Lea Borkowski ist Künstlerin und Modedesignerin. Ihre Arbeiten zeugen von einem unglaublich gestischen Farbauftrag, wenn man ihn so nennen möchte. Denn auf die am Boden liegende Leinwand werden in einem ersten Schritt dickflüssige Farben gegossen, die sich so, geleitet durch die Hand der Künstlerin, ihren Platz auf dem Trägermaterial suchen. Im zweiten Schritt greift Lea Brokowski intensiv ein und erobert gemeinsam mit den Farben den Raum. Durch die große Bandbreite an Farbigkeit und deren intensive Leuchtkraft laden die Werke Borkowskis zu einer genaueren Betrachtung ein. Wie die junge Künstlerin arbeitet und wo sie ihre Inspiration findet, hat sie uns bei einem gemeinsamen Interview erzählt.
Lea Borkowski. Ein Interview.
Liebe Lea, woher kommst du denn, was machst du gerne und was ist typisch Lea?
Ich bin im Kreis Esslingen geboren und aufgewachsen, studiere aber schon seit 2015 an der Hochschule Reutlingen. Reutlingen ist in der Zeit zu meinem Arbeitsmittelpunkt geworden, während ich es genieße hier im Kreis Esslingen meinen Lebensmittelpunkt zu haben. Ich bin 25 Jahre alt und würde mich als ruhigen, positiven Menschen beschreiben. Ich habe eine klare Schwäche für Listen, ohne alles aufzuschreiben wäre ich nicht annähernd so organisiert, wie ich es bin. Ich lebe in meiner eigenen Welt und brauche viel Ruhe für meinen Seelenfrieden, aber auch tiefgründige Gespräche mit inspirierenden Menschen machen mich glücklich. Seit ich klein bin interessiere ich mich für andere Kulturen und Länder, daher reise ich sehr gerne.
Wohin reist du denn gerne? Und organisierst du auch deine Reisen bis ins letzte Detail?
Wenn ich reise, ist genau das Gegenteil der Fall. Ich buche nur den Hinflug und den Rückflug, nehme einen Reiseführer mit und mache jeden Tag, worauf ich Lust habe. In den Tag hinein zu leben und sich überraschen zu lassen von allem was kommt, das gibt mir ein unglaublich freies Gefühl. Ich mag es auch, dass ich durch diese Art und Weise zu reisen schon viele neue Menschen kennengelernt habe.
Wann und wie bist du zur Kunst gekommen? Und war es immer schon dein Wunsch Künstler*in zu werden?
Meine Eltern sind beide Architekten, deshalb wurde meine Kreativität schon in der Kindheit gefördert. Ich habe damals Acryl- und Aquarellkurse belegt und hatte großen Spaß dabei. Es hat sich schnell herauskristallisiert, dass ich unglaublich gerne mit meinen Händen arbeite.
Mit 11 Jahren begann ich zu nähen und zu tonen und ging so in das Dreidimensionale über. An der alten Nähmaschine meiner Oma brachte ich mir selbst bei, wie man aus alten Hosen Handtaschen näht. Das Interesse für Kunst und Design war schon immer da, jedoch hatte ich mir als Kind nicht vorstellen können, als Künstlerin zu arbeiten.
Modedesignerin – wie kam es dazu?
Ich hatte immer zwei Interessen in meinem Leben, das ist einmal Kunst und auf der anderen Seite meine Liebe mit Stoffen zu arbeiten, Funktionales zu entwerfen. Ich entschied mich für ein Modedesign-Studium, da ich unbedingt das Handwerk „Schneidern“ lernen wollte. Das Studium gab mir ein neues Werkzeug, um mich kreativ auszudrücken und ich würde es jederzeit wieder studieren.
Mit was beschäftigst du dich in deinem Masterstudiengang „Künstlerische Konzeption“? Inwieweit verknüpfst du Fashion Design mit Malerei?
In meinem jetzigen Masterstudium habe ich mich intensiv auf meine Kunst konzentriert. Ich malte früher immer nur auf kleine 20 x 20 cm oder 40 x 40 cm Formate. Also war die erste Herausforderung meiner Kunst mehr Fläche zu geben. Mittlerweile bin ich bei Leinwänden mit 2 m Breite angekommen und es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Meine abstrakten Malereien wirken so viel besser auf großen Formaten und im Prozess fand ich viele neue Techniken, die ich jetzt nutze. Außerdem habe ich an meinen grafischen Fähigkeiten gearbeitet. Grafikdesign und Layouting ist eine weitere Leidenschaft von mir.
Das nächste große Projekt wird meine Master-Thesis sein, in welcher ich meine zwei Interessen, Kunst und Modedesign, miteinander verbinden möchte. Entstehen wird dabei eine Modekollektion, die von meiner Kunst inspiriert und geprägt ist. Es wird eine sehr experimentelle Kollektion mit viel Farbe und vielen Prints. Neben bedruckten Stoffen möchte ich auch mit anderen Oberflächen arbeiten. So plane ich zum Beispiel die dreidimensionalen Strukturen meiner Bilder mit Kunstharz abzugießen und diese Platten für Accessoires wie Schmuck und Taschen zu nutzen. Eine andere Idee von mir ist es, Musterungen von Malereien von Hand zu weben.
Das ist ja eine spannende Verknüpfung aus Fashiondesign und deiner Malerei. Bin jetzt schon gespannt, wie deine Abschlusskollektion aussehen wird. Woran bist du während deines Studiums gewachsen?
Mein Modedesign-Studium war eine große Herausforderung für mich. Es hat auch unglaublich Spaß gemacht, aber ich stand noch nie unter so starkem Zeitdruck. Das war zwar eine kräftezehrende Zeit, aber ich hab auch das erste Mal gemerkt, wie belastbar ich bin. Der Druck hilft mir mein Bestes zu geben und effizienter zu arbeiten.
Was sind deine Ziele und Träume?
Mein ultimatives Ziel ist es eines Tages selbstständig zu arbeiten und dabei Kunst und Design zu vereinen. Mir ist es wichtig, dass die Produkte, die ich anbiete, in ihrer Funktion über Kunst hinausgehen, aber trotzdem als Kunstwerk gesehen werden können. Ich möchte mehrere Bereiche abdecken und so nicht nur meine Kunst oder meine Mode vermarkten, sondern mehr eine Lebensqualität.
So kann ich mir vorstellen neben Malereien meine Produktpalette für den Interieur-Bereich zu vergrößern und selbst bemalte Fliesen oder Tapeten anzubieten. Ich habe eine genaue Vorstellung davon, wie ich gerne mal leben würde. Mein Traum ist es, in einer alten Fabrikhalle zu wohnen, die zu einer Loftwohnung umgebaut wurde und in der auch mein Atelier direkt neben dem Wohnraum Platz hat.
Wie bleibst du up to date, was die Kunstbranche angeht?
Ich gehöre zur Generation Instagram. Neue Künstler*innen oder inspirierende Profile finde ich meistens darüber. Ich liebe es Museen, Ausstellungen und Designmessen zu besuchen und kaufe mir auch gerne Bücher von Künstler*innen oder Designer*innen, die mich inspirieren. Blogs lese ich mittlerweile nur noch selten, früher besuchte ich aber regelmäßig Modeblogs. Auch Pinterest nutze ich regelmäßig zur Ideenfindung.
Hier eine Liste meiner Lieblingsprofile: Salmaelfawal, Yannhouri, wizmooood, davyevans, Linolago, Tishkbarzanji, coloro_, mikaeltakacs, dericksmith, rafaelsliks_, itsreuben
Unterhalten wir uns noch etwas über deine Kunst und deine Arbeitsweise. Wie würdest du mit nur drei Worten deine Kunst beschreiben?
Farbe, Bewegung und Emotion.
Das sind starke Begriffe. Kannst du vielleicht noch etwas genauer erläutern, was dahinter steckt, was du in diese Worte setzt?
Ich bin von meinen eigenen Malereien regelmäßig selbst überrascht, da ich ohne Erwartungen arbeite. So weiß ich am Anfang einer Malerei nie, wie sie letztendlich aussehen wird. Ich probiere aber auch gerne neue Dinge aus und vertraue meiner Intuition im Prozess. Für mich ist das Malen ein Ausdruck meines Selbst. Ich male nur für mich, aus Lust etwas zu erschaffen und mit dem Antrieb ein Teil meines Inneren nach außen zu tragen.
Das Besondere an meiner Kunst ist, dass jede*r Betrachter*in etwas anderes wahrnimmt. Ich habe das mal getestet und habe verschiedene Menschen zu ihren Assoziationen und Gefühlen befragt, beim Betrachten derselben Werke. Die verschiedenen Assoziationen und Meinungen habe ich in einem Artbook neben die Werke geschrieben. Sogar ich wurde bei diesem Projekt auf Dinge aufmerksam gemacht, die ich selbst nie in meinen Werken erkannt hätte. Es macht Spaß sich darüber zu unterhalten und der eigenen Wahrnehmung andere Blickwinkel zu öffnen. Meine Werke laden dazu ein sich anregen zu lassen und auf eine Reise in die eigene Phantasie zu gehen, das ist es zumindest, was ich anstrebe.
Mode und Kunst, Kunst und Mode. Ist Mode Kunst? Was ist deine Meinung dazu?
Mode kann Kunst sein, ist es aber nicht zwingend. Ich finde Mode kann zu Kunst werden, wenn die Ästhetik im Vordergrund steht und die Funktionalität im Hintergrund. Das Kleidungsstück wird hierbei zur Leinwand und wird statt mit Farbe durch aufwendige Stickereien oder Prints geschmückt. Auch durch Volumen kann ein Kleidungsstück in eine besondere Silhouette gebracht werden und zum Kunstwerk werden. Außerdem kann durch Modefotografie Mode zu Kunst werden. Hier agieren der*die Stylist*in und der*die künstlerische Leiter*in des Shootings als Künstler*in.
Woher nimmst du deine Inspiration?
Wirklich von überall. Ich finde Inspiration in den alltäglichsten Dingen, sei es eine im Wind herumfliegende Plastiktüte, ein Sonnenuntergang in faszinierender Farbgebung, oder sogar in meinem Essen. In der Natur finde ich die schönste Inspiration für neue Farbkombinationen und Gespräche mit inspirierenden Menschen bringen mich auf die besten neuen Ideen. Ich finde auch die Arbeit von anderen Künstler*innen inspirierend.
Wie beginnst du deine Arbeiten? Mit einer Idee oder einem Strich? Sprich: Wie arbeitest du?
Mein eigener Schaffensprozess beginnt meistens mit einer Farbkombination, auf die ich Lust habe. Ein Merkmal meiner Kunst ist, dass ich mit sehr viel Acrylfarbe arbeite. Diese platziere ich dann auf der gespannten Leinwand, sodass alles von einer flüssigen Farbschicht bedeckt ist. Dann kommt Bewegung ins Spiel und an diesem Punkt spielt auch Komposition eine große Rolle. Mit Pinsel oder Spachtel mache ich intuitive Bewegungen und vermische so die Farben teilweise. Es kann schon drei Tage dauern, bis ein Bild komplett durchgetrocknet ist. Da das platzaufwendig ist und mein Atelier nicht die Größe hat, die ich gerne hätte, stelle ich in der Regel erst ein Werk fertig, bevor ich ein anderes anfange.
Hast du ein Lieblingswerk einer*s anderen Künstler*in?
Die Arbeiten von Rob Gonsalves faszinieren mich sehr. Mein Lieblingsbild von ihm heißt Phenomen of Floating. Er ist ein Maler, der dem magischen Realismus angehört. In seinen Bildern schafft er es, Szenen aus der Realität in eine Traumwelt zu verwandeln. Ich kann mich beim Betrachten in seinen Werken verlieren. Rob Gonsalves ist leider 2017 verstorben, ich möchte euch aber noch gerne ein Zitat von ihm mit auf den Weg geben:
„Ich glaube, dass es im Leben echte Magie gibt. Manchmal hängt es vom eigenen Blickwinkel ab, ob man sie erkennt. Kunst zu schaffen ist für mich die Suche nach diesem Blickwinkel, wo Magie und Wunder des Lebens nicht mehr als Illusion erscheinen, sondern als grundlegende, oft verborgene Wahrheit.“
Hast du ein Lieblingswerk von dir selbst?
Mein persönliches Lieblingswerk von mir ist eine große Malerei von 2019, die, wie ich finde, sehr harmonisch wirkt. Die Farbkombination löst Wohlbefinden in mir aus, auch die Pinselstrichführung schaue ich mir gerne an. Manchmal denke ich, dass es so in meinem Inneren aussieht.
Kannst du eine lustige Anekdote aus deinem künstlerischen Leben erzählen?
Für meine Malereien brauche ich immer sehr viel Farbe und dementsprechend liegen sie flach auf dem Boden um zu trocknen. Nachdem ich mit einer Malerei letztes Jahr fertig war, wollte ich sie abfotografieren, aber mein Handy rutschte mir aus der Hand und fiel mitten ins Bild in die Farbe. Shit happens!
Oh nein. Aber sicher witzig für dich zu wissen, dass dieses ganz bestimmte Motiv von deinem Handy erzeugt wurde. Findest du, dass Kunst eine universale Sprache für alle Menschen sein kann?
Kunst kann definitiv als eine Art Sprache gesehen werden, da durch Kunst selbst komplizierte Themen wie Politik, ein Thema zu dem viele keinen Zugang finden, vereinfacht dargestellt werden können. Die Sprache Kunst ermöglicht eine Kommunikation ohne Worte, sie erreicht uns auf einer emotionalen Basis. Sie kann uns berühren, einen Eindruck hinterlassen oder auch unsere Gedanken anregen. Daher kann die Sprache Kunst universell verstanden werden, dieselben Emotionen sind in allen von uns.
Ist „Kunst” erlernbar?
Es ist selbstverständlich möglich Techniken zu erlernen, wie man zum Beispiel realistisch mit Ölfarbe malt oder wie man zeichnet. Das ist pure Fleißarbeit und jeder kann das Schaffen. Aus diesem Können allerdings seine individuelle Sprache zu entwickeln, etwas Eigenes daraus machen, das ist es was einen zum*zur Künstler*in macht. Ich würde es beschreiben als eine Art Eigenantrieb, der von Innen zu einem spricht, kreative Ideen liefert und motiviert weiter zu machen. Vielleicht kann man es als innere Stimme beschreiben, die einen in seiner Kreativität leitet, oder auch als Intuition.
Wie vernetzt du dich in der Kunstszene?
Ich habe mich bisher am besten durch Wettbewerbe und daraus resultierenden Gemeinschaftsausstellungen vernetzen können. Ich finde es schön, dass in Reutlingen der Einstieg in die Kunstszene gerade durch solche Angebote einfach gemacht wird.
Liebe Lea, herzlichen Dank für dieses tolle Gespräch und für diese tiefen Einblicke in deine Arbeitsweise. Wir freuen uns schon sehr auf unser nächsten Aufeinandertreffen!