„Mit Blick auf Adolf Hölzel – Figur und Abstraktion“ im Spendhaus Reutlingen

Im Zentrum der Ausstellung im Kunstmuseum Reutlingen stehen die Werke von Adolf Hölzel. Von Graphitzeichnungen über Aquarelle bis hin zu Pastellen zeigt das Spendhaus elf seiner Werke und die darin sichtbare Wendung zur Gegenstandslosigkeit. Ebenfalls gezeigt werden Werke seiner Schüler:innen, auf die er großen Einfluss hatte. In Kompositionen, Motiven und Konzeptionen lassen sich die Lehrmethoden Hölzels wiederentdecken.

Im Zentrum der Ausstellung im Kunstmuseum Reutlingen stehen die Werke von Adolf Hölzel (18531934). Von Graphitzeichnungen über Aquarelle bis hin zu Pastellen zeigt das Spendhaus elf seiner Werke und die darin sichtbare Wendung zur Gegenstandslosigkeit. Ebenfalls gezeigt werden Werke seiner Schüler:innen, auf die er großen Einfluss hatte. In Kompositionen, Motiven und Konzeptionen lassen sich die Lehrmethoden Hölzels wiederentdecken.

Adolf Hölzel als Künstler, Lehrer und Ärgernis der Königlichen Akademie der Bildenden Künste

Als Künstler und Kunstlehrer sorgte Hölzel bereits 1905 für großes Aufsehen. Nachdem er an die Königliche Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart berufen wurde, nahm seine Beliebtheit im Kollegium stark ab. Mit seinen bis dahin 150 Gemälden im naturalistischen und impressionistischen Stil versprach man sich einen Maler der Dachauer Schule. Hölzel jedoch begann bereits vor seiner Berufung nach Stuttgart, eine künstlerische Entwicklung hin zur Abstrahierung zu durchlaufen. Diese Entwicklung führte er an der Königlichen Akademie in Stuttgart fort, wodurch er auf Unverständnis stieß. 

Geprägt von naturalistischen Stilen hoffte das Stuttgarter Kollegium auf einen Professor für tonige Malerei des 19. Jahrhunderts. So stieß Hölzel während seiner Lehrtätigkeit häufig auf Kritik. Neben seinem Künstlerdasein beschäftigte er sich auch mit künstlerischen Prozessen und hielt diese in theoretischen Schriften fest. Seine Lehre an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart umfasste die Lehre der bildnerischen Mittel und der Farbtheorie mit dem Fokus auf der Entwicklung der eigenen Handschrift der jeweiligen Schüler:innen. 

Im Jahre 1919 beendete er seine Karriere an der Akademie und verstarb 1934. Als Nachfolger wurde Willi Baumeister, ein Schüler Hölzels, eingesetzt. Nach Hölzels Tod beschrieb Baumeister die schwierige Situation an der Akademie wie folgt:

„Ein für die damalige Kunstakademie ganz seltener Fall trat ein: ein Professor entwickelte sich künstlerisch weiter. Er ging kühne Schritte vorwärts. Alle Kunstbeamten und seine Professorenkollegen, besonders die Schlachtenmaler, muß ein Grauen erfaßt haben angesichts einer solchen gefährlichen Wandlung. Mit solcher Malerei wäre Hölzel niemals Professor geworden; aber er wurde der Exponent der Moderne für weitere Gebiete. Er hatte den Blick für das Künstlerische durch das Nichtakademische. Was ihm an revolutionären Kunsterzeugnissen bekannt wurde, griff er auf, er zeigte es seinen Schülern und untersuchte es auf Farbakkorde und verdeckte Konstruktionslinien. Die Grenzen der Kunst wurden durchbrochen, weite, freie Formen taten sich auf, jedoch ging es innerhalb Hölzels eigentlicher Lehre sehr maßvoll zu; nach Regeln mit Diagonalen, Quadraten, Kreisen und dem Goldenen Schnitt.“ Willi Baumeister

Tagesspiegel, Berlin 26.01.1949
Adolf Hölzel, Farbkomposition (ohne Jahr), Pastell, 25 x 35 cm, Kunstmuseum Reutlingen, Foto: Kunstmuseum Reutlingen.
Adolf Hölzel, Farbkomposition (ohne Jahr), Pastell, 25 x 35 cm, Kunstmuseum Reutlingen, Foto: Kunstmuseum Reutlingen.

Abstraktion und Leerraum

Die Werke der Ausstellung „Mit Blick auf Hölzel – Figur und Abstraktion“ spiegeln Hölzels Entwicklungen zu seiner Stuttgarter Zeit wider. Es lassen sich dabei zwei Stränge ausmachen, die er mit seiner Kunst verfolgt. Zum einen ist es die gegenständliche Kunst, die auf Figuren basiert und sich auch häufig an christlichen Themen orientiert, während der andere Strang seine zunehmende Abstraktion zeigt.

Anhand seiner theoretischen Schriften sind die Gedanken Hölzels und seine Entwicklung gut nachzuverfolgen. Bereits 1901 formulierte er wichtige Gedanken zu seiner Auffassung der Moderne, die sowohl seine Schüler:innen prägte wie auch die ganze nachfolgende Künstlergeneration. In seinen abstrakten Werken gibt Hölzel seine eigene Interpretation der Welt wieder, häufig mit einer sich ständig kreisenden Linie. Zu entdecken in seinen Werken sind die pulsierenden Linien und Formen, die teils in Keilform eine Bewegungsrichtung andeuten. Angelehnt an die damalige Musik wird der Rhythmus in seinen Werken sichtbar.

Grundlage seiner Arbeiten und auch seiner zunehmenden Abstrahierung sind die Auseinandersetzungen mit dem Leerraum und der Verbindung von unterschiedlichen Materialien. Während sich seine figurativen Werke an theologischen Themen wie der Anbetung oder der Geburt Christi orientieren, so sind die abstrakten Werke stärker im Geiste des Symbolismus zu verorten. Der Ansatz des Abstrakten bildet sich aus der Verbindung von Malerei und Architektur und reduziert die Szenen auf Formen. 

William Straube, „Variété“, 1923. Pastell, 26,6 x 35,7 cm. Foto: Kunstmuseum Reutlingen

Sein Einfluss auf die nächste Künstlergeneration

Im Spendhaus in Reutlingen werden zu den elf Werken von Hölzel auch unterschiedliche Werke seiner Schüler:innen gezeigt. Die Werke zeigen die Einflüsse des Lehrers auf seine Schützlinge und auch deren Emanzipationen. Aus Hölzels Komponierklasse bildeten sich später zwei bekannte Künstlerzusammenschlüsse: Der Blaue Reiter und die Üecht. Eben diese beiden Entwicklungen lassen sich bereits in den Vergleichen der Werke der Schüler:innen  mit denen des Lehrers sehen. Während sich die eine Gruppe mehr für die Abstraktion entschied, entwickelte sich die andere Gruppe stärker hin zum abstrahierten Körper. 

Fazit zur Ausstellung im Kunstmuseum Reutlingen

Hölzel war ein facettenreicher Mann und legte den Grundstein für die sich aus dem schwäbischen Raum ausbildende Moderne und dennoch geriet er nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit. Überschattet von den großen Namen seiner Schüler:innen verschwand der Lehrer von der Bildfläche, wobei sein Klassenzimmer einen Ort schaffte, an dem die Künster:innen ihre eigenen Handschriften entwickelten. 

Anzuschauen sind die Werke Hölzels und die seiner Schüler:innen noch bis zum 05.02.2023 im Reutlinger Spendhaus. Geöffnet ist die Ausstellung mittwochs, samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr. Donnerstags und freitags können die Werke von 14 bis 20 Uhr angeschaut werden. Zudem gibt es jeden Donnerstag kostenfreien Eintritt in die Ausstellung.