Ich baue Welten, die zum Erkunden einladen
Gala Adam konnte sich kaum einen anderen Beruf für sich vorstellen als Künstlerin zu werden. Sie hat in Stuttgart und Wien Bildende Kunst, Kunstgeschichte und Germanistik studiert. Bereits während ihres Studiums hat sie sich Ihren Interessen aus den Blickwinkeln der verschiedenen Disziplinen heraus gewidmet. Im Interview erzählt sie von ihrem Werdegang und vor allem von ihrem Blick auf die Kunst.
Wie hat dein Lebensweg dich ins Atelierhaus Filderstraße 34 in Stuttgart geführt?
Nach der Schule gab es für mich drei Varianten, wie es mit meinem Leben weitergehen könnte. Ich fand den menschlichen Körper super spannend, ich hätte mich gerne auf Feinchirurgie für Hände spezialisiert. Das finde ich nach wie vor spannend. Man kann bisher alles an der Hand gut simulieren, bis auf den Daumen. Jura hätte mich auch sehr interessiert, aber ich habe mich dann für Kunst entschieden.
Bist du sofort ins Studium eingestiegen?
Nein, zunächst habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Kunstschule Unteres Remstal absolviert. Ich war da Assistenz der Geschäftsleitung und konnte nebenbei an meiner Mappe arbeiten. Danach bin ich für mein Studium der Kunst an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart gegangen.
Hast du dich sofort für Freie Kunst entschieden?
Nein, ich habe zunächst das Studium Kunst auf Lehramt absolviert. Mir war das aber etwas zu wenig und dann habe ich nebenbei Kunstgeschichte-Seminare an der Universität belegt und begonnen, Literaturwissenschaften und Philosophie zu studieren. Ich lechze nach Wissen. Ich nenne das das „Faust-Syndrom“: Ich versuche die Welt im Ganzen zu verstehen. Nach meinem Abschluss im Lehramt, habe ich mein Diplom in Kunst gemacht und mich dann als Meisterschülerin an der Akademie beworben.
Du hattest aber noch einen Zwischenstopp in Wien?
Ja, dort war ich zunächst für mein Erasmusjahr. Ich wollte unbedingt in eine Malklasse. Daraus wurden dann zweieinhalb Jahre, in denen ich noch ein Erasmus Praktikum bei Wolfgang Marx in der Malwerkstatt der Akademie der bildenden Künste Wien machen konnte. Das war toll, ich war jeden Abend in der Oper, da die Stehkarten am Abend dort nur 3 Euro kosten (im Vergleich: ein weißer Spritzer hat 3,50 gekostet). Für mein Staatsexamen bin ich dann aber zurück nach Stuttgart gekommen.
Wie arbeitest du, was sind deine Materialien?
Eigentlich bin ich in der Malerei zu Hause. Farbe und Textur sind vor allem meine Themen; ich denke in Farbe und Textur. Manchmal muss ich mich dann resetten und gehe zurück zu den Basics: schwarz/weiß. In meiner Grundklassenzeit zum Beispiel habe ich sehr viele Linolschnitte gemacht und in den letzten Jahren waren es dann die vielen Tuschezeichnungen in schwarz/weiß. Damit kann ich mich dann nur auf die Form und den Kontrast konzentrieren. Wenn ich aber etwas mache, dann mache ich es für diese Zeit sehr obsessiv.
Du arbeitest inzwischen aber auch installativ?
Ja, das hat sich so ergeben. Zuerst sind die Dinge aus der realen Welt in meine Leinwände gekommen und dann sind sie wieder herausgeploppt und wurden dreidimensional. Eigentlich habe ich aber kein Medium, sondern ein Thema.
Was ist dann dein Thema?
Je älter ich werde, desto mehr verstehe ich, was ich möchte. Früher habe ich sehr figurativ gearbeitet. In Wien konnte ich auch pathologisch-anatomisches Zeichnen machen, was ja meinem Interesse für den menschlichen Körper als Maschine sehr entgegenkam. Für mich war das Thema dann aber abgeschlossen. Mich interessiert nun viel mehr das, was es nicht gibt. Oder was es nicht so gibt. Über die von mir zusammengestellten Objekte möchte ich eine Welt eröffnen, die zum Denken, zum Erkunden oder zum Imaginieren einlädt. Darin finden sich Artefakte, die ich mal gesehen oder gefunden habe oder die ich mir aus der Erinnerung imaginiere (und die Erinnerung ist immer trügerisch). Daraus baue ich mir Bildwelten und diese können zwei- oder dreidimensional sein. Wenn sie begehbar werden, wird man als Mensch, als Besucher:in Teil dieser Welt.
Ich finde, viele deiner Objekte laden dann auch zum Anfassen ein. Ist das so gedacht, oder möchtest du das nicht?
Ich habe schon Objekte, die zum Anfassen gedacht sind, das funktioniert aber in unserer realen Welt nicht so. Ich hatte zum Beispiel eine Serie, die hieß Lese. Das waren Bronze- und Muranoglas-Objekte. Die waren dafür gedacht, in die Hand genommen zu werden. Sie waren auch in Bezug auf die Handfläche und das Körpermaß gestaltet worden. Außerdem war die Textur und die Form der Objekte so gestaltet, dass man das Gewicht und die Oberfläche spürt und stark wahrnimmt. In einem Ausstellungskontext kann man das aber natürlich nicht zum Anfassen machen. Wenn ich dabei bin, animiere ich die Besucher:innen aber, die Dinge in die Hand zu nehmen und ihnen so zu begegnen, wie es von mir gedacht war.
Die Textur ist dir also auch in den Objekten wichtig?
Wenn die Menschen mit Bedacht an meine Installationen herangehen, finde ich nichts Verwerfliches daran, wenn die Leute meine Samtdisplays berühren. Denn das Erlebnis beim Berühren von Samt ist schon etwas Besonderes und es macht ja etwas mit einem. Wenn ich Samt berühre, denke ich sofort an andere Kontexte. Ich denke an schwere Vorhänge, an Handläufe, an verrauchte Zimmer oder große Hallen. Ich spiele ja mit dieser Erfahrungswelt, die sich bei gewissen Oberflächen, Farbigkeiten oder Stimmungen auftun. Und die Berührung ist doch eine sehr wichtige Dimension.
Häufig werde ich gefragt, bist Du Malerin, Bildhauerin, was jetzt? Ich sage dann immer, ich bin Eichhörnchen, ich trage meine Nüsschen zusammen. Die Nüsschen können dann sein: Malerei, Grafik, Object trouvé, meine gemachten Objekte, mal etwas Überarbeitetes. Alles zusammen ergibt ein Ganzes. Man kann sich darin bewegen und Bezüge zwischen den Dingen herstellen. Ich spiele mit dem visuellen Gedächtnis und überlege mir oft auch, was sich Leute dabei denken könnten. Das, was die Menschen dann aber wirklich dabei denken und in meinen Welten sehen, ist für mich immer wieder überraschend und macht großen Spaß.
In der Ausstellung, die ich im Hospitalhof Stuttgart hatte, sieht man am ehesten, was mir wichtig ist. Sie hieß scientia rerum und zeigte meine Welt in vielen Materialien und Medien.
Mein Zeichnungsarchiv war da auf großen Stoffbahnen gedruckt und das, was sich dann aus den Zeichnungen entwickelt hat, konnten die Besucher:innen wiederum im Raum entdecken. Wichtig ist mir die Lust am Entdecken, die ich auch in Menschen erwecken möchte.
Toll finde ich, dass du auch in anderen kulturellen Tätigkeitsfeldern arbeitest.
Ja, in einer perfekten Welt hätte ich eine Tasche wie Mary Poppins und in der wäre alles, was ich brauche. Aber in unserer Welt ist es mir wichtig, dass ich meine Grundbedürfnisse decken kann. Irgendwann habe ich beschlossen, nur noch in Bereichen zu arbeiten, die mit meinem Beruf zu tun haben.
Was für Orte für Kunst kannst du denn empfehlen?
In Stuttgart mag ich sehr viele Galerien, Museen, Kunstvereine, Atelierhäuser. Zum Beispiel gibt es im atelier wilhelmstraße 16 e.V. immer spannende etablierte, aber auch neue Positionen. Es gibt immer wieder neue aufploppende off-spaces in Stuttgart, da passiert mehr, als man denkt.
Außerhalb von Stuttgart kann ich das Kunsthistorische Museum und das Naturhistorische Museum in Wien empfehlen. Ich liebe auch die Oper, da kommen so viele Komponenten zusammen. Das Citizen.Kane.Kollektiv kann ich noch empfehlen.
Für mich ist die ganze Welt Quelle der Kunst; da kann sogar der Weg irgendwohin wahnsinnig schöne Momente und spannende neue Sachen aufzeigen, aufmerksam schauen, das ist es… Mit Ludwig Fleck: „Schauen, sehen, wissen“ – das treibt voran auf dem kleinen persönlichen Pfad des Lebens.
Vielen Dank liebe Gala für das spannende Gespräch und die Eröffnung neuer Reflexionsräume. Einer von Galas Räumen kann von 25. März bis 20. Mai 2024 im LABORfenster im Mirabeauweg 3 in Tübingen erkundet und entdeckt werden.
Die Künstlerin wird am 17. April 2024 um 18 Uhr vor dem Fenster anwesend sein und bei einem Kaltgetränk mehr über ihre Arbeit und ihre vielen Interessen berichten.