Mit Wort und Klang über Kunst im öffentlichen Raum: Der Podcast KopfSteinKunst

Kunst im öffentlichen Raum ist sichtbar, unsichtbar, offensichtlich oder unauffällig. Wir stellen euch den Podcast „KopfSteinKunst” von Constanze Borchert vor, die sich darin mit Kunst im öffentlichen Raum beschäftigt und Einblicke in deren künstlerischen Prozess, Geschichte und urbane Verortung gibt.

Hörendes Sehen

Mit drei prägnanten Fragen leitet Constanze Borchert in ihren Podcast ein: „Was soll das denn? Warum ist das Kunst? Warum wird dafür Geld ausgegeben?“ Beantwortet werden diese Fragen anhand eines auditiven Spaziergangs, um Kunst im öffentlichen Raum zu entdecken. Das Format ermöglicht die Werke von überall aus näher kennen zu lernen. Dabei tritt das Sehen und Betrachten in den Hintergrund. Mit einer weiteren Sinneswahrnehmung wird der Zugang zu einem Werk ergänzt und auf eine andere Art und Weise erlebt: Wir können uns das Kunstwerk er-hören. Zugleich bietet es sich aber auch an, mit dem Podcast im Ohr vor Ort die Objekte zu besichtigen und sich ihnen unmittelbar im Austausch zwischen Sehen und Hören anzunähern.

Pro Folge stellt Constanze jeweils ein Werk im öffentlichen Raum vor und verortet dieses in der Geschichte und Architektur der Stadt. Das Kunstwerk wird dadurch fester Bestandteil einer lebendigen, geschäftigen Umgebung, die zwischen Arbeit und Vergnügen, Tag und Nacht, innen und außen oder laut und leise schwankt. Alles passiert irgendwie gleichzeitig; das Kunstwerk fügt sich ein und dennoch fällt es auf. Dieses Treiben überträgt Constanze mit verschiedenen Klängen wie Musik oder Geräuschen und begleitet damit ihre gesprochenen Ausführungen. Der an- und abschwellende Klangpegel versetzt uns in diese Umgebung und verlebendigt das hörende Sehen. Es sind nicht nur die Worte, mit dem das Objekt im öffentlichen Raum angesprochen wird, sondern die Dynamik der Geräuschkulisse gibt dem Werk die Möglichkeit auf die Zuhörenden einzugehen. Constanze lässt das Kunstwerk gewissermaßen selbst zu Wort kommen.

Ohne Vorwissen das Kunstwerk kennen lernen

Neben der Einordnung im lokalen Kontext spricht Constanze auch über die Entstehung des Werkes selbst und wie es zu seinem Platz kommt. In verständlicher und zugänglicher Sprache führt sie Begriffe ein. Ebenso berichtet sie über den Hintergrund und die Arbeitsweise der Künstler*innen. Kunst im öffentlichen Raum vermittelt sie so, dass wir als Zuhörer*innen kein Vorwissen benötigen und jede*n ansprechen soll. Mit dieser Ambition werden das bildliche Zuhören und hörende Sehen geschärft und ausgewogen mit Wissen ergänzt. 

In der ersten Folge steht „Das bunte Monstrum – Crinkly avec disque rouge von Alexander Calder“ im Fokus. Inmitten von Stuttgart platziert, ist das bewegliche Stahlobjekt wohl fast allen Besucher*innen der Stadt schon einmal aus dem Augenwinkel aufgefallen. Warum es sich manchmal bewegt und wen der US-Amerikaner während seiner Zeit in Paris so alles traf, erfahrt ihr in der Folge. 

Wie es zu dem Podcast kam und warum Kunst im öffentlichen Raum, verrät uns Constanze im Interview:

Cover für die erste Podcastfolge mit dem Kunstwerk „Crinkly avec disque rouge“ von Alexander Calder auf dem Schlossplatz Stuttgart, Foto/Abbildung: Constanze Borchert

Dein Podcast ist kein typisches Gespräch, sondern mehr ein Dialog mit den Kunstwerken, die in einer informativen und klangvollen Reportage zu Wort kommen. Was war der Auslöser dieses Format zu wählen oder überhaupt einen Podcast aufzunehmen? 

Ich hatte schon länger die Idee ein größeres Onlineprojekt zu verwirklichen. Über das wie und was, war ich mir unschlüssig. Daher habe ich mich an der Universität Tübingen für ein Seminar angemeldet, wo es darum ging, die eigenen digitale Kompetenzen zu analysieren und in einem Projekt umzusetzen. Der Ansatz unserer Dozentin Katrin Gildner (https://katringildner.de, Instagram: @kommunikato) war ein guter Mix aus Theorie und hands-on Praxis. Denn sie produziert selbst verschiedenste Online-Medienformate. Wir hatten die Wahl zwischen Instagram-Auftritt, Blog und Podcast. Mit Letzterem hatte ich überhaupt keine Erfahrung. Daher war das Seminar der perfekte Ort, um dieses Medium auszuprobieren. Dass es dabei um Kunst gehen sollte, war schnell klar. Das Reportageformat ist von Audioguides und Radiofeatures inspiriert.

Wieso Kunst im öffentlichen Raum und wie bist du dazu gekommen? Nach welchen Kriterien wählst du die Werke in Stuttgart aus? 

Kunst im öffentlichen Raum ist die Kunst mit der jede*r im Alltag in Kontakt kommt. Die Hürden sind denkbar niedrig: Kein extra Gebäude muss betreten werden und Eintritt kostet es auch nicht. Ich will gerne alle Menschen für Kunst begeistern und dazu muss man da hin, wo die Leute sind, zum Beispiel auf den Stuttgarter Schlossplatz. Die Auswahl konzentriert sich zur Zeit auf Werke nach 1945, denn gerade die neuere Kunst trifft, meiner Erfahrung nach, am meisten auf Unverständnis. Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem Krieg und der Regelung zur Kunst am Bau, sind gerade viele Werke aus dieser Zeit ins Stadtbild gekommen. Klar war: Das erste Kunstwerk muss „Crinkly avec disque rouge”, 1973 von Alexander Calder sein. Es fällt einfach vielen Menschen auf dem Schlossplatz auf, aber da es abstrakt ist, können sich viele keinen Reim darauf machen. Im Kontrast werden die Hörer*innen das nächste Kunstwerk regelrecht suchen müssen (Micha Ullman: „Abendstern”, 1996). Die Idee ist nach und nach mit jeder Folge eine Art Kunstrundgang durch die Stuttgarter Innenstadt zu schaffen.

Du produzierst den Podcast in Eigenregie. Welche Produktionsschritte machen dir besonders Spaß und welchen Herausforderungen hast du dich gestellt? 

Die inhaltliche Recherche kenne ich schon aus meinem Kunstgeschichtsstudium. Da freue ich mich, wenn ich etwas Neues erfahre. Die ganzen Infos in ein Skript und eine bestimmte Struktur zu übersetzen und interessant zu machen, war ein großer Aufwand, der sich hoffentlich gelohnt hat. Das Einsprechen des Textes und die Bearbeitung der Aufnahmen waren ganz neue Erfahrungen für mich. Danach konnte ich meine eigene Stimme nicht mehr hören. Besonders spannend fand ich die Geräuschaufnahmen am Kunstwerk und die Verbindung von Sprache und Soundeffekten in der Produktion.

Ausschnitt aus den Tonspuren des Podcasts, Foto: Constanze Borchert

Mit deinem Podcast leistest du einen wertvollen Beitrag zur Wahrnehmung von Kunst im öffentlichen Raum. Eine Vermittlung bleibt den Werken bisweilen selbst überlassen und auch Pflege und Erhalt wird manchmal vernachlässigt. Wie können wir den Zugang und Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum anders denken?

Die Verbindung von digitalen Medien und Kunst im öffentlichen Raum birgt eine riesige Chance Menschen in ihrem Alltag mit Kunst bekannt zu machen. Jede*r kann heute durch Kartenapps und ähnliches Informationen zu den Dingen abrufen, die sie umgeben. Neben Öffnungszeiten und Restaurantkritiken, können das auch Infos zu Kunstwerken sein. Die Stadt Stuttgart schlägt zum Beispiel einige Kunstrouten durch die Stadt vor und hat in einer Karte die Kunstwerke im öffentlichen Raum ausgewiesen. Leider sind die Informationen da meist sehr kurz gehalten. QR-Codes an den Kunstwerken, die auf Webseiten mit mehr Informationen verweisen, finde ich eine gute Möglichkeit. Stadtteilführungen und Infotafeln sind als analoge Varianten genauso wichtig. Nur wenn Leute etwas mit den Kunstwerken im öffentlichen Raum verbinden, werden sie auch auf deren Erhalt achten. Die digitalen, sozialen Medien können ein guter Raum sein, um Erfahrungen mit Kunst untereinander auszutauschen. Diese Funktion sehe ich leider noch nicht wirklich umgesetzt und genutzt. 

Hast du einen Tipp, wie wir Kunst im öffentlichen Raum im hastigen Alltag aufmerksamer wahrnehmen und so einige Augenblicke lang innehalten können?

Meist sind Kunstwerke im öffentlichen Raum ja dreidimensional. Daher immer mein Tipp: Einmal drum herum gehen und schauen wie sich die Ansicht verändert, was gleich bleibt, welche Dinge auffallen und welche Reaktionen das Werk auslöst. Da ist nichts falsch. Auch Ablehnung oder Langeweile sind ok. Die nächste Frage ist dann immer für mich: Warum nehme ich das gerade so wahr? Liegt das an der Form des Werkes, oder an dem was ich damit verbinde, usw.? Das ist einfach ein guter Einstieg. Und das Gute bei Kunst, die uns im Alltag begegnet: Sie ist immer zugänglich. Heute kann ich nur einen flüchtigen Blick darauf werfen und morgen eine Viertelstunde damit verbringen, genauer hinzusehen.

Herzlichen Dank Constanze, für diese schönen und ausführlichen Einblicke.
Wir freuen uns schon sehr auf die nächsten Folgen. Euch viel Spaß beim Zuhören! Den Podcast KopfSteinKunst findet ihr bei allen gängigen Anbietern, hier eine Übersicht: https://anchor.fm/kopfsteinkunst

Lust auf mehr Podcasts zu Kunst und Kultur? 

Werft doch einen Blick in den KUNE Beitrag Kunst-Podcast 2019 von Jessy oder schaut und hört in die KUNE Kunst-Podcast-Playlist auf Spotify.

Aus aktuellem Anlass: Zur Ausstellung „Nennt mich Rembrandt!” im Städel Museum in Frankfurt wurde ein vierteiliger Podcast produziert. Infos dazu findet ihr hier auf KUNE im Beitrag 20 Stunden in Frankfurt – Community Treffen im Städel Museum. Direkt zum Podcast hier entlang: Podcast Blinded by Rembrandt.

Text und Interview in Zusammenarbeit von Constanze Borchert und Anna Katharina Thaler.

Abbildungsnachweis Titelbild: Kopfsteinpflaster, Foto von Jonas Denil auf Unsplash, Instagram: @jonasdenil