Anne-Kathrin Klatt macht Theater und ist als Tanzpädagogin tätig. Ihre Leidenschaft liegt dabei beim Figurenspiel. Im Rahmen ihres künstlerischen und kulturellen Engagements hat sie große Teile der Welt bereist. Seit 2021 leitet sie das Theater am Torbogen in Rottenburg als Intendantin. Zusätzlich ist sie Mitglied von PACT – dem Performing Arts Collective Tübingen.
Anne-Kathrin, erstmal danke, dass du heute hier bist und danke für die Zeit. Ich würde jetzt mit der Bitte starten, ob du dich selbst vorstellen könntest? Was sollten die Lesenden über dich wissen? Du kannst gerne einfach mal von dir erzählen und darüber, was du so machst.
Ich bin Anne-Kathrin Klatt. Ich bin Figurenspielerin und Tanzpädagogin und leite seit dem 1. Januar 2021 das TaT – Theater am Torbogen in Rottenburg. Ich habe Figurentheater studiert, an der HMDK in Stuttgart und arbeite seitdem freiberuflich für Kinder und Erwachsene. Ich habe mit 40 Jahren noch eine tanzpädagogische Ausbildung berufsbegleitend an der Akademie in Remscheid gemacht, weil mir in der künstlerischen Arbeit mit dem Figurentheater die Beziehung zum Körper, zur Figur und zur Bewegung als extrem spannend erschien und ich mehr über Bewegungen, Körper und choreografische Prinzipien wissen wollte. Genau, das war fünf Jahre berufsbegleitend und diese Arbeit hat mich extrem geprägt und ist sehr stark in meine Figurentheaterarbeit eingeflossen, sodass für mich eine der wichtigen inhaltlichen Aufgaben oder künstlerischen Ideen für das Figurentheater geworden ist, an der Schnittstelle zwischen dem Körper und der Figur zu arbeiten. Zwischen der Bewegung, dem Objekt oder dem Material zu arbeiten. Es gibt ja diese drei großen Themen im Figurentheater: Figur, sprich Puppe, Objekt oder Material, mit denen wir animatorisch umgehen und was wir als Figurenspielende schlichtweg zum Leben erwecken wollen. Das ist die Aufgabe, die ich als Figurenspielerin habe, und das Animieren steht quasi über allem. Etwas Unlebendiges lebendig machen, es in Bewegung bringen, damit Dinge ihre eigenen Geschichten erzählen können. Parallel zu meinen Gastspieltouren in Deutschland bin ich sehr lange – elf Jahre lang von 2011 bis 2022 – mit dem Goethe-Institut eng in Kontakt gewesen und wurde vom Goethe-Institut in die sogenannten „schwierigen Länder geschickt“, um dort Gastspiele zu machen, aber auch Theaterprojekte mit jungen Künstlerinnen und Künstlern vor Ort. Das fand ich wunderbar. Ich habe in Sri Lanka gearbeitet, im Tamilengebiet in Jaffna. Sehr viel in Burma, Myanmar – Yangon und Mandalay. Ich habe in Pakistan mehrfach gearbeitet. Ein Land, in das wir immer wieder zurückkommen und ein Netzwerk aufgebaut haben. Aber auch im Nahen Osten, im Libanon, in Israel, Angola, Russland, Washington, Europa, Japan, Korea, Sibirien, Iran. Ich war über Jahre viel im Ausland und habe diese Arbeit als sehr sinnvoll und bereichernd erlebt. Und dann habe ich eine Intendanz angetreten mitten in Corona und habe das Haus in Rottenburg übernommen von einer privaten Person. Seitdem bauen wir das Theater in einem kleinen Team strukturell und künstlerisch auf, mit dem Schwerpunkt Figurentheater.
Um da beim Figurentheater gleich einzuhaken, wollte ich fragen, woher denn deine Begeisterung dafür kommt? Wie hat deine Reise im Figurentheater begonnen und was macht das Figurentheater aus? Was reizt dich da besonders?
Also das erste Mal in Kontakt gekommen – und das war so eine Art Initialzündung – bin ich, als ich auf einer Kirmes in Hamburg in einem Puppentheaterzelt war. Es spielte eine tschechische fahrende Bühne. Sie haben mit Stabmarionetten gearbeitet und haben das Stück Genovefa gespielt. Das ist eine alte Legende. Und ich saß da drin und habe das gesehen und dann hat mich das total begeistert, weil ich plötzlich dachte: „Wow, mit Puppen kann man ja eigentlich alles machen. Man kann ja jedes Stück mit Puppen spielen, das ist ja genial. Wie wäre das, wenn man Shakespeare mit Puppen macht oder andere große Stoffe?“ Die Kombination zwischen dem darstellenden Spiel und zwischen dem bildnerischen Gestaltungsprozess fand ich kongenial. Die Chance, dass aus einer bildnerischen Plastik ein Darstellungsmittel wird, es die Synergie von Gestaltung und Spiel gibt und somit einen künstlerischen Mehrwert – das hat mich über Nacht bewogen, Puppenspielerin werden zu wollen. Ich bin dann am nächsten Morgen da noch mal hingegangen und habe die Gruppe gefragt, wo man das lernen kann. Diese Frage war für eine traditionelle Puppenspielfamilie aus der damaligen Tschechoslowakei sehr merkwürdig. Ich habe dann angefangen, mich zu informieren und bin dann auf den Studiengang Figurentheater in Stuttgart gestoßen, der gerade gegründet worden ist. Dort bin ich dann im zweiten Jahr seit Gründung studieren gegangen.
Du hast ja eben schon davon erzählt, dass du gerne verschiedene Dinge und Themen kombinierst. Kannst du vielleicht da mal einen Einblick in deinen kreativen Prozess bei der Konzeption geben? Wie entsteht zum Beispiel eine Inszenierung oder ein Stück bei dir?
Ich funktioniere im kreativen Prozess ganz klar über den Körper und über das Auge. Das heißt, wenn ich eine Idee habe – damit fängt ja im Figurentheater alles an, weil es ja keine Autoren wie im Schauspiel gibt. Wir entwickeln quasi von der Idee bis zur Bühnenfassung komplett alles selbst im Team. Wenn ich eine Idee habe, dann gehe ich auf die Probenbühne und improvisiere über den Körper. Ich versuche mich erstmal über die Bewegung anzunähern und daraus entstehen Ideen für Figuren oder für etwas, dem ich mich dann gegenüberstelle – das ist eine Art Dialog. Aber es gibt auch ganz unterschiedliche Herangehensweisen. Zum Beispiel habe ich Orlando von Virginia Woolf gemacht, und da war ja die literarische Vorlage im Vordergrund. Anhand dessen haben wir das Buch inszenatorisch „aufgefaltet“ und die Ideen entwickelt – entwickelt durch die Improvisation. Oder ein ganz anderer Strang ist eine abstrakte Arbeit namens Solo mit Nase. Eine Evolutionsgeschichte für Kinder ab vier Jahren. Von der Keimzelle hin bis zum Menschen. Und da arbeite ich mit Kostümfiguren, die sich immer wieder verwandeln. Hier bin ich ganzkörperlich quasi die eigene Figur. Ein sehr, sehr bilderreiches, nonverbales Programm mit Musik. Die Ausrichtung ist immer unterschiedlich und hat viel damit zu tun, was für einen Inhalt ich transportieren möchte und welche Form ich dafür wähle. Ja, aber generell verbindet alle Herangehensweisen immer ein Ziel, nämlich dass du etwas ins Leben bringst, dass du einen schöpferischen Prozess auf der Bühne machst und dass Dinge kommen und gehen. Und dafür beziehe ich meinen Körper ein.
Und wie kriegst du das alles unter einen Hut, wenn du die Inszenierungen selbst kreierst, international arbeitest, viel unterwegs bist, allgemein viel zu tun hast und dann noch die Rolle als Intendantin beim TaT innehast? Wie wirken sich diese verschiedenen Faktoren auf dich und dein künstlerisches Wirken aus?
Ich habe nach einer langen Phase, wo ich sehr viel unterwegs war und sehr viel auch außerhalb von Deutschland gearbeitet habe, gemerkt, dass mich das in meinem Blick auf die Welt und in meinem Selbstverständnis als Künstlerin extrem verändert hat. Natürlich auch, weil ich sehr oft mit Menschen zusammengekommen bin, die aus sehr armen und politisch extrem schwierigen Ländern kommen. Zum Beispiel Iran – dort habe ich mit Frauen getanzt und die Widerstände erlebt, gegen die diese Künstlerinnen ihre Kunst durchsetzen. Das sind mutige, hoch engagierte Menschen, die am eigenen Leib erfahren, was Kunst bedeutet. Wie gefährlich Kunst für autokratische Systeme ist, sieht man erst, wenn sie verboten wird. Aber auch, was sie bewirken kann für eine Gesellschaft, die um Freiheit und demokratische Werte kämpft. Das heißt für mich, ich fühle mich innerlich mehr aufgerufen, nicht nur künstlerisch abgehoben in einer bestimmten künstlerischen Blase zu denken, in der ich mich früher befunden habe, sondern mich zu fragen: „Was brauchen Menschen wirklich? Wo können Kultur und Kunst tatsächlich stärker wirksam sein in gesellschaftspolitischen Prozessen? Welche Themen möchte ich aufgreifen, um Menschen für ihr eigenes Leben die Potenziale von Kunst und Kultur nahezubringen?“ Die Reisen haben mich in diesem Selbstverständnis von Kunst sehr stark verändert, und das ist eine ganz große Aufgabe. Die kann ich natürlich mit der Intendanz sehr gut verwirklichen, weil ich als Intendantin nochmal eine andere Aufgabe habe, als nur als rein spielende Künstlerin, indem ich mir überlegen muss: „Welches Theater mache ich für eine Stadtgesellschaft oder für die Raumschaft Rottenburg – auch in den ländlichen Raum hinein?“ Das heißt, ich kann ermöglichen, ich muss mir aber auch genau überlegen, welches Konzept so wirksam ist, damit ich Menschen erreiche. Es ist mir jetzt nicht mehr so egal wie vorher, wie voll der Theatersaal ist, da ich vorher dafür nicht verantwortlich war. Jetzt bin ich selber in der Verantwortung dafür und habe natürlich auch den Wunsch, dass wir ein Theater machen, was von möglichst vielen Menschen gewollt und besucht wird. Bei großer Qualität. Und das ist eine komplett andere Situation und hat mein Verständnis oder meinen Horizont von „Theater machen“ noch mal komplett erweitert. Ich habe extrem viel dazugelernt in den letzten vier Jahren. Der Vorteil, dass ich Intendantin und Spielerin bin, ist, dass ich die Bedingungen verstehe, die Kunst auch ganz praktisch braucht. Es ist ein großer Vorteil, sich nicht nur als Verwalterin zu verstehen oder aus dem Kulturmanagement zu kommen. Ich sage das deswegen, weil ich glaube, dass das auch die Zukunft sein wird. Hin zu Allroundern, weil wir dadurch viel flexibler sind und sehr, sehr viel effektiv schaffen können.
Die Notwendigkeit und die Möglichkeiten, die wir mit Theater und Kultur generell haben, um thematisch Stellung zu beziehen oder mit Menschen gemeinsam neue Perspektiven zu erschaffen, wird leider unterschätzt. Wir haben eine theaterpädagogische Sparte am Haus und ein Bürgerensemble, und ich merke durch diese Arbeit, wie viel das bewirken kann. Wie viele Menschen davon profitieren, dass sie Theater selbst spielen oder dass sie Theater rezipieren. Diese analoge, alte Kulturtechnik bietet einen Erlebnisraum, den es digital nicht gibt, und in dem Lebenskompetenzen ausgelebt werden, die Menschen entfalten und stärken und zu schöpferischen Wesen machen. Egal, wie alt sie sind. Theater hat eine unglaubliche, selbstwirksame Kraft. Theater ist ein tolles Mittel, um gesellschaftliche Prozesse zu begleiten und um den gemeinsamen Zusammenhalt zu stärken. Das ist meine absolute Erfahrung. Das ist doch genial. Ich würde mir sehr wünschen, dass diese Bedeutung noch stärker in der Öffentlichkeit ankommt und auch von der Kulturpolitik erkannt und genutzt wird. Ansätze dazu gibt es schon, aber es fehlt noch ein eindeutiges Bekenntnis dazu, dass Theater kein Luxus, sondern Notwendigkeit ist.
Das heißt, wenn du einen kulturpolitischen Wunsch frei hättest, dann wäre es genau das?
Ich wünsche mir mehrere Sachen. Ich wünsche mir was als Künstlerin, ich wünsche mir was als Intendantin und ich wünsche mir was als Tanzpädagogin oder Lehrerin. Ich unterrichte in der HMDK Tanz- und Figurentheater. Ich bin in unterschiedlichen Rollen und das ist auch nicht so leicht, diese zu trennen und allen gerecht zu werden. Als Intendantin wünsche ich mir, dass Menschen Theater wieder für sich entdecken. Gerade in schwierigen Zeiten. Als Künstlerin würde ich mir persönlich sehr viel mehr Zeit wünschen, für mich und meinen künstlerischen Prozess. Wenn ich Stücke mache oder ein neues Projekt – zum Beispiel eine Eigenproduktion im TaT – dann muss ich mir ganz diszipliniert die Zeit tatsächlich freihalten, um in einen künstlerischen Arbeitsprozess eintauchen zu können. Und das ist für mich eine der größten Herausforderungen. Natürlich kannst du nicht nine to five ein Projekt entwickeln, so wie wir es im Figurentheater entwickeln, weil das ja ein vielfältiger Prozess ist. Da werden in der Projektphase die Figuren gebaut oder das bildnerische Mittel, mit dem ich dann Theater mache. Das heißt, es sind viele verschiedene Bereiche, die parallel zu den Proben gestaltet werden, bis hin zur Musik des Stückes. Und das heißt eben, dass dieser Produktionsprozess ein komplexer ist und deswegen natürlich auch sehr zeitintensiv ist. Wenn ich als freie Theatermacherin ein Projekt gemacht habe, dann habe ich mindestens ein halbes Jahr dafür gehabt. Die reine Probezeit ist mindestens zehn Wochen und du stellst dann fest, dass zum Beispiel die Puppe nicht funktioniert und da etwas umgebaut werden muss und das dauert wieder. Oder du verwirfst die Puppe – dafür brauchst du wieder etwas Neues. Oder du hast plötzlich eine viel bessere Idee und sagst dann: „Ja, wir müssen das noch mal ganz anders denken.“ Und diese Flexibilität und dieser Zeitraum sind wichtig und auch die Voraussetzung dafür, dass du qualitativ auch etwas Gutes zustande bringst.
Welche Gedanken hast du denn zur regionalen Kunst- und Kulturszene? Was sind da besondere Herausforderungen, oder was läuft gut im Vergleich zu anderen Standorten?
Ich habe den Eindruck, es könnte mehr Kommunikation zwischen Kulturpolitik, festen Häusern und freien Bühnenschaffenden sein. Weil wir ja davon ausgehen, dass die Kulturpolitik uns eigentlich helfen möchte und selber unter dem Paradigma der finanziellen Kürzungen „leidet“. Ich denke, man weiß zu wenig voneinander – beidseitig. Zum Beispiel: Was sind die Spielräume der Kulturpolitik und wie kann man gemeinsam Strategien entwickeln, diese Chancen sinnvoll zu nutzen. Dazu braucht es ein viel größeres Verständnis voneinander. Ein „Chancengipfel“ statt „Krisengipfel“ für die Kulturlandschaft wäre eine Möglichkeit als Setting eines grundsätzlichen gemeinsamen Austausches. Wir wollen nicht überrascht werden, sondern die Zukunft vorbereiten. Es könnte da meines Erachtens noch sehr, sehr viel effektiver und verständnisvoller gearbeitet werden, wenn man mehr voneinander mitkriegt und die gegenseitigen Bedarfe versteht.
Also einfach mehr aufeinander zugehen?
Einfach kulturpolitisch darüber nachdenken: „Wie und mit was können wir euch denn am besten helfen? Und was ist unsere Vorstellung von Kultur, die wir fördern möchten, und was ist eure Vorstellung von Kultur?“ Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Kulturpolitik gar nicht dazu kommt, aufgrund von sehr vielen anderen Allday-Thematiken, dass sie sich auch konzeptionell überlegen, was sie für eine Kultur fördern wollen. Und sich da nicht alleine – sozusagen im Elfenbeinturm – was konzeptionell auszudenken nach dem Motto „Wir haben da eine innovative Idee – dazu gibt es jetzt eine Förderausschreibung“, sondern zu schauen: „Was haben wir denn überhaupt für Kunstschaffende vor Ort? Welches Potenzial gibt es hier schon, auf das wir aufbauen können, und was denken diese Kunstschaffenden selbst über ihre Perspektive?“ Es wird zu wenig voneinander gewusst. Wir haben alle unsere Netzwerke und wir machen uns ja auch einen Kopf, wie es weitergeht. Man könnte die Köpfe zusammenstecken. Wir Kunstschaffende haben eine Profession, nämlich Kunst für Menschen machen. Aus meiner Perspektive als Künstlerin sollte der Fokus eigentlich nicht darauf liegen, ob mein Antrag genehmigt worden ist, weil er irgendwelchen Förderkriterien entspricht, sondern was ich denn in eine Stadtgesellschaft künstlerisch einbringen will, was mich auch künstlerisch interessiert. Das wird immer schwieriger. Es wird zu lange schon die Kultur der gegenseitigen Ängste gepflegt, von Kunstschaffenden oder im Umkehrschluss von der Kulturpolitik dominiert zu werden. Die Wurst hat immer zwei Enden. Wir sollten nicht dran ziehen, sondern teilen.
Was mir stark auffällt ist, dass es neben der professionellen Theater- und Kulturschaffendenszene ganz, ganz viele künstlerische und kulturelle Initiativen aus der Bürgerschaft heraus selbst gibt. Das finde ich wirklich etwas ganz Besonderes hier in der Region. Und da sieht man ja auch, dass Menschen Kultur wollen. Dieser Raum hier – also das Hello Together – ist doch ein gutes Beispiel. Es gibt Interesse und es gibt vor allem auch viel Kreativität von Menschen aus der Bürgerschaft heraus. Das ist total super und ist schon mal eine tolle Voraussetzung. Wir werden nicht umhinkommen, uns als freie Kunstschaffende auch sehr, sehr viel mehr politisch zu engagieren. Ich bin als Künstlerin auch ein politischer Mensch – auch wenn ich mich zu Dingen nicht äußere, ist das eine politische Aussage. Und da braucht es zukünftig ein größeres Bewusstsein, damit wir gemeinsam weiter vorankommen.
Ein größeres Bewusstsein in der Szene allgemein meinst du?
Ja. Ich erlebe ganz oft, dass Kunstschaffende immer noch nach dem Motto arbeiten: „Ich mache meine Kunst und fertig. Solange es spieltechnisch läuft, ist ja alles gut.“ Aber das reicht nicht mehr. Es braucht ein viel größeres politisches Engagement und Bewusstsein – auch gerade in der Figurentheaterszene, aber generell bei den Freien. Das halte ich für immanent wichtig. Wir müssen einen Berufsalltag entwickeln, in dem dies ein selbstverständlicher Teil wird. Die Zukunft der Kunst stelle ich mir lieber aktiv als reaktiv vor. Förderkürzungen werden kommen, aber es liegt auch in unserer Hand, wie die aussehen.
Welches Potenzial siehst du in der Zusammenarbeit mit anderen Kunstschaffenden und zum Beispiel auch mit PACT?
Für mich habe ich immer so ein bisschen diesen Zwiespalt, dass ich PACT als ein ganz tolles Projekt wahrnehme und mich da sehr viel mehr engagieren möchte, aber das durch meine Tätigkeit als Intendantin gar nicht in dem Ausmaß, wie ich mir das wünschen würde, schaffe. Ich sehe da viel Potenzial und ich habe auch den Wunsch, dass sich das TaT mit PACT noch viel mehr verbandelt. Dass das bisher noch nicht passiert ist, hat einfach nur was mit Zeit und der Workload zu tun und mit anderen Themen, die im Moment prioritärer waren, weil wir auch sehr viele Personalwechsel hatten bei uns im Haus. Wichtig war, dass wir uns als TaT in Rottenburg selbst vernetzt haben. Dieser Prozess ist auch noch nicht zu Ende. Damit meine ich auch in die Raumschaft hinein, weil Rottenburg ja 17 Teilortschaften hat. PACT ist die wichtigste Stimme der freien Szene hier in Tübingen – und bekannt nicht nur hier in Tübingen, sondern generell im Land. Nur so können wir unsere Zukunft sichern, mit einer Stimme sprechen als freie Kultur-, Theater-, Bühnen- und Kunstschaffenden. Das geht total auf. Ich hoffe, dass die Kulturpolitik weiterhin offen bleibt, anzuerkennen, was für ein wichtiges Instrument PACT ist.
Zum Abschluss habe ich noch die Frage, ob bei dir neue Projekte in den Startlöchern stehen? Was steht bei dir an, auf das du dich freust und auf das sich die Lesenden vielleicht auch freuen können?
Also ich freue mich sehr, dass ich bei dem Monospektakel in der Tonne in Reutlingen nominiert bin. Da spiele ich Ende Januar mit Wild Beauties. Das ist ein Figurentheater-Format und eine TaT-Produktion – ein Abendstück. Dann freue ich mich auf ein Stück zum Thema politisch motivierter Extremismus, das Michael Miensopust zusammen mit Manfred Ertl entwickeln wird. Manfred Ertl ist ehemaliger investigativer Spiegelreporter. Er hat die Barschel-Affäre aufgedeckt, hat zu den NSU-Prozessen gearbeitet und zu den Stasi-Akten. Er ist jetzt im Ruhestand und schreibt Kriminalromane. Er ist mit im Team im Bereich Stückentwicklung, Textentwicklung und dramaturgische Begleitung für ein Stück für Jugendliche ab 13 Jahren, was wir dann in Schulen in der Peripherie Rottenburgs als mobiles Theaterstück und auch im TaT anbieten möchten, weil uns der Rechtsruck große Sorgen macht. Das soll ein Stück sein, das zu dem Thema sensibilisiert und aufklärt. Es wird ein Nachgespräch geben mit einem Experten oder einer Expertin der Szene. Darauf freue ich mich sehr und bin gespannt, wie nachhaltig das ist. Und sonst richtet das TaT im November 2025 das sogenannte Kofi Festival als Gastgeber aus, bei dem wir verschiedene Figurentheaterhäuser Baden-Württembergs eine Woche lang präsentieren. Und ich mache eine neue Produktion für Kinder ab vier Jahren – Swimmy von Leo Leonie. Darauf freue ich mich auch sehr, weil ich große Lust habe, selber kreativ und spielerisch zu sein, und Kindertheater liebe.