Pit Eitles Arbeiten auf Japanpapier in der Galerie Fingur: Ein Ausstellungsrückblick

Eine Premiere und gleichzeitig eine Retrospektive. Wenn verschiedene Materialien, Techniken und Einflüsse auf eine besondere Papierform treffen. Eindrücke vom letzten Ausstellungstag und ein Gespräch mit dem Künstler.

Vom 24. August bis zum 28. September 2024 war die Ausstellung Arbeiten auf Japanpapier von Pit Eitle in der Tübinger Galerie Fingur zu sehen. Für Eitle, der nicht nur als Künstler, sondern auch als künstlerischer Leiter der Galerie tätig ist, endete dabei nun eine besondere Ausstellung: Eine Auswahl seiner insgesamt über 200 Arbeiten auf Japanpapier wurde zum ersten Mal öffentlich gezeigt – und das in seiner letzten Einzelausstellung in der Galerie, die zum Jahresende ihre Türen schließen wird.

Sechsteilige Bilderserie im vorderen Bereich der Galerie ©Foto: Julian Böhm

Materialien, Techniken und Vielseitigkeit

Die Ausstellung zeigte Werke, die überwiegend im Zeitraum von 1982 bis Ende der 90er-Jahre entstanden sind. Japanpapier, so Eitle, begleite ihn seit seiner Akademiezeit und durch sein Interesse an japanischer Tuschmalerei sei er ursprünglich auf Japanpapier aufmerksam geworden. Das Besondere an dieser Papierart ist die Struktur, die ein hohes Maß an Sensibilität in der Handhabung erfordert. Gleichzeitig bringt Japanpapier aber dadurch gewisse raumerzeugende Eigenschaften mit sich, die Eitle als „spannend“ wahrnimmt. Doch das allein macht seine Arbeiten auf Japanpapier nicht aus. Materialien und Techniken unterscheiden sich von Werk zu Werk. „Jedes Material erzeugt eine andere Wirkung“, so Eitle, der hier Sand, Asche oder Glas mit Farbe auf Japanpapier kombiniert hat, um seinen Arbeiten eine gewisse Vielschichtigkeit zu verleihen. Für ihn scheint dabei das Zusammenspiel vieler Materialien und auch verschiedener Medien den Reiz auszumachen: „Wenn nur mit Öl gemalt wird, fehlt die Herausforderung, es zusammenzubringen.“

Bilderserie im hinteren Bereich der Galerie ©Foto: Julian Böhm

Zur Vielschichtigkeit der Werke trägt auch Eitles Arbeit auf verschiedenen Ebenen bei, die im Zusammenspiel mit der Struktur des Japanpapiers räumliche Tiefe für die Betrachter:innen entstehen lässt. So waren beispielsweise Werke zu sehen, bei denen zunächst separate Eisenchloridzeichnungen durch Hinterlegung und anschließende Lackauftragung auf der anderen Seite mit dem Japanpapier verbunden wurden. Neben weiteren Zeichnungen haben auch Kopien, die während des Kopiervorgangs bewegt wurden, oder zerrissenes Papier ihren Weg auf das Japanpapier gefunden und wurden in manche der ausgestellten Werke eingearbeitet. Damit geht Eitle in seinem Umgang mit Japanpapier über die klassische japanische Tuschmalerei hinaus. Das Ergebnis sind Collagen, die zugleich seine Vielseitigkeit als Künstler unterstreichen.

Von japanischer Kalligrafie inspirierte Werke ©Foto: Julian Böhm

Einflüsse von japanischer Kalligrafie bis schwedischen Fels- und Höhlenmalereien

Einem spezifischen, übergeordneten Thema folgte die nun beendete Ausstellung übrigens nicht. Das Präsentieren seiner Arbeiten auf Japanpapier stand im Vordergrund. Schon vor dem Betreten der Galerie konnte man vier Werke hinter einer Glasscheibe im Eingangsbereich sehen. Im Inneren hingen dann weitere Werke gruppiert nach Bilderserien jeweils nebeneinander an den bunten Wänden. Im Herzen der Galerie saß Eitle am letzten Ausstellungstag an einem kleinen Holztisch und zeigte sich offen für Gespräche mit Besucher:innen. Inspiration für seine Arbeiten auf Japanpapier schöpfte er im Verlauf der Jahre aus mehreren Quellen. So orientieren sich einige der Werke, die im hinteren Bereich der Galerie an einer roten Wand aufgehängt waren, an japanischer Kalligrafie, während sich andere aus dem vorderen Bereich der Galerie von Fels- und Höhlenmalereien aus Schweden inspiriert zeigen. Bei letzteren ließ sich sogar passenderweise eine kleine Elch-Figur wiederfinden, die auf einem der Rahmen platziert wurde. Eigene Skulpturen oder Musik und Notenschrift bilden weitere Facetten der Palette an Einflüssen. Seine Arbeitsweise beschreibt Eitle dabei als „Spaziergang, bei dem man einfach los geht“. Bilderserien würden dabei nicht geplant entstehen, sondern verbunden mit Spontaneität, sobald „ein schöner Weg gefunden wurde“.

Von schwedischer Fels- und Höhlenmalerei inspirierte Bilderserie mit Elch-Figur auf dem mittleren Rahmen ©Foto: Julian Böhm

Titel gibt Eitle seinen Werken nur sehr selten. Auch das gehört zu seiner Arbeitsweise. Die Kunst soll für sich sprechen, weshalb bei den ausgestellten Werken auch keine zusätzlichen Beschriftungskarten angebracht waren. Diese Melange aus Materialien, Techniken und Einflüssen verlieh der Ausstellung eine besondere Note, denn jedes Werk und jede Serie scheinen eine eigene Geschichte erzählen zu wollen und dennoch fügte sich alles zu einem stimmigen, rhythmischen Ganzen zusammen.

Persönlicher Rückblick und eine Art Abschied

Obwohl Pit Eitle und seine zu ihren Lebzeiten ebenfalls als renommierte Künstlerin tätige Mutter Ruth Eitle (1924–1989) laut seiner eigenen Aussage vergleichsweise wenig über Kunst gesprochen hätten, nennt er sie als weitere Inspirationsquelle: „Bei uns war das Haus früher immer voller Bilder.“ Was Mutter und Sohn zusätzlich verbindet, ist die Arbeit in Phasen und die Nutzung von Ausstellungen als „zeitversetzte Retrospektive“ des künstlerischen Schaffens.

Vier Werke hinter einer Glasscheibe im Eingangsbereich der Galerie ©Foto: Julian Böhm

Vor rund fünf Jahren haben Heilwig Reifferscheid und Pit Eitle die Galerie Fingur in Tübingen zusammen eröffnet, um zunächst die Werke von Ruth Eitle auszustellen. Über die Jahre sind dann regelmäßig Ausstellungen anderer zeitgenössischer Künstler:innen ergänzend hinzugekommen. Für seinen Rückblick auf die Arbeiten auf Japanpapier nutzte Eitle nun die Räumlichkeiten der eigenen Galerie, deren baldige Schließung für ihn auch ein Grund für die Ausstellung war. Zum Abschied entschied er sich bei seiner letzten Einzelausstellung in der Galerie dazu, einige der noch nie zuvor gezeigten Arbeiten auf Japanpapier aus ihren Schubladen hervorzuholen und erstmals der Öffentlichkeit vorzustellen. Dabei hat er obendrein einen neuen Blick auf die eigenen, teils vor Jahrzehnten geschaffenen Werke gewonnen: „Wenn man Bilder aus dem Atelier rausnimmt, dann kommt eine andere Wertigkeit raus.“ Auch andere Künstler:innen, die die Ausstellung besuchten, hätten die Wertschätzung für seine Arbeiten auf Japanpapier in Form von positiver Überraschung und lobender Resonanz geteilt, so Eitle.

Bis zur endgültigen Schließung will Eitle die kommenden Ausstellungen in der Galerie Fingur unterstützen. Danach ist eine Ausstellung in Genua in Planung. Die Arbeiten auf Japanpapier werden dort allerdings voraussichtlich nicht zu sehen sein.