„WALKABOUT“ von Xy June Li in der Kulturhalle Tübingen

In der Ausstellung „WALKABOUT“ in der Kulturhalle Tübingen gibt Xy June Li Anlass über die eigene Wahrnehmung und über Normen nachzudenken.
Einblick in die Ausstellung
Xy June Li Ausstellungsansicht WALKABOUT Kulturhalle Tübingen Foto: Bianca Eckle

„Wenn wir über Zeit sprechen, worüber sprechen wir genau? Wenn wir unseren Blick in die Landschaft werfen, was genau schauen wir uns an?“

Mit diesen grundlegenden Fragen beschäftigt sich Xy June Li und versucht diese in ihren Arbeiten zu verarbeiten. In Verbindung mit der philosophischen Strömung des Neuen Materialismus erkundet sie die Beziehung von Mensch und Gegenstand mithilfe ihrer Kunst. Eng mit dieser Vorstellung verbunden ist die Überzeugung, dass der Mensch als Subjekt nicht an zentraler Stelle steht und die Technik, Natur und Umwelt ebenfalls wirksam sind. Dieses Handlungsnetz eröffnet ihr einen Perspektivwechsel. 

Themen der Ausstellung „WALKABOUT“ von Xy June Li in der Kulturhalle Tübingen

Die Ausstellung kann in vier große Themenbereiche eingeteilt werden: Geschichte, Zukunft, Land und Körper. Dabei beschränkt die Künstlerin sich nicht auf Ölgemälde, sondern schöpft aus der Breite der Materialien und verarbeitet ihre Eindrücke auch in Webarbeiten, Installationen und Videoformaten. In Öl ausgeführt sind ihre Landschaftsarbeiten – aus dem Gedächtnis in kontrastierenden Farben gemalt. Sie erzeugt durch die gezielte Einsetzung dieser Farbwahl eine Welt, die durch Schatten und Tiefen einen ganz neuen Kosmos konstruiert. 

Webarbeit: Kombination von "Billards of Creation" vom NASA Hubble Teleskop 2014 und Mogao Grottoes Cave in Dunhuang China
Xy June Li. When We Stare Into the Sky v, 2023, Mesch, 200 x 150 cm, Webarbeit Foto: Bianca Eckle

Im Gegensatz zu ihren erzeugten Räumen, stehen ihre Webbilder. Zwei Fotos von wichtigen Ereignissen der Geschichte werden hier wortwörtlich miteinander verflochten. Das lineare Zeitgeschehen wird aufgelöst und in ein großes Ganzes verwoben. Der zeitliche Raum wird so in ein neues Konzept der Wahrnehmung gebettet, das uns zunächst fremd erscheint. 

Webarbeit: Kombination von "2001: A Space Odyssey" von Stanley Kubrick 1968 und Mogao Grottoes in Dunhang China
Xy June Li. When We Stare Into the Sky II, 2022, Mesch, 59 x 84 cm, Webarbeit Foto: Bianca Eckle

Auch ihre Installationen geben einen neuen Blickwinkel wieder. Während „The day in Front, the Day behind“ vor Augen führt, wie die Geschichte sich zirkulär abspielt und wie unsere Wahrnehmung von ihr funktioniert, beschäftigt sich ihre „Tool Box“-Performance-Installation „Multiscreen ladders“ mit der philosophischen Frage nach der Handlungsmacht von Gegenständen. Bewusst kehrt Xy June Li die Funktion der (technischen) Alltagsgegenstände um und nimmt selbst die Rolle dieser ein.  

Installation Tool Box, Multiscreen mit unterschiedlichen Videos
Xy June Li, Tool Box Perfomance Installation: Multiscreen, ladders, 2022, Foto: Bianca Eckle

„WALKABOUT“ verweist auf eine Tradition der Aborigines

Der Titel der Ausstellung „WALKABOUT“ verweist übrigens auf eine Tradition der australischen Ureinwohner (Aborigines). Ziel eines solchen „Walkabouts“ ist es, den Übergang eines 13-jährigen Jungens in den Status eines erwachsenen Mannes zu unterstützen. Mithilfe eines Rituals werden die Jungen, in Begleitung ihres Traumpfadliedes, auf einen Pfad geschickt. Ihre Erfahrungen auf diesen Wegen sollen die Übereinstimmung der Wirklichkeit mit dem Abbild der Natur überprüfen. Ganz im Sinne des Neuen Materialismus wird bei diesem Ritual die eigene Wahrnehmung und Überzeugung hinterfragt.

Ausstellungseinsicht
Xy June Li, Ausstellungseinsicht, Foto: Bianca Eckle

Xy June Li hat bereits 2019 in der Kulturhalle in Tübingen ausgestellt und feiert nun ihre erste Einzelausstellung in eben diesen Räumlichkeiten. Ihre Verbindung zu Tübingen beschränkt sich nicht nur auf die Ausstellungsräumlichkeiten, sondern auch das Zeicheninstitut und ihr Studium an der Universität haben sie auf ihrem Weg begleitet. Heute studiert sie an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart.

Die Ausstellung gibt Anlass, über viele Dinge nachzudenken. Zum einen über die eigene Wahrnehmung und zum anderen über Normen, gelernte Verhaltensweisen und deren Abläufe. Wie die Auflösung der linearen Zeitachse uns zunächst fremd erscheint, zeigen die Webarbeiten eine andere Möglichkeit, räumliche Zeit darzustellen. Wir als Besucher:innen werden mit Fakten konfrontiert, die wir ohne sie zu hinterfragen angenommen haben. Die Werke in der Ausstellung aber zeigen Alternativen dazu auf. In der Kunst verarbeitet werden diese greifbar und erscheinen als Einheit und nicht als abstrakte Theorie.

Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum 1. April 2023 in der Kulturhalle in Tübingen. Der Eintritt ist frei. Der Ausstellungsort ist Mittwoch bis Freitag jeweils von 16 bis 19 Uhr geöffnet sowie samstags von 11 bis 15 Uhr.