„I was told to go with the flow.“ Christian Jankowski in der Kunsthalle Tübingen.

Christian Jankowski gehört zu den einflussreichsten Aktions- und Konzeptkünstlern unserer Zeit – und im Moment sind seine Werke in der Kunsthalle Tübingen zu sehen. Die Ausstellung „I was told to go with the flow“ versammelt einige der wichtigsten Werke des Künstlers, die die Ordnung der Kunstwelt auf den Kopf stellen und die etablierten Hierarchien des Kunstbetriebs hinterfragen. Im Zentrum der Ausstellung steht aber ein Stocherkahn.

Der Stocherkahn im zentralen Ausstellungsraum der Kunsthalle Tübingen ist zweifelsfrei der Blickfang und Besuchermagnet der Ausstellung. Er bündelt wie ein Brennglas die zentralen Aspekte der Ausstellung „I was told to go with the flow“ und wurde so positioniert, dass er die verschiedenen Themen in die angrenzenden Räume ausstrahlt und so stellvertretend für die Ausstellung gelesen werden kann.  

In Christian Jankowskis Werken treten zwei Sphären in Kontakt: Die „Welt der Kunst“ mit den Spielregeln, künstlerischen Normen und Themen des traditionellen Kunstbetriebs und die „Alltagswelt“, die von Formaten der Popkultur, sozialen Interaktionen und kulturellen Normen geprägt ist. Dieser Dialog macht seine Werke einer breiten Zuschauerschaft zugänglich und regt so zur Reflexion und zur Kritik an etablierten Wertesystemen an.

Drei Fernseher stehen aufeinander.
„Magic Circle“ beleuchtet das Verhältnis von Kunst und Kunstbetrieb: Es vereint drei Arbeiten Jankowskis, in denen Akteure des Kunstbetriebs in Tiere verwandelt werden. Christian Jankowski: Magic Circle. Ausstellungsansicht. ©Foto: Maik Hanicz.

Die Auseinandersetzung mit dem Ausstellungsort spielt daher bei Christian Jankowski eine wichtige Rolle: Der Stocherkahn ist das vertraute Symbol Tübingens, das die verschiedenen Themen der Ausstellung bündelt und dem Publikum näherbringen kann. 

Ein beladener Stocherkahn auf einem Fluss.
Bevor der Stocherkahn in der Kunsthalle platziert wurde, fuhr Christian Jankowski damit auf dem Neckar. Christian Jankowski: I was told to go with the flow. Ortsspezifisches Projekt für die Kunsthalle Tübingen. 2022. © Foto: Wynrich Zlomke.

Kaum ein anderes Objekt steht so sinnbildlich für Tübingen wie der Stocherkahn. Tourist:innen, Student:innen, Tübinger Einwohner:innen – jede:r lädt den Holzkahn auf dem Neckar mit eigener Bedeutung auf. Durch die Positionierung in der Ausstellung entzieht Christian Jankowski den Stocherkahn seinem Kontext und kann ihn so in neue Bezüge setzen. Diese Reauratisierung negiert aber nicht die Bedeutung des Stocherkahns, sondern hinterfragt und ergänzt die kulturellen Zuschreibungen. 

Weitere Arbeiten in der Ausstellung, die sich mit „Aura beschäftigen“:

Der Stocherkahn ist nicht nur ein für Tübingen typischer Anblick, sondern steht auch für Themen, die den Künstler immer wieder beschäftigen: Als Fortbewegungsmittel kann der Kahn als Metapher für das Reisen stehen, verstärkt durch die Transportkisten der nach Tübingen gereisten Objekte. Auch die auf den Kisten angebrachten Zitate aus verschiedenen Ratgeberbüchern stehen für Christian Jankowski sinnbildlich für Tübingen mit seinen vielen kleinen Buchläden. Die verwendeten Bücher stammen aus einer persönlichen Bibliothek, die der Künstler als Nachlass übernommen und gesichtet hat. Der vorige Besitzer hatte die Ratgeber mit Notizen und Anmerkungen versehen und war damit in den Dialog mit den Texten getreten. Christian Jankowski sieht darin Ähnlichkeiten zur Auseinandersetzung mit Werken der Bildenden Kunst, die im Dialog mit den Betrachter:innen ein ähnliches Versprechen der Veränderung beinhalten.

Ein gefesselter Mann hängt von der Decke.
Das ausgestellte Werk „Travelling Artist“ beschäftigt sich auch mit dem Thema „Reisen“: Es entstand für eine Ausstellung in Kyoto. Christian Jankowski ließ sich mit seinem Reisegepäck in traditioneller japanischer Bondagetechnik aufhängen. Christian Jankowski: Travelling Artist, 2018.

Die Ausstellung beinhaltet alles, was man von einer Christian Jankowski Ausstellung erwartet, inklusive der bekanntesten Werke („Mein Leben als Taube“, „Die Jagd“ etc.). Deren Anknüpfung an die Lebenswirklichkeit der Betrachter:innen schafft einen niedrigschwelligen Zugang zu zentralen gesellschaftlichen Themen ohne dabei zu erschlagen. Stattdessen ist die Ausstellung clever konzipiert, abwechslungsreich und tritt immer wieder in Dialog mit den Räumlichkeiten der Kunsthalle Tübingen.

Weitere Informationen:
Christian Jankowski – Kunsthalle Tübingen (kunsthalle-tuebingen.de)