Als renommierter Bühnenbildner hat Carl Friedrich Oberle mit zahlreichen Theatern und Opernhäusern auf der ganzen Welt zusammengearbeitet. Nun gewährt er einen Blick hinter die Kulissen der großen Bühnen: Seit dem 17. Oktober 2024 ist seine Ausstellung Bühnen Figuren Szenen Bilder in der Kulturhalle in Tübingen zu sehen – einem Ort, der in der Regel für bildende Künstler:innen reserviert ist. Die Ausstellung beleuchtet die oftmals übersehene, doch unverzichtbare Kunst des Bühnenbilds.
Eine ereignisreiche Laufbahn über mehrere Jahrzehnte und Kontinente
C. F. Oberle, der ursprünglich aus Winnenden stammt, studierte an der Akademie der Künste in München und seit 1972 ist er als Bühnenbildner in den Bereichen Schauspiel und Oper tätig, seit 1978 freiberuflich. Seine Laufbahn liest sich wie ein Best-of der Theater- und Opernbühnen rund um den Globus – von der Welsh National Opera in Cardiff über die Königliche Oper in Stockholm bis zur Houston Grand Opera in den USA oder der Opera Australia in Sydney. Für Produktionen wie Le nozze di Figaro in Prag oder Billy Budd an der English National Opera sowie der Canadian National Opera gestaltete er die Ausstattung und bei La bohème an der Berliner Staatsoper Unter den Linden war er für die Kostüme verantwortlich. Beworben habe sich C. F. Oberle in seiner gesamten Laufbahn allerdings nur dreimal – erst in Ingolstadt und dann in Boston. Die dritte Bewerbung ging vor einigen Monaten in Tübingen ein, um diese Ausstellung in der Kulturhalle zu verwirklichen.
Doch wieso bewirbt sich ein so renommierter Künstler ausgerechnet in Tübingen? C. F. Oberle erzählt, wie er durch Klaus Pierwoß in die Stadt kam. Pierwoß, der in den 70er-Jahren Intendant in Tübingen wurde, habe ihn eingeladen, an einem Projekt mitzuwirken, das ein Theater aus einer alten Stuhlfabrik entstehen ließ. Hierbei handelt es sich um das heutige Landestheater Tübingen (LTT). C. F. Oberle beschreibt Tübingen als eine Stadt, in der seine Familie eine Heimat gefunden hat: „Ich komme aus dem Schwabenland und ich fühle mich hier wohl. Wir sind nicht zurückgekommen, sondern wir sind hiergeblieben, weil wir festgestellt haben, hier ist einfach ein wunderbarer Ort, wo man als Familie leben kann.“
Skizzen, Modelle, Bühnenbild
Oftmals werden Bühnenbildner:innen fälschlicherweise als rein handwerkliche Ergänzung einer Produktion betrachtet. Dabei erfordert das Bühnenbild viel mehr als das, denn die Bühnen- und Kostümgestaltung trägt unmittelbar zur Stimmung und Atmosphäre des Dargestellten bei. Durch seine Ausstellung gewährt C. F. Oberle Einblicke in diesen kreativen Prozess. Zu sehen ist eine Vielzahl an Skizzen, Entwürfen und technischen Zeichnungen, die an den Wänden der Kulturhalle ausgestellt sind. „Skizzen sind für mich wie gezeichnete Worte“, so C. F. Oberle. Im hinteren Bereich hängen zwei große Leinwände, die im Kontext der in Sydney aufgeführten Zauberflöte als Auftragsarbeiten entstanden sind, um damals abschätzen zu können, welche Maler:innen die Entwürfe am besten umsetzen konnten. Des Weiteren sind präzise Modelle der Theater- und Opernhäuser und deren Bühnen, die in akribischer Arbeit mit Figuren oder weiterer Detailverliebtheit versehen wurden, oder Originalrequisiten aus Die Walküre – ein Militärmantel und Reihen an Schuhpaaren – zu sehen. Die Modelle geben dabei Einblicke in den Planungsprozess einer Produktion. Auch für Bühnen Figuren Szenen Bilder hat C. F. Oberle übrigens ein detailliertes Modell der Kulturhalle angefertigt, an dem sich das Team von KuneArts beim Aufbau der Ausstellung orientieren konnte.
Ein Blickfang der Ausstellung ist die Stuhlkaskade, die im hinteren Bereich der Kulturhalle von der Decke aus Richtung Boden verläuft. Hier soll der Bewegungsablauf eines sich zusammenklappenden Stuhls eingefangen werden, der am Ende platt auf dem Boden liegt. Für Don Giovanni in Frankfurt hat C. F. Oberle einst eine Stuhlkaskade mit über 20 zu schweben scheinenden Stühlen auf die Bühne gebracht: „Das ist im Grunde genommen das, was Giovanni da passiert. Er stellt fest, heute läuft es nicht so, wie ich will – da hat der Teufel seine Hand im Spiel.“ Hierbei erhalten Besucher:innen sowohl Einblick in die Entwürfe als auch deren Umsetzung – vom ersten Konzept bis zum fertigen Bühnenbild.
Im Theater und der Oper wird stets der Raum bespielt. Eine der Besonderheiten von C. F. Oberles Bühnenbildern ist die dreidimensionale Gestaltung, die sich vom Kulissentheater abhebt. Dabei sei das Zeichnen und Skizzieren von dreidimensionalen Ansichten nicht seine Stärke – deshalb baut er laut eigener Aussage bevorzugt Modelle: „Ich musste die Dinge dreidimensional bauen aus Pappe und was mir alles in die Hand fiel. Aber manchmal sagte ich mir auch, es muss nicht Pappe sein. Ich habe zum Beispiel einen Handschuh genommen und gedacht, das ist jetzt die Faust, die wir für die Oper Lukullus auf die Bühne stellen.“ Diese Art der kreativen Inszenierung verdeutlicht, weshalb Bühnenbildner:innen immer häufiger als Szenograf:innen bezeichnet werden. Der Verlauf von der Planung über die inhaltliche Auseinandersetzung mit den jeweiligen Stücken bis zur Beschäftigung mit den räumlichen Voraussetzungen sowie den technischen Möglichkeiten ist komplex und vielschichtig. Beleuchtung, Farbauswahl, technische Effekte sowie die Auswahl der Requisiten und vieles Weiteres – das gehört auch alles zum Aufgabenfeld von Szenograf:innen. Auf Grundlage dessen entstehen Skizzen und Modelle, von denen aktuell einige in der Kulturhalle zu sehen sind. Laut C. F. Oberle seien hier nur rund 5 Prozent seines Gesamtwerks ausgestellt. „Was wir hier zeigen, ist nur Weniges aus dem klassischen Repertoire, aber sehr, sehr Vieles aus dem 20. Jahrhundert und von jetzt noch lebenden Komponisten“, so der Künstler.
Die Kunst des Kollektivs: Teamarbeit und Kooperation
C. F. Oberles Arbeit war immer eine gemeinschaftliche. Mit wem zusammengearbeitet wird, sei für ihn stets wichtiger als an welchem Ort oder in welchem Haus. Er spricht von der essenziellen Arbeit im Kollektiv, in dem Schauspieler:innen, Techniker:innen und die Regie gemeinsam agieren, um eine Produktion auf der Bühne zu verwirklichen. Auch die Resultate dieser Zusammenarbeit sind in der Kulturhalle zu sehen. Der Aspekt Teamarbeit ist für C. F. Oberle allerdings auch ein familiärer. Er und seine Frau – Anette Oberle, studierte Germanistin und Kunsthistorikerin – bilden im Grunde seit Beginn seiner Laufbahn eine Art kreative Symbiose. „1969 kam er dann nach Cambridge und fand dort auch Arbeit. Und da fing schon die große Zusammenarbeit an den Stücken an“, erinnert sich Anette Oberle. Sie habe sich stark auf den inhaltlichen Teil und die dramaturgische Beratung sowie die Entscheidungsfindung konzentriert, während sich C. F. Oberle auf die malerischen, zeichnerischen und technischen Bereiche fokussierte. Auch ihre Kinder haben tatkräftig Unterstützung beigesteuert: „Beim Modellbau, da hat die ganze Familie mitgemacht“, so C. F. Oberle schmunzelnd.
Die Ausstellung Bühnen Figuren Szenen Bilder ist noch bis zum 23. November 2024 in der Kulturhalle zu sehen. C. F. Oberle, der gemeinsam mit Anette Oberle regelmäßig vor Ort für die Besuchenden anzutreffen ist, zeigt sich bislang zufrieden mit der Resonanz auf die Ausstellung, wie er im Gespräch verrät.