KUNE in Monets Garten – Top der Flop?

Sie sind seit Jahren der absolute Hype und ihre Besuchszahlen lassen Museen mit den Ohren schlackern: Immersive Kunsterlebnisse vermarkten Kunstgenuss für alle und schaffen neue Freizeiterlebnisse, die sich an die Sehgewohnheiten der Instagram-Generation anpasst. Steckt da noch Kunstgeschichte drin oder sind die Kunstwerke nur Mittel zum Zweck?

Kunsterlebnis ganz neu

„Aufwändige Installationen und Projektionen erzeugen in Verbindung mit Musik rauschende Farbwelten und lassen die Gemälde auf noch nie zuvor gesehene Weisen lebendig und spürbar werden.“ –  So wirbt Monets Garten auf seiner Webseite und zieht die Menschenmassen an: Schon zweimal wurde die Ausstellung verlängert – und ist nun noch bis zum 30. März in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart zu sehen.

Kunsthappening für die Massen statt Kunstgenuss im ruhigen Museum

Eines wird schnell klar: Die üblichen Verhaltensregeln des Museumsbetriebs gelten in der Schleyerhalle nicht. Im Halbdunkel des Ausstellungsbereichs wird geplappert, fotografiert und es herrscht reges Treiben. Ein Kunstgenuss mit Vertiefung in die Werke, wie man ihn vom Museum kennt, ist nicht möglich und nicht erwünscht. Die Besucher:innen warten vor den Projektionen der Werke Monets auf die Animation, filmen diese mit und gehen weiter. Denn am nächsten Bild gibt es einen Fotopoint! Der per QR-Code auf das Handy transferierte Instagramfilter lässt die Aufnahme dreidimensional erscheinen und die Fotografierten finden sich mitten im Bild Monets wieder. Viel Zeit, das Foto zu genießen, bleibt dabei nicht: Die nächsten Fotowilligen warten schon, dass sie dran sind. Dann geht’s eben schnell weiter zum nächsten animierten Kunstwerk.

Im ersten Teil des Ausstellungsbereichs geht es etwas eng zu: Während man versucht, den Fotografierenden auf der einen Seite auszuweichen, läuft man unweigerlich jemand anderem ins Bild. Dieser erste Gang regt vor allem zum Weitergehen an. Eigentlich schade! Denn so oberflächlich die Projektionen erscheinen – sie unterstreichen die wichtigsten Aspekte Monets Malerei. Wenn sich zum Beispiel eine Landschaft in ihre einzelnen Pinselstriche auflöst oder die riesige Lupe, die über die Leinwand fährt, die grobe Malweise einiger Bildpartien beleuchtet, wird der künstlerische Prozess des Malers offengelegt.

Ein Mann vor einer Leinwand voller butner Pixel.
Die Ausstellung regt auf unterschiedliche Art und Weise zur Interaktion ein. ©Foto: Pressebild Monets Garten, Schulze.

Erlebnis für Kinder und Erwachsene

Der zweite Raum zeigt einen Nachbau des Hauses von Monet mit dem berühmten Seerosenteich. In der Schleyerhalle ist er natürlich etwas kleiner als in Giverny und mit kitschig-lilablassblauem Blauregen überwachsen. Dieser, mit Kunstrasen ausgelegte, Bereich steht ganz im Zeichen der Interaktion: Am Basteltisch dürfen Kinder ihre eigenen Seerosen ausmalen, die dann eingescannt und dreidimensional gerendert auf dem See unter den kitschigen pinken Blüten schwimmen. Kinder und Eltern schauen den selbstgemalten Blumen dabei gleichermaßen fasziniert zu. Zwei der hier installierten Projektionen nehmen einen besonderen Aspekt aus Monets Werk auf: Die Besucher:innen werden aufgenommen und in kleinen Farbflächen wiedergegeben. Während man wartet, dass man drankommt, ist es eine Freude, zu sehen wie begeistert Senior:innen (weit über 60) vor der Leinwand tanzen und hüpfen und mit der Technik interagieren.

Ein rosanes Haus in einer Halle.
Während im Seerosenteich Blüten der Besucher:innen schwimmen, ist im Inneren des Hauses eine weitere interaktive Leinwand. ©Foto: Pressebild Monets Garten, Schulze.

Monets Werdegang in 3D

Im dritten Raum, der fast schon einer kleinen Halle gleicht, laden Sitzsäcke zum Loungen und Pausemachen ein. Auf Boden und Wänden wird hier die Biographie Claude Monets bebildert: Mit animierten Motiven seiner Bilder, Scans von historischen Dokumenten und Fotografien, die Paris und Giverny im ausgehenden 19. Jahrhundert zeigen. Der Raum ist gut gefüllt, hier herrscht andächtiges Schweigen. Mit großen Augen und Ohren bestaunen und lauschen die Besucher:innen der Erzählstimme, die aus Hörbüchern eigenartig vertraut wirkt und die die wichtigsten Fakten aus Monets Leben wiedergibt. Nur das Piepsen des Kartenscangeräts aus dem Nebenraum macht darauf aufmerksam, dass das immersive Erlebnis gleich vorbei sein wird.

Altbekannte Kunstgeschichte light

„Erleben Sie, wie sich Illusion in Realität verwandelt“ lautet ein zweiter Slogan auf der Webseite von Monets Garten. Doch für die Verwandlung der Illusion in Realität ist das Erlebnis zu lieblos aufgebaut: Die Plastikblumen sehen schon von Weitem nach Kunststoff aus, die immersive Projektion im dritten Raum wird gebrochen, sobald man zu weit nach oben schaut: Hier hängt die Technik durch die offene Decke. Auch die Tatsache, dass die Räumlichkeiten so eng aufgebaut sind, sodass man dauernd darauf achten muss, andere Besucher:innen nicht anzurempeln, bricht jegliche Illusion. Das ist schade, denn vor allem für Menschen, die nicht mit Kunst vertraut sind, werden in den Animationen die zentralen Aspekte aus Monets Werk spielerisch vermittelt: Die Auflösung des Motivs in Farbstriche, der neuartige Umgang mit dem Licht – durch die Interaktion mit den Fotopoints setzen sich die Besucher:innen fast unterschwellig damit auseinander. Erfahrene Museumsgänger:innen wird nichts Neues begegnen. Die biographische Aufarbeitung ist doch schon etwas antiquiert, die Wirkung, die ein Original-Monet auf Kunstfans haben kann, entfällt. Ob Kunstliebhaber: in oder Technikfreak – ein paar amüsante Stunden kann Monets Garten auf jeden Fall bescheren.

Immersive Erlebnisse – nur innovativ?

Pioniere des immersiven Erlebnisses waren die Schöpfer:innen des Atelier des Lumières in Paris. Seit 2018 ermöglichen dort immersive Kunsterlebnisse die Reise durch Kunstepochen und zu herausragenden Künstlern. Denn mit Klimt, Van Gogh, Dalí und Monet wurden bisher nur europäische Männer gewürdigt – dabei wäre ein immersives Erlebnis mit Frida Kahlo sicherlich auch ein Kassenschlager. Hier haben aber die alten weißen Männer der Kunstgeschichte wieder einmal die Oberhand. Da sind die Kunstmuseen dann oft innovativer.

www.monets-garten.de
Hinweis: Da das Fotografieren im Inneren nur für private Zwecke erlaubt ist, verwenden wir im Artikel ausschließlich Pressebilder von Monets Garten.