Im Gespräch mit: Martin Hauser

Die Ausstellung „Ideen von Landschaft“ zeigt Martin Hausers Landschaftsfotografien aus Norwegen. Einen Schwerpunkt seiner Arbeit legt der Künstler aber auf „urban spaces“, die er auf Spaziergängen in seiner Wahlheimat Stuttgart erkundet. Unser Autor Maik hat ihn dort besucht und über spannende Urlaube, technische Details und natürlich über seine Kunstwerke geplaudert.

Die Ausstellung „Ideen von Landschaft“ zeigt Martin Hausers Landschaftsfotografien aus Norwegen. Einen Schwerpunkt seiner Arbeit legt der Künstler aber auf „urban spaces“, die er auf Spaziergängen in seiner Wahlheimat Stuttgart erkundet. Unser Autor Maik hat ihn dort besucht und über spannende Urlaube, technische Details und natürlich über seine Kunstwerke geplaudert.

In deiner aktuellen Ausstellung „Martin Hauser und Felix Müller. Ideen von Landschaft.“ Im FORUM Bodelshausen zeigst du Landschaftsaufnahmen. Ist das Thema Landschaft eines deiner Hauptthemen in der Fotografie?

Nein, das Thema ist ja sehr konkret und nach der Anfrage von KuneProjects war ich selbst überrascht, wie viele Landschaftsbilder ich habe. Bei der Durchsicht habe ich aber schnell gemerkt, dass die Aufnahmen gut sind und ich war sehr zufrieden mit der Auswahl. Ich hatte das Gefühl, dass die Bilder sehr gut zu der Ausstellung passen könnten. Da war ich echt happy, denn die Bilder sind für mich etwas Besonderes – so wie der ganze Norwegenurlaub, in dem sie entstanden. Landschaft, im Sinne von Natur, habe ich eigentlich weniger im Fokus. Für Naturaufnahmen benötigt man einen ganz anderen Blick – Norwegen hat es mir da mit seiner Natur schon leicht gemacht. Ich bin gerne draußen, gehe gerne Wandern, bin im Schwarzwald aufgewachsen und sehr naturverbunden. Ich merke aber immer wieder, dass es beim Fotografieren etwas ganz Besonderes sein muss, was mich catcht und zur Beschäftigung auffordert. Das erlebe ich eher beim Durchstreifen von Städten: Da bleibe ich öfter stehen und denke: „Wow, krasses Motiv“.   

Drei Personen vor Fotografien.
Martin Hauser (1.v.r.) mit Maik von Kune und Sabine Engeser, der Leiterin des FORUMS Boldeshausen, bei der Vernissage im Januar 2023.

Hast du beim Spaziergang durch die Stadt dann immer einen prall gefüllten Rucksack mit verschiedenen Kameras und Zubehör dabei? Oder gehst du gezielt auf Fotostreifzüge?

Mittlerweile sind die Ausflüge eher geplant. Früher hatte ich einfach immer die Kamera dabei – was dann oft darin endete, dass ich nach dem Kaffeetrinken trotzdem nochmal drei Stunden nach Fotomotiven gesucht habe. Inzwischen ist es ein bewusstes Losgehen und Zeitnehmen. Dann packe ich meine kleine Tasche, nehme ein Teleobjektiv mit, ein kleineres Zoom und Festbrennweiten.

Hast du dann schon konkrete Ziele vor Augen oder lässt du dich treiben?

Ich schaue, je nach dem, worauf ich an dem Tag Lust habe. Oft schaue ich aus der Bahn und denke mir: „Hier könntest du mal exploren gehen“. Und dann laufe ich wirklich einfach rum. So wie man im Urlaub Städte erkundet, so erkunde ich Stadtteile. So landete ich einmal in Zuffenhausen: Ich bin beim Porschemuseum ausgestiegen und hatte ein paar echt gute Motive gefunden. Zwar dachte ich zunächst : „Das war’s“. Ich bin dann aber noch weiter in verschiedene Ecken von Zuffenhausen gelaufen und war dann 4-5 Stunden unterwegs.

Zuffenhausen ist ja eigentlich nicht so das Ausflugsziel…

Not at all! Aber es gibt dort Motive, die mich total ansprechen. Der Himmel an dem Tag ist immer ganz wichtig. Ich mag aber auch Hochhäuser, an denen sich Balkone aufreihen und wiederholen. Die sind gleich, aber doch nicht gleich. Zuffenhausen ist ja nicht für seine Architektur bekannt, aber dieses Urbane und diese Ehrlichkeit zeigen eine eigene Realität. Das ergibt echt spannende Kontraste und Ausschnitte, die mich ansprechen. Deshalb mag ich dieses ziellose Rumlaufen.

Eine Hochhausfassade mit Balkonen.
Martin Hausers Fotografien sind geprägt von urbanen Motiven, geometrischen Kompositionen und Kontrasten zwischen Architektur und Himmel, wie hier im Werk „Zuffenhausen“. ©Foto: Martin Hauser.

Mit einer Idee im Kopf loszulaufen hatte ich bisher weniger verfolgt. Ich habe oft die Idee Street Photography zu machen, Menschen abzubilden und Szenen einzufangen, aber das empfinde ich als ultraanstrengend. Das ist eine ganz andere Art zu fotografieren.

Wenn ich mich treiben lasse, auf die Architektur schaue, dann hat das für mich eine meditative, kontemplative Qualität. Dann habe ich oft noch einen Kopfhörer auf und bin in meinem Kopf und meiner eigenen Welt.

Würdest du sagen, dass du dabei eine dir eigene Ästhetik verfolgst?

Ja, ganz klar. Wenn ich meine Bilder durchschaue, dann sehe ich vieles, was sich wiederholt: Formen, Farbflächen, Shapes, gebrochene Geometrie und oft eine Abgrenzung zum Himmel. Eine Freundin meinte mal, meine Bilder seien minimalistisch. Auf mich wirken sie aber sehr komplex.

Das heißt ja aber auch, dass du Ästhetik und Komposition in den Mittelpunkt deiner Bilder stellst. Oder gibt es da auch einen sozialen oder sozialkritischen Aspekt, z.B. beim Fotografieren der Hochhäuser?

Nein, gar nicht! Es gibt wenig Reportageansätze oder dokumentatorische Ideen. Ich würde echt gerne mal etwas in die Richtung machen: mit Menschen sprechen und sie porträtieren. Das ist aber mit analoger Fotografie zu schwierig, da braucht man digitale Kameras. In meinem Projekt „Faces I meet“ habe ich das mal gemacht und Menschen eingefangen, die ich auf einer Reise getroffen habe. So entstanden zufällige Begegnungen, die ich mit der GoPro aufgenommen habe. Die waren dann manchmal nur kurz, konnten aber auch Stunden oder Tage dauern. Das hat mir unglaublich Spaß gemacht, es haben sich so tolle Begegnungen ergeben. So kam ich in den Wald zum Bambusschneiden und ins Atelier eines Uhrmachers. Mit der analogen Fotografie entfällt aber für mich der dokumentarische Charakter, das ist für mich ein großer Unterschied.

Blick aus einem Parkhaus.
Martin Hausers Fotografien sind geprägt von urbanen Motiven, geometrischen Kompositionen, wie hier im Züblinparkhaus in Stuttgart. ©Foto: Martin Hauser.

Spannend! Denn in der Ausstellung sind deine Aufnahmen ja eher die, die dokumentarischen Charakter haben.

Die Frage ist: „Wann ist es Doku und wann nicht?“. Für mich hat Dokumentation etwas Sachliches, ich merke aber, dass bei den Bildern für mich sehr viel Emotion dabei ist.

*Martin holt ein paar seiner Bilder raus*

Das spricht einfach mit mir: die Beleuchtung an der Mosaikwand. Das ist eigentlich etwas, an dem man acht Milliarden Mal vorbeiläuft und bemerkt es eigentlich nicht. Aber diese unglaublichen Lichtkontraste, diese Abstufung und Feinheit fand ich einfach Wahnsinn. Unser Stuttgarter Hauptbahnhof ist ja wahrlich keine Schönheit, aber trotzdem ist es ein cooler Ort, weil es einfach viel zu sehen gibt. Bis vor der Renovierung hatte jede Bahnstation bis Schwabstraße eine eigene Farbe, das fand ich sehr cool. Das Neonlicht der Stationen, kombiniert mit diesen starken Farben, übt auf mich eine Anziehung aus.

Oder hier im Züblinparkhaus: Die Kontraste, die feinen Details, die Linien, die Flucht  ̶  das spricht mich unglaublich an. Diese urbane Stadtfotografie macht mir extrem Spaß.

Kommt das dann auf dem Bild immer genau so raus, wie du es dir vor Ort vorstellst?

Nicht ganz. Es ist natürlich eine Sache des Films, des Lichts, der Belichtung. Da spielt am Ende des Tages auch der Zufall mit – aber ich sehe, dass da Potenzial ist und habe eine Idee davon, wie es aussehen könnte.

Die sind also nicht nachbearbeitet?

Ich packe meine Bilder immer in Lightroom und merke dann oft, dass alles schon passt. Nur manchmal sind minimale Änderungen beim Kontrast nötig und dann sind die Fotos fertig.

Sind deine Bilder grundsätzlich analog fotografiert?

Im Moment ja. Ich hatte früher eine klassische Einsteiger-Spiegelreflex. Meine Journey war dann aber: Ich gehe nach Vietnam und komme mit 4000 Bildern zurück. Davon sind 3590 nix, dafür hat man 40 mal das Gleiche fotografiert. Da habe ich gemerkt, dass mich das eher frustriert. Das hilft mir nicht, mich mit dem Motiv auseinander zu setzen.

Ich habe mal den klugen Satz gehört: „Fotografieren lernst du analog“. Die Auseinandersetzung mit dem Bild ist viel intensiver als bei digitaler Fotografie.

So eine Kamera ist ja extrem komplex: Belichtung, Objektiv, Film, Blende – das sind schonmal vier Komponenten. Nach der Entwicklung hast du nochmal total viele Möglichkeiten, das Bild zu bearbeiten. Es sind unglaublich viele Möglichkeiten, das macht mich verrückt. Die analoge Fotografie hilft mir dabei, mich zu limitieren und zu fokussieren. Weil ich dann nur 36 Bilder auf dem Film habe, ich muss selbst scharf stellen und oft sind die Beine der Zoom. Du überlegst vorher ganz genau: „Mache ich dieses Bild?“. Auch das Haptische macht einfach Spaß und die Geräusche.

Ein anderer Aspekt, der auch bei den Bildern in der Ausstellung in Bodelshausen wichtig war, ist der zweite Blick auf das Bild. Denn du musst auf die Entwicklung des Fotos warten. Das entspricht auch einem Reifeprozess: Meine Sicht auf das Bild ändert sich. Die Emotionen im Moment des Abdrückens sind dann vergangen, der Blick ist neutraler und ich kann besser bewerten, ob das Bild gut ist oder nicht. Diese Zeitspanne zwischen Aufnahme, Filmabgabe ans Labor, Entwicklung und wieder-anschauen gibt mir einen frischen Blick, und das macht Spaß an dem Prozess.

Landschaft mit Fjord und Bergen.
In der Ausstellung „Ideen von Landschaft“ im FORUM Bodelshausen stellt Martin Hauser vor allem Fotografien seiner Norwegenreise aus. ©Foto: Martin Hauser.

Seit wann fotografierst du denn schon?

Ich habe schon als Kind die ersten Gehversuche gemacht. Ich hielt Fotografie schon immer für ein spannendes Medium, vor allem auch, weil ich es nicht verstanden habe. Mit meinem ersten Job habe ich mir dann meine erste Kamera gekauft, so eine Miniknipse mit festem Objektiv. Damit habe ich die ersten Knipsausflüge in den Wald unternommen. Das war nur für mich, zur eigenen Freude. Das hat mir unglaublich Spaß gemacht, weil ich darin versinken kann. Dann bin ich raus und war in meinem „off moment“. Inzwischen fotografiere ich natürlich viel bewusster. Aber eigentlich fotografiere ich immer noch für mich, nicht mit der Absicht die Bilder zu zeigen.

Deine Bilder zeigst du ja dennoch, nämlich auf deinem Instagramaccount. Der heißt i.am.ntransit. Was steckt hinter dem Namen?

Darüber habe ich mir viele Gedanken gemacht, denn ich merke, dass es mir leichter fällt, wenn meine Arbeit einen Rahmen hat. Ich brauchte eine Fassung, nicht zu eng und nicht zu weit. Ich habe aber gemerkt, dass sich alles verändert und ich mich immer weiterentwickle. Was mir heute wichtig ist, kann in einem Jahr schon obsolet sein. Diese Prozesshaftigkeit anzunehmen als das, was es ist, verschiedene Dinge auszuprobieren und sich nicht festzulegen, ist eine schöne Klammer. Das Wort Transit hat für mich etwas Starkes und Befreiendes, das diesen Prozess, diese Reise beschreibt.

Das ist eigentlich ein cooles Schlusswort. Ich danke dir für das Interview und hoffe, dass wir bald auch deine anderen Werke in einer Ausstellung bewundern dürfen.