Der Stocherkahn im zentralen Ausstellungsraum der Kunsthalle Tübingen ist zweifelsfrei der Blickfang und Besuchermagnet der Ausstellung. Er bündelt wie ein Brennglas die zentralen Aspekte der Ausstellung „I was told to go with the flow“ und wurde so positioniert, dass er die verschiedenen Themen in die angrenzenden Räume ausstrahlt und so stellvertretend für die Ausstellung gelesen werden kann.
In Christian Jankowskis Werken treten zwei Sphären in Kontakt: Die „Welt der Kunst“ mit den Spielregeln, künstlerischen Normen und Themen des traditionellen Kunstbetriebs und die „Alltagswelt“, die von Formaten der Popkultur, sozialen Interaktionen und kulturellen Normen geprägt ist. Dieser Dialog macht seine Werke einer breiten Zuschauerschaft zugänglich und regt so zur Reflexion und zur Kritik an etablierten Wertesystemen an.

Die Auseinandersetzung mit dem Ausstellungsort spielt daher bei Christian Jankowski eine wichtige Rolle: Der Stocherkahn ist das vertraute Symbol Tübingens, das die verschiedenen Themen der Ausstellung bündelt und dem Publikum näherbringen kann.

Kaum ein anderes Objekt steht so sinnbildlich für Tübingen wie der Stocherkahn. Tourist:innen, Student:innen, Tübinger Einwohner:innen – jede:r lädt den Holzkahn auf dem Neckar mit eigener Bedeutung auf. Durch die Positionierung in der Ausstellung entzieht Christian Jankowski den Stocherkahn seinem Kontext und kann ihn so in neue Bezüge setzen. Diese Reauratisierung negiert aber nicht die Bedeutung des Stocherkahns, sondern hinterfragt und ergänzt die kulturellen Zuschreibungen.
Weitere Arbeiten in der Ausstellung, die sich mit „Aura beschäftigen“:



Der Stocherkahn ist nicht nur ein für Tübingen typischer Anblick, sondern steht auch für Themen, die den Künstler immer wieder beschäftigen: Als Fortbewegungsmittel kann der Kahn als Metapher für das Reisen stehen, verstärkt durch die Transportkisten der nach Tübingen gereisten Objekte. Auch die auf den Kisten angebrachten Zitate aus verschiedenen Ratgeberbüchern stehen für Christian Jankowski sinnbildlich für Tübingen mit seinen vielen kleinen Buchläden. Die verwendeten Bücher stammen aus einer persönlichen Bibliothek, die der Künstler als Nachlass übernommen und gesichtet hat. Der vorige Besitzer hatte die Ratgeber mit Notizen und Anmerkungen versehen und war damit in den Dialog mit den Texten getreten. Christian Jankowski sieht darin Ähnlichkeiten zur Auseinandersetzung mit Werken der Bildenden Kunst, die im Dialog mit den Betrachter:innen ein ähnliches Versprechen der Veränderung beinhalten.

Die Ausstellung beinhaltet alles, was man von einer Christian Jankowski Ausstellung erwartet, inklusive der bekanntesten Werke („Mein Leben als Taube“, „Die Jagd“ etc.). Deren Anknüpfung an die Lebenswirklichkeit der Betrachter:innen schafft einen niedrigschwelligen Zugang zu zentralen gesellschaftlichen Themen ohne dabei zu erschlagen. Stattdessen ist die Ausstellung clever konzipiert, abwechslungsreich und tritt immer wieder in Dialog mit den Räumlichkeiten der Kunsthalle Tübingen.
Weitere Informationen:
Christian Jankowski – Kunsthalle Tübingen (kunsthalle-tuebingen.de)