Inspiration im Living Museum Alb
Inspiration ist das, was Kunstschaffende von Nicht-Künstler:innen unterscheidet. Sie ist der Unterschied zwischen „Das hast du aber schön gemalt“ und „Es würde uns sehr freuen, wenn Sie zu Ihrem Werk persönlich etwas sagen würden“. Jahrhundertelang glaubte man in der Kunstgeschichte, dass die Inspiration etwas ist, was von außen kommt: Zunächst von den sogenannten Musen, die in antiken Tempeln wohnten, dann von einer göttlichen Kraft, die sich gezielt Menschen aussuchte und zu Kunstgenies machte. In der Moderne, also ca. vor 150-200 Jahren, wurden sich alle einig, dass die Inspiration aus dem Menschen selbst und seiner Persönlichkeit heraus entsteht.
Von der Idee zum Werk: Werkschau im Living Museum Alb
Auf dem Weg von der Idee zum Werk durchläuft die Inspiration mehrere Stationen, persönliche Erfahrungen, Kenntnisse, Gefühle und Perspektiven machen das Kunstwerk einmalig. Da kein Kunstwerk, auch wenn es in so idyllischer Lage wie hier in Buttenhausen entsteht, ohne äußerliche Einflüsse entstehen kann, kommen Impulse von außen wie gesellschaftliche Fragen oder künstlerische Trends hinzu. Die Kunst ist daher seit der Moderne nicht nur ästhetisch, also schön anzuschauen, sondern auch gesellschaftlich einflussreich und persönlichkeitsbildend. Zeitgenössische Kunst lädt uns ein, die Welt durch die Augen der Künstler:innen zu sehen und unsere eigene Sicht zu hinterfragen. Mit der Ausstellung macht das Living Museum Alb genau das: 17 Persönlichkeiten, die ihre Inspirationen auf Leinwand, Papier oder in Holz in ein Kunstwerk haben einfließen lassen.
Die Newcomer:innen im Living Museum Alb
Im ersten Raum, deutlich durch einen neonpinken Schriftzug gekennzeichnet, präsentieren sich die fünf Newcomer:innen. Sie sind erst seit 6 Monaten im LivingAlb Museum aktiv (oder wieder aktiv) und alleine diese fünf „Neuen“ zeigen die künstlerische Bandbreite, die die Ausstellung kennzeichnet.
Justine Eberhards Kunst hat in den vergangenen Monaten schon einige Wandel durchgemacht. Begonnen hat sie mit Doodle-Paintings und war fasziniert von den kleinen Figürchen, ähnlich wie Strichmännchen, die das Blatt füllten. Zunehmend wurden die Figürchen farbig und sind jetzt auch Mittel, um die Bildfläche zu strukturieren und die Dynamik der Zeichnung der leeren Bildfläche gegenüberzustellen.
Natalie Kley faltet Skulpturen aus Büchern, verwandelt die flachen Buchseiten in dreidimensionale Skulpturen und erforscht so Papier als Werkstoff. In der Präsentation dienen wiederum andere Bücher als Sockel für ihre Objekte. Die Technik ist oft im Internet zu sehen, vor allem auf Social Media. Die Übersetzung in eine künstlerische Präsentation im analogen Raum ist bisher kaum erfolgt und wird nun hier eingeführt.
Stephan Kielnecker arbeitet auf Papier, dunkle Zeichenblätter sind die Grundlage für seine farbintensiven Werke. Die durch den Stift strukturierten Farbflächen wirken expressiv und stellen die Frage nach dem Verhältnis von Farbe und Emotion an die Betrachtenden.
Mehmet Cavdar arbeitet dagegen weniger abstrakt. Durch seine Arbeiten zieht sich ein zentrales Motiv: Der Vogel, der auf jedem Bild anders erscheint und doch immer wiedererkannt werden kann. Der Vogel fungiert als Symbol innerer Zustände und Gefühle, die Betrachtenden begleiten ihn von Bild zu Bild durch verschiedene Emotionszustände.
Jürgen Klokers Skulptur, die fast schon als Installation gelten kann, beleuchtet Emotionen von einer philosophischen Seite. Basierend auf den Ideen von Aristoteles, steht jede kleine Büste für eine andere Gefühlsregung. Die Ausstellungsbesucher:innen sind eingeladen, ihr eigenes Gesicht im Spiegel mit den Büsten abzugleichen. Sind Sie sich bewusst, wie Sie sich heute fühlen?
Alte Bekannte: Die langjährigen Künstler:innen des Living Museums Alb
Diese 5 Newcomer reihen sich zum ersten Mal in die Runde erfahrenerer Künstler:innen ein. In den anderen Räumlichkeiten werden Werke der Künstler:innen gezeigt, die schon länger im Living Museum Alb arbeiten und zum Teil auch schon öfter ausgestellt wurden.
Erich Rosenberger ist mit mehreren Leinwänden vertreten. Seine abstrakten Drippaintings zeichnen die Spuren seiner Inspiration nach. Im Mittelpunkt seines künstlerischen Schaffens steht nämlich die Farbe und deren Auftrag: Die Farbe wird gespritzt, getropft oder auch mal mit einem Schwamm auf die Leinwand geworfen. Die außergewöhnliche Leuchtkraft der Farben ist dabei kein Zufall: Der Künstler mischt seine Farben selbst mit Pigmenten und Eitempera (also Eigelb) und erschafft so eigene Farbtöne.
Ebenso farbenreich wirkt das Bild von Marcel Neuendorf, der seine Farben pastos und in mehreren Schichten aufträgt. Der kräftige Farbauftrag wirkt fast schon gewaltvoll und verbindet sich mit dem Bildtitel zu einem Horrorszenario: „AKWs dieser Welt“ scheint ein düsterer Ausblick in die Zukunft ohne Atomausstieg zu zeichnen.
Eberhard Drehers Zeichnungen sind minimalistisch. Neben den gerahmten Werken werden einige seiner Zeichnungen über einen Monitor in die Ausstellung integriert. Die Präsentation enthält auch ein Video, das den Künstler bei der Arbeit zeigt: Ohne zu Zögern bringt er mir sicherer Hand die Linien auf das Blatt, als würden die Motive aus ihm herausfließen.
Wie unterschiedlich die gleiche Inspiration durch die individuelle Künstlerhand ins Kunstwerk mündet, zeigen die Werke, die sich mit der Natur beschäftigen.
Alfio Tempera setzt sich seit mehreren Jahren mit Tiermotiven auseinander. Er nähert sich der Tierform mal fotorealistisch, mal leicht vereinfacht, mal sehr abstrakt. Die Zusammenstellung der Grafiken zeigt eine behutsame Beobachtung voller Interesse und Neugier an Tieren und ihrer Darstellungsmöglichkeiten.
Wolfgang Katins dagegen präsentiert seinen Affen Gustav als Zusammensetzung farbiger Flächen, die zwar streng normiert zu sein scheinen (Jeder Gustav sieht gleich aus) und die doch ab und an den strengen Rahmen der Umrandung aufbrechen.
Ebenso farbenfroh sind die Tiere von Martina Hofsäß. Vor farbintensive Hintergründe gesetzt, stehen ihre Tiere an der Grenze zur Abstraktion. Dennoch haben alle Tiere etwas typisches: Hamster, Reiher und Frosch erinnern an die Tierwelt von Fabeln, in denen Tiere bestimmte Charaktereigenschaften zugewiesen werden.
Drei Werke des inklusiven Workshops „Tierisch gut“ sind in der Ausstellung sehen. Der Workshop hat im September 23 Kunstschaffende mit und ohne Behinderung zusammengebracht. Die gezeigten Werke sind von Evelyn Schirott, Gudrun Förster und Jürgen Kempf und bilden den Auftakt der Ausstellung im Treppenhaus.
Nicht der Tier- sondern der Pflanzenwelt wendet sich Helene Schmid zu. Blumen stehen bei ihr im Mittelpunkt. Sie stellt sich mit ihren Vasenkompositionen in die Tradition der alten Meister. Während diese aber als Auftragshandwerker ihre Signatur (wenn überhaupt) nur am Bildrand hinterlassen durften, wird der Name der Künstlerin bei ihr zum Teil der Bildkomposition.
Natur und Nachhaltigkeit sind die Themen, die den Atelierraum von Andrea Piontek prägen. Er kann als begehbare Kunstinstallation zum Thema verstanden werden und lädt zum Entdecken ein. Neben Naturmaterialien und Blumenmotiven enthält der Raum auch eine bezaubernde kleine Wurst auf einem Vesperbrett. Schauen Sie doch beim Rundgang, ob Sie sie entdecken können.
Im Bereich der Skulptur widmet sich Jochen Hofhansel der Natur. Sie ist Lieferant seines Werkstoffes, er arbeitet mit Holz. Doch werden die gefundenen Holzstücke nicht in der Tradition des Objet Trouvés unbearbeitet ausgestellt, sondern vom Künstler veredelt und ihre Geschichte sichtbar gemacht.
Die Natur scheint für die Kunstschaffenden des LivingAlb Museums eine besondere Rolle zu spielen. Zwei Künstler ergänzen die Naturmotive mit technischeren Themen:
Bei Willie Washington ist zu beobachten, wie kleine Änderungen große Wirkung haben können. Er bearbeitet das Motiv des Hauses und versetzt es in verschiedene Szenerien – nur indem er die Farbflächen des Hintergrundes ändert.
Technik und Fahrzeuge sind das Thema bei Steffen Schiebel, die die Grenzen zum Abstrakten bespielen. Sein „Heizkessel“ kann mit den leuchtenden Feldern auch als Farbstudie interpretiert werden.
Ganz genau hinsehen muss man bei den Wimmelbildern von Tobias Krebs. Mit Fineliner versammelt er im kleinen Maßstab Menschen, Tiere, Fabelwesen und abstrakte Formen, die fast schon ähnlich wie Mandalas zur Vertiefung im Bild einladen.
Paul Klee meinte einmal „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern Kunst macht sichtbar“. Mit der Edition 2 unterstreicht das LivingAlb Museum diese These: Sie macht nicht nur die individuellen Schaffensprozesse von der Inspiration bis ins Werk sichtbar, sondern rückt auch 17 ganz besondere Künstler:innen ins Rampenlicht, indem sie ihre Werke der Öffentlichkeit präsentieren.
„Edition 2. Werkschau“
8. März – 28. Juni 2024
Living Museum Alb
Wasserstetter Straße 3
72525 Münsingen
Living Museum Alb (@livingmuseumalb) • Instagram-Fotos und -Videos
Informationen rund um Das erste Living Museum Alb in Buttenhausen (bruderhausdiakonie.de)