Olatz Arabaolaza ist in ihrer Wahlheimat Tübingen als Tänzerin, Choreografin, Tanzpädagogin und Leiterin für therapeutischen Tanz tätig. Außerdem ist sie Mitglied von PACT – dem Performing Arts Collective Tübingen. Diesem Zusammenschluss von freien Künstler:innen aus einer Vielzahl von Sparten ist sie schon 2020, kurz nach der Gründung, beigetreten.
Liebe Olatz, danke, dass du dir Zeit für das Interview genommen hast. Kannst du dich zum Einstieg einfach mal selbst vorstellen? Was sollten Menschen über dich wissen, die dich noch nicht kennen?
Ich bin Olatz Arabaolaza und ich komme aus Spanien. Nordspanien, Baskenland. Ich bin hierher nach Deutschland gekommen, um zu tanzen. Ich habe eine Aufnahmeprüfung in einer Tanzschule gemacht – in der Folkwang Hochschule in Essen. Da habe ich ganz viele schöne, glückliche Jahre verbracht. Danach hatte ich das Glück, nach meiner Ausbildung sieben Jahre lang im Theater in Münster mit der Kompanie unter der Leitung von Daniel Goldin zu tanzen. Und seitdem tanze ich. Ich setze mich mit der Welt in ganz verschiedenen Möglichkeiten auseinander, sei es Choreografie – die ist meine Leidenschaft – oder selbst in Projekten zu tanzen im Moment mit viel Schauspiel, und natürlich unterrichte ich auch sehr gerne und bringe den jungen Leuten bei, was ich durch meine ganze Erfahrung gelernt habe.
Und wie bist du nach Tübingen gekommen?
Das waren tatsächlich private Gründe. Durch meine Ehe. Mein Mann hat uns Tübingen vorgeschlagen. Es war also ursprünglich nicht meine eigene Idee, nach Tübingen zu kommen, sondern eher ein familiärer Grund.
Was sind aktuelle Projekte, bei denen du mitwirkst? Erzähl gerne, was du da so machst und was gerade passiert.
Gerade findet in Tübingen ein Kafka-Festival, organisiert vom Tanztheater Treibhaus, statt, und da habe ich den schönen Auftrag bekommen, ein Stück über Brief an den Vater von Kafka zu inszenieren. Und kurz bevor die Sommerferien begonnen haben, habe ich es zu Ende bekommen. Das wird jetzt in der Stiftskirche gezeigt und im Tanzlokal Boccanegra im Provenceweg. Das Stück heißt Zwischen Kampf und Angst und basiert auf diesem Brief von Kafka an den Vater.
Sehr interessant. Du bist freie Künstlerin, richtig?
Ja, ich bin freie Künstlerin.
Kannst du vielleicht mal erzählen, wie du zu der freien Szene der darstellenden Künste gekommen bist?
Nach meinen Jahren als fest angestellte Tänzerin in einer Kompanie, in der alles organisiert ist, bin ich neue Wege gegangen und diese Wege haben mich in die freie Szene geführt. Erstmal habe ich als Tänzerin mit sehr interessanten Leuten gearbeitet, die nicht unbedingt im Theater engagiert sind, und dann später selbst als Choreografin. Möglichkeiten im Theater gibt es leider für alle, die frei arbeitend diesen Weg gehen, nicht genügend, aber deswegen ist es nicht weniger interessant in der freien Szene. Und als Tänzerin irgendwann ab 35 Jahren kriegt man auch nicht so viele Engagements, muss man ehrlich sagen. Und dann? Man fängt selbst an, künstlerisch zu wirken, sei es choreografisch oder in anderen Richtungen.
Also ganz viele verschiedene Gründe?
Also der Hauptgrund als Tänzerin ist, dass dich irgendwann ab 35 sehr wenige Kompanien engagieren und aufnehmen. Dann wechselt man so ein bisschen die Arbeit in die choreografische Richtung und man ist erstmal leichter unterwegs als Choreografin der eigenen Stücke in der freien Szene als in einem Theater.
Wie lange bist du denn jetzt schon als freie Künstlerin tätig? Weißt du das ungefähr?
Seit 20 Jahren.
Und was sind dann besondere Freuden und Herausforderungen bei deiner Arbeit als freie Künstlerin, die dir über die Jahre begegnet sind?
Als freie Künstlerin sind die schönsten Momente, wenn man so ein Stück neu kreiert und es auf die Bühne kommt und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstlern. Das sind die schönsten Momente. Tanzen und mit Choreografen und Tänzern zusammen zu sein und gemeinsam etwas zu kreieren, das ist schön. Dieser Austausch mit Künstlern ist Gold wert für mich. Einfach interessante Menschen zu treffen und den Perspektiven der anderen zuzuhören und mitzuerleben, das bereichert einen und das genieße ich gerade. In Kontakt mit PACT-Mitgliedern und Künstlern zu sein, bereichert mich. Das ist sehr positiv für mich und ich bin sehr dankbar, dass ich mit diesen Menschen und mit PACT in Kontakt bin und das gibt mir auch Kraft weiterzumachen, obwohl die Bedingungen so schwierig sind. Ja, genau das finde ich schön. Diese Positivität mit anderen Künstlern auch aus anderen Sparten, nicht nur Tänzer oder Choreografen, sondern Schauspieler oder aus dem Figurentheater. Jetzt gerade mache ich ein Projekt mit Kindergärten, und ich hätte nie gedacht, dass ich bei etwas mit kleinen Kindern mitwirken könnte. Und von denen zu lernen, wie mit einer anderen Perspektive ranzugehen, das finde ich wahnsinnig toll und es macht mich glücklich und bereichert mich sehr. Da lerne ich und das finde ich immer das Gute, wenn man in diesem Beruf nicht aufhört zu lernen und neue Erfahrungen zu machen.
Das sind ja ganz schön viele positive Sachen.
Ja, das finde ich auch. Aber die Herausforderung in der Kunst ist auch immer da. Also ein ganz großes Problem ist natürlich immer die Finanzierung. Aber die Herausforderung als Künstlerin ist auch immer wieder, interessante Themen zu suchen und das in eine Kunstform umzusetzen. Ich komme vom Tanztheater und so arbeite ich viel mit Bildern. Bilder, die in Bewegung kommen. Und ja, die Herausforderung dabei ist, etwas stimmig auf die Bühne zu bringen. Mit Tänzern zu arbeiten und denen den Weg zu zeigen und zu schauen, wie das auf der Bühne wirkt – das ist eine große Herausforderung, die aber auch wahnsinnig viel Spaß macht. Die Finanzierung ist herausfordernd, macht aber keinen Spaß. Das Problem ist ja, dass ein Künstler sich in der freien Szene auch um solche Sachen kümmern muss und da sind wir vielleicht nicht die Besten dafür.
Du bist ja seit 2020 Teil von PACT, richtig?
Ja.
Welche ursprüngliche Motivation hat dich zu PACT gebracht? Und wie wirkt sich PACT auf deine Arbeit aus?
In Kontakt mit PACT zu kommen, war etwas sehr Positives in meinem Leben hier in Tübingen. Als ich hierhergekommen bin, kannte ich niemanden. Ich habe erstmal unterrichtet, um Geld zu verdienen und mein Wissen weiterzugeben. Aber mit PACT habe ich ganz viele andere Künstler getroffen und das hat mir den Rahmen und die Möglichkeit gegeben, hier in Tübingen als Choreografin und Künstlerin Kontakte zu finden und damit einen Weg einzuschlagen.
Und hat sich dann an deiner Arbeit etwas verändert, seitdem du PACT beigetreten bist?
Ja, komplett.
Was sind Unterschiede von davor und seitdem du bei PACT bist?
Also natürlich war ich auch in anderen Städten und was ich jetzt in Tübingen habe, hatte ich ähnlich in anderen Städten. Aber durch PACT hat sich für mich, weil ich hier nicht vernetzt war, ganz viel verändert. Also Kontakte, Informationen, Projekte, Möglichkeiten gemeinsam etwas zu gestalten.
Welche Wünsche hast du für die Kunst- und Kulturszene in Tübingen und der Region?
Ich glaube, die Szene ist ein Kampf. Das Erste, was ich mir wünschen würde, wäre ein Raum. Ein Raum, der groß genug ist. Als Tänzer können wir nicht in einem kleinen Raum arbeiten. Also ein Raum, der es uns Künstlern ermöglicht, da reinzugehen und uns auszutauschen, auszuprobieren, auch Projekte entstehen zu lassen ohne die ständigen Sorgen oder den Kampf: „Wo präsentieren wir? Wo können wir es proben? Muss ich extra Miete zahlen?“ Also diese Infrastruktur und einen Raum zu ermöglichen, wäre für mich als Tänzerin und Choreografin das Wichtigste. Natürlich, danach kommt das Geld. Wir wissen, es ist immer Geldmangel überall. Gerade ist es auch schlimm und das wird die freie Szene sehr hart treffen. Aber gut. Da müssen wir weiter Anträge und Projekte vorstellen, weil wir wissen, dass hier eine Szene hingehört. Aber in Tübingen wäre es wunderbar, wenn ein Raum für uns zur Verfügung stehen würde.
Und zum Abschluss: Was hast du in der Zukunft geplant? Auf welche Projekte können wir uns freuen?
Also, es ist immer so, dass wenn ich an einem neuen Projekt arbeite und kurz vor der Premiere bin, dann sage ich mir: „Nie wieder. Ich mache nie wieder ein Projekt.“ Es ist einfach zu anstrengend, weil wir als selbstständige Künstler – oder jetzt in meinem Fall Choreografin – müssen uns um alles kümmern. Sei es der letzte Scheinwerfer und wie ich das hinkriege, dass der auf die Bühne kommt. Und dann denke ich mir: „Nein, es lohnt sich nicht.“ Und sobald dieses Projekt fertig ist, dann fange ich intuitiv schon an, an das nächste zu denken. Aber jetzt gerade steht meine Premiere vor der Tür und über das folgende Projekt kann ich jetzt noch nicht sprechen. Über was ich sprechen kann, ist meine nächste Premiere, die im November in der Stiftskirche stattfindet, mit zwei weiteren Vorstellungen im Tanzlokal Boccanegra im Dezember.