Interview mit: Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt ist Leiter der Städtischen Galerie Fruchthalle in Rastatt. Wir haben uns mit ihm darüber unterhalten, wie er dorthin gekommen ist und was ihm bei seiner Arbeit wichtig ist.

Sebastian Schmitt hat KUNE in der Galerie Stadt Sindelfingen kennen gelernt – er war dort wissenschaftlicher Volontär, während Paul zunächst Praktikant und später Projektassistent war. Dabei hat Paul Sebastians Art und seine Herangehensweise an Kunst sehr zu schätzen gelernt und freut sich immer wieder von seinen Projekten und Ausstellungen zu hören und sie zu besuchen. Inzwischen ist Sebastian schon seit über einem Jahr der Leiter der Städtischen Galerie Fruchthalle Rastatt – eine gute Gelegenheit, sich bei ihm zu melden und ihn für ein KUNE-Interview einzuladen.

Paul: Hallo Sebastian! Schön, dass du dir die Zeit für das Interview mit KUNE nimmst. Als Einstieg habe ich erst einmal eine ganz basale Frage: Wie bist du denn zur Kunst bzw. zur Kunstgeschichte gekommen? Was hat ursprünglich dein Interesse geweckt?

Sebastian: Da gibt es zwei Schlüsselerlebnisse: Das erste war in der Grundschule. Da haben wir das Bauhaus durchgenommen – mit Paul Klee und Wassily Kandinsky. Das ist zwar ein bisschen klischeehaft, aber mir ist dieser Satz von Paul Klee im Gedächtnis geblieben: „Kunst ist die Sichtbarmachung des Unsichtbaren.“ Als Kind fand ich das total schlüssig und es hat mich total fasziniert, dass man unsichtbare Sachen sichtbar machen kann.
Das nächste bewusste Erweckungserlebnis – und das war vielleicht noch wichtiger – war dann etwas später, etwa mit neun Jahren. Als das ZKM in Karlsruhe gerade neu eröffnet hatte, war ich dort mit meiner Mutter. Dort war die Arbeit „Threshold“ von Bill Viola ausgestellt – man kam in einen kleinen Raum und hat sich dort auf den Boden gesetzt und rundherum an den Wänden waren Projektionen von schlafenden Menschen. Das hat mich fasziniert, weil das eine sinnliche Erfahrung war, die eine neue Welt eröffnet hat.

Sebastian Schmitt vor dem Eingang der Fruchthalle

Interessant, dass das schon im Kindesalter moderne und zeitgenössische Kunstwerke waren, die dich interessiert haben. Wie war das mit älterer Kunst – hat dich das auch interessiert?

Zunächst weniger. Ich bin den Weg in die Kunstgeschichte rückwärtsgegangen, also von der Gegenwart und der Kunst des 20. Jahrhunderts immer weiter in die Vergangenheit. Über Graffiti bin ich in die freie Kunstszene gekommen und habe in Berlin in kleinen Projekträumen mit Freund:innen Ausstellungen gemacht. 2013 habe ich dann meine erste institutionelle Ausstellung zur Mail-Art Szene in der DDR in der Kunstbibliothek Berlin kuratiert. Studiert habe ich an der Fachhochschule Potsdam Kulturarbeit mit Schwerpunkt Kunstwissenschaft und Medientheorie und dann an der Universität Würzburg Kunstgeschichte und Museumswissenschaft.

Auch im Studium habe ich erst mit Gegenwartskunst und Kunst nach 1945 angefangen. Die ältere Kunst kam erst mit Reisen zum Beispiel zur Biennale in Venedig oder zu Ausstellungen im Städel, in der Schirn oder den Pinakotheken. Da sieht man sich auch die historischen Sammlungen an und ausgehend davon habe ich mich immer weiter in die Kunstgeschichte eingearbeitet. Nie werde ich zum Beispiel meinen ersten Besuch der in der Accademia in Venedig vergessen; meine Faszination und Begeisterung für Tintoretto und Lorenzo Lotto dauert seitdem an. Eines meiner Lieblingsmuseen ist die Gemäldegalerie Berlin, weil man da die Genese der Kunst wirklich ablaufen kann – natürlich aber unter einer sehr eurozentrischen und männlichen Perspektive.

Du hattest jetzt erzählt, dass du früh angefangen hast, Ausstellungen zu machen. Was hast du sonst neben dem Studium noch gemacht, was waren sonst wichtige Stationen?

Sehr prägend war meine Zeit als studentischer Mitarbeiter bei Professor Arthur Engelbert, der Kunstwissenschaft und Medientheorie unterrichtet. Er hat mich mit seinem bildwissenschaftlichen Ansatz geprägt: Kunst als ein offener Denkraum, der sich nicht fernab von gesellschaftlichen Zusammenhängen denken lässt, sondern– mit Beuys – aus der Gesellschaft in die Gesellschaft einwirkt. Das ist durch die Museumswissenschaft nochmals verstärkt worden, bei der man Museen auch als soziale Räume denkt. Nach Stationen in unterschiedlichen Institutionen habe ich dann in der Galerie Stadt Sindelfingen als kuratorischer Assistent angefangen, wo wir uns ja auch kennen gelernt haben.

Was machst du dann jetzt gegenwärtig?

Ich bin seit Dezember 2020 der Leiter der Städtischen Galerie Fruchthalle in Rastatt und versuche die Fruchthalle zu beleben, zu öffnen, und als Raum für zeitgenössische Kunst und museumswissenschaftlichen Diskurs im Dreieck zwischen Karlsruhe, Baden-Baden und Freiburg zu verorten. Das mache ich, indem ich mit aufstrebenden Künstler:innen arbeite, die ich mit etablierten Positionen und Werken aus der Sammlung in Beziehung setze. In der Fruchthalle liegt der Schwerpunkt der Sammlung auf Kunstwerken aus Baden und Süddeutschland, die nach 1945 entstanden sind – neben der zeitgenössischen Kunst von Beginn an mein Spezialgebiet. Wichtig ist mir bei den Ausstellungen, besucher:innenorientiert zu denken und zu handeln und trotzdem komplexe Inhalte zu verhandeln.

Eine große Patchworkdecke bedeckt den Boden vor dem Eingang der Fruchthalle und führt ins Innere.
Das Projekt „Eine Unterhaltung im Freien“ während der Ausstellung „On the Quiet“

Gerade der letzte Aspekt ist etwas, das mir bei deiner Arbeit in Rastatt aufgefallen ist. Bei den Ausstellungen ist immer ein breites Programm dabei.

Genau, die Fruchthalle ist der Ausgangspunkt. Ich denke, man muss das Museum als Begegnungsort und Ort der Kommunikation verstehen und nicht nur als Präsentationsfläche für Kunst. Dazu gehört ein Vermittlungsprogramm, das über die üblichen Führungen hinausgeht. Wir hatten zum Beispiel das Projekt Eine Unterhaltung im Freien und den Chaos Comic Club Karlsruhe zu Gast und planen etwa Performances. Die interessieren mich persönlich, unter anderem weil sie eben einen unmittelbaren körperlichen Anknüpfungspunkt für die Betrachter:innen bieten. Das im öffentlichen Raum zu machen, ermöglicht es ein breiteres Publikum zu adressieren. Bei der nächsten Ausstellung bieten wir zum Beispiel aber auch Lachyoga an.

Und was machst du über deine Arbeit in der Fruchthalle hinaus? Das ist ja eigentlich schon das zweite Interview, das wir führen…

Richtig, bei der Ausstellung in der Bergstaffel war ich auch mit dabei. Ich bin noch an verschiedenen Stellen als freier Kurator tätig, zum Beispiel im Kunstverein Rastatt. Auch der Galerie Stadt Sindelfingen bleibe ich noch verbunden und bin hier als Sammlungsmanager für die Digitalisierung der Bestände verantwortlich. Dann schreibe ich Katalogtexte, und vergangenes Jahr hatten wir ein Projektseminar als Kooperation mit der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Das war mit dem Studiengang Ausstellungsdesign und Szenographie und wir haben dabei Interventionen und Vermittlungsformate für die Ausstellung „Schmunzeln – von heiter bis absurd“ in der Fruchthalle entwickelt. Das war für mich auch eine Ehre, da sich hier ein Kreis zu meiner kindlichen Bill Viola Erfahrung geschlossen hat, weil die Hochschule im gleichen Gebäude wie das ZKM beheimatet ist. Zudem haben einige ehemalige Professor:innen der HfG meine eigene kunstwissenschaftliche Herangehensweise beeinflusst.

Ab wann wird „Schmunzeln“ zu sehen sein und welche weiteren Pläne hast Du für die Fruchthalle?

„Schmunzeln – von heiter bis absurd“ eröffnen wir am 8. Juli 2022. Das ist eine Gruppenausstellung mit 12 Positionen, die mit einem Augenzwinkern an die Kunst herangeht und so auch schwierigere Themen präsentieren kann. Eine humorvolle Grundhaltung hilft mit Herausforderungen und unangenehmen Situationen umzugehen. Oft funktioniert das in den Arbeiten zum Beispiel über das Verhältnis von Titel und Werk. Gleichzeitig zu „Schmunzeln“ zeigt auch der Bildhauer Rüdiger Seidt Arbeiten aus verschiedenen Werkphasen in einer Kabniettausstellung.
Davor hatten wir bis jetzt eine neunmonatige Umbauphase aus Feuerschutzgründen. Das war aber auch eine Gelegenheit, das ganze Haus nach 30 Jahren in Schuss zu bringen. Der erste Schritt dafür war es, dass wir für die Ausstellung „On the Quiet“ die mobilen Wände aus dem Ausstellungsraum entfernt haben und das Haus so geöffnet haben.
Während des Umbaus konnten wir natürlich lange keine Ausstellung in der Fruchthalle machen. Deswegen ist die aktuelle Ausstellung „Grafik! Grafik!“ im Stadtmuseum Rastatt zu sehen. Hier zeigen wir Druckgrafik aus der Sammlung der Fruchthalle und Arbeiten der Karlsruher Künstlerin Peco Kawashima – also wieder die Verbindung von zeitgenössischer Kunst und den Beständen. Die Ausstellung ist noch bis zum 6. Juni 2022 zu sehen.

Weiterführende Informationen und Links:

Instagram Sebastian Schmitt
Website der Fruchthalle Rastatt
Instagram der Städtischen Museen Rastatt