombination von Lichtformationen, als dekorativ-gestalterisches Element, mit herkömmlichen Landschafts-, Porträt-, bzw. Architekturaufnahmen.
Frage an die Lichtfotografen: Wo würden Sie sich und ihre Arbeit neben gängigen Methoden und Anwendungen der Lichtwerbung Lichtinstallation und Lasershowtechnik einreihen?
Bettina Nädele: „Wir sind und bleiben Fotografen, die jedoch ihre kreative Energie auch vor die Kamera verlagern. Vielleicht eine Mischung aus Fotografie und Malerei“
Lichtkultur
Die Menschheitsgeschichte hat sich mit der Erfindung des elektrischen Lichtes im 19. Jahrhundert durch Thomas Alva Edison in gewisser Weise von den natürlich vorgegebenen Tag- und Nachtrhythmen emanzipieren können. Das eigentliche Interesse für den Fortschritt der elektrischen Lichtindustrie war und ist die wirtschaftliche Effizienz.
In seinen Erörterungen zur Kunst der Moderne erklärte der Kunsthistoriker Hans Sedlmayr in den 1960er Jahren den „Tod des Lichtes“ mit seinem gleich betitelten Buch: Der profane Lichthunger des modernen Menschen, der sich mit der „Fülle des natürlichen und materiellen Lichtes, [umgibt] durch das er jeden Mangel surrogiert“ erscheint für Sedlmayr eine Abkehr von der Religiosität gegenüber dem Licht. 1958 gründete sich in Düsseldorf die Gruppe ZERO, zunächst bestehend aus den Künstlern Hans Mack und Otto Piene, später noch Günther Uecker. Das Bestreben war ein Neuanfang nach den Belastungen der vorangehenden Kriege und der Diktatur. Mit „Zero“ als „Stunde null in der Kunst“, als Unschuld, Reinheit und Unbefangenheit wollten die Künstler mittels lichtkinetischer Objekte, der Kunst und dem Licht eine neue puristische Ästhetik erzeugen, die in der Erscheinung zwischen Bild und Skulptur anzusiedeln ist. ZERO wurde zu einer Strömung innerhalb der Moderne, welche die künstlerisch reine Idee, als Ideal anstrebte.
Wo stehen wie heute mit unserer Lichtkultur? Mittlerweile werden wir von Lichtquellen und Reizen überflutet und denken manchmal, dass etwas weniger eigentlich mehr wäre.
Frage an die Lichtfotografen: Wie erleben Sie mit ihrer Arbeit des Lightpaintings unsere dekorative „Beleuchtungskultur“, besonders jetzt gerade in der Advents- und Weihnachtszeit? Bzw. wo würden Sie diese fotographische Disziplin hier ansiedeln?
Bettina Nädele: „Für Lightpainter gibt es kein Zuviel an Licht oder Farbe, höchstens an Tageslicht. Das Licht in der dunklen Nacht und die Möglichkeit dieses zu formen weckt die Kreativität. Gerade in der Weihnachtszeit fühlen sich die Lichtjunkies wie im Schlaraffenland. Unterschiedlichste Lichtobjekte sind überall zu haben, die Möglichkeiten schier unendlich. So lassen sich beispielsweise mit einfachen Lichterketten – egal ob bunt oder einfarbig – wunderbare Lichtmalereien erzeugen. Ob und wie die Menschen ihre Umgebung mit Lichtobjekten dekorieren ist für uns als Fotografen nicht von Bedeutung. Unsere Werke entstehen und verschwinden – zurück bleibt ein Bild. Und diese spezielle Art der Fotografie ist nicht an eine bestimmte Jahreszeit gebunden – die Weihnachtsbaumbeleuchtung darf gerne auch im Sommer herhalten“.
Licht als Materie
Monika Wagner schreibt in ihrem Buch „Das Material der Kunst. Eine andere Geschichte der Moderne“: „Die Verwendung von Licht als Material der Künste darzustellen ist schwieriger als die Erörterung aller übrigen Materialien, nicht nur, weil es eine unüberschaubare Zahl künstlerischer Lichtarbeiten gibt, sondern auch, weil beim Umgang mit diesem Material Erhabenheit und Trivialität (…) besonders nahe beieinanderliegen. In den 1960er Jahren wies die Gruppe ZERO dem Licht, eine gewisse Rolle der Immaterialität im Sinne von Reinheit und Spiritualität zu, stets in Kombination und im Kontrast mit materiellen Installationen. Beispielhaft der „Jardin Artificiel“ von Heinz Mack.
Zu erwähnen ist hier auch unbedingt James Turrel, der mit Landart-Installationen insbesondere mit seinen Skyspaces berühmt geworden ist und in seinen durchaus materiellen Licht-Raum-Kunstinstallationen den Fokus auf das Elementare und Reine des Lichts und der Farbe lenkt.
Der Begriff Lightpainting oder Lightdrawing hingegen beinhaltet ja schon die Annahme, dass Licht eine Materialität besitzt, denn mit etwas Immateriellem lässt sich nichts malen. Aber eigentlich sind es doch die Performances der Künstler selbst, die das Licht malen. Daher ist das Charakteristische am Lightpainting das momenthafte Festhalten eines performativen Bewegungsablaufes: Also die Verewigung des flüchtigen, Ephemeren. Das performativ, leuchtend ephemere Kunstwerk erfüllt hierbei keinen anderen Zweck, als entsprechend einer bestimmten ästhetischen Vorstellung, zum Bestandteil und zur erweiterten Dimension in der Fotografie verewigt zu werden.
Frage an die Lichtfotografen: Wie empfinden, bzw. denken Sie über die Materialität/ Immaterialität, bzw. Spiritualität von Licht bei ihrer Arbeit?
Bettina Nädele: „Ganz sicher ist auch Licht materiell – denn es ist definitiv etwas, das im dunklen Raum sichtbar wird, also kann es nicht Nichts sein. Und der zweite Aspekt des Lightpaintings ist die kreative Energie, die dabei zu tragen kommt, in der ja immer ein gewisser Grad der Spiritualität innewohnt. Es entsteht eine Art von Magie, wenn mit etwas materiellem, nämlich dem Licht, etwas passiert, was am Ende nicht mehr da ist: Das Licht bewegt sich, dahinter bleibt nichts (Dunkelheit). Wenn das Licht verschwindet, bleibt nichts, außer einem Bild in einer Kamera als Beweis, dass da doch etwas war“.
Die Ausstellung ist nur noch bis zum 11.01.2025 zu sehen.
FORUM Bodelshausen
Bachgasse 2
72411 Bodelshausen
Öffnungszeiten: Di 10:00-13:00 u. 15:00-18:00 Uhr, Mi 15:00-19:00 Uhr, Do/Fr 15:00-18:00 Uhr, Sa 9:00-13:00 Uhr
Am Samstag, den 11.01.2024 freuen sich die Aussteller von 10:00-13:00 mit besonders Interessierten und einem Glas Sekt die Finissage zu feiern.