Heute wollen wir mit euch kein Museum und auch keine Galerie besuchen. Sondern es geht um jene Kunstwerke, mit denen wir oft unbewusst täglich in Kontakt treten. Zahlreiche dieser Objekte finden sich auf öffentlichen Plätzen, in Stadtgärten oder an Fassaden privater oder öffentlicher Gebäude und begleiten uns auf diese Weise durch den Alltag. Aber nehmen wir diese Schätze wahr?
Kunst im öffentlichen Raum
Die Hürde, Kunst im öffentlichen Raum zu rezipieren, ist niedrig. Aber gerade diese Kunst wird nicht immer als bewusst gestaltetes Werk wahrgenommen: „Ist das Kunst?“ ist hier die oft gestellte Frage. Kunst im öffentlichen Raum ist sichtbar, macht nachdenklich, kann provozieren und polarisieren. Es entsteht ein facettenreicher Dialog zwischen Kunstobjekt und Umfeld. Daran können auch wir teilhaben.
Kunst in der Stadt Dornbirn
Um allen diese Teilhabe zu ermöglichen, hat es sich das Stadtmuseum Dornbirn bereits im Jahr 2015 zur Aufgabe gemacht, Kunst im öffentlichen Raum zu beschreiben, fotografisch zu dokumentieren und der Öffentlichkeit vorzustellen. Eine kleine Auswahl von fünf dieser künstlerischen Highlights stellt uns Atessa, ehemalige Projektmitarbeiterin, in diesem Beitrag vor.
Zeit und Reise von Christoph und Markus Getzner
Kommt man mit dem Zug in Dornbirn an, wird man hier bereits von Kunst empfangen. In der Bahnsteigunterführung befindet sich seit 2007 eine Installation mit dem Titel „Zeit und Reise“ der Vorarlberger Künstler Christoph und Markus Getzner. Für den Dornbirner Bahnhof gestalteten die Brüder zwei großflächige, hinterleuchtete Glasflächen, die den Schriftzug tragen: „von einigen die am morgen zu sehen sind sind einige am abend nicht mehr zu sehen von einigen die am abend zu sehen sind sind einige am morgen nicht mehr zu sehen“.
Der Bahnhof ist ein Ort des Abschieds und des Wiedersehens, aber auch der Anonymität und des Zusammentreffens von Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Kulturen. Oftmals herrscht an Bahnhöfen geschäftiges Treiben. Am Bahnhof spielt der Faktor Zeit und das Thema Reise eine wesentliche Rolle. Diese Aspekte verarbeitete das Künstlerduo in verschiedenen Szenerien, die sowohl märchenhafte Elemente als auch Verweise auf Spiritualität und Tod beinhalten. Einzelne Bestandteile des Kunstwerkes bleiben jedoch rätselhaft und laden deshalb umso mehr zum Innehalten ein. Zeit ist folglich auch erforderlich, wenn man sich Kunst im öffentlichen Raum nähern möchte. Man sollte sich Zeit nehmen, um sich darauf einzulassen. Vielleicht geht man auch einmal um das Kunstobjekt herum und nimmt – wie bei einer Reise mit zahlreichen neuen Eindrücken – eine andere Sichtweise ein.
Unterschiedliche Blickwinkel – Aufstieg von Herbert Albrecht
Andere Perspektiven ermöglicht die Bronze-Skulptur des kürzlich verstorbenen Künstlers Herbert Albrecht. Der Bildhauer, der zu den bedeutendsten Pionieren der modernen Plastik des Bundeslandes Vorarlberg gehört, beschäftigte sich vor allem mit dem Menschen. Diesen stellte er in sitzender oder stehender Position dar oder reduzierte ihn auf den Kopf. Die auf dem Vorplatz des WIFI Wirtschaftsförderungsinstituts in der Bahnhofstraße zu findende Arbeit trägt den Titel „Aufstieg“ und besteht aus mehreren geometrischen Elementen. Die Skulptur scheint sich dabei nach hinten zu lehnen. Je nach Tageszeit und Position eröffnen sich uns neue Betrachtungsweisen. Es lohnt sich daher, das Kunstobjekt von allen Seiten zu betrachten.
„Die vier letzten Dinge“ – Kriegerdenkmal von Josef Huber
Geht man von der Bahnhofstraße weiter zum zentral gelegenen Marktplatz, ist bereits von weitem der alleinstehende Turm der Stadtpfarrkirche St. Martin zu sehen. Treten wir näher, entdecken wir oben an der Eingangsfassade des Kirchenschiffs ein rund 23 m langes und 6 m hohes Monumentalbild des Feldkircher Künstlers und Kirchenmalers Josef Huber. Die Wandgestaltung mit dem Titel „Die vier letzten Dinge“ stammt aus dem Jahr 1923 und wurde von der Stadt Dornbirn für die Gefallenen und Vermissten des Ersten Weltkrieges in Auftrag gegeben. Wie es der Werktitel schon andeutet, zeigt die großformatige Arbeit über dem Eingang der Kirche den Tod, das Jüngste Gericht sowie Himmel und Hölle.
Auf der linken Bildseite wird auf den Tod in ungewöhnlicher Form mit gefallenen und verwundeten Soldaten, mit Waisen und Witwen hingewiesen. Im Himmel ist die Heilige Familie zu sehen; zu erkennen ist auch St. Martin, der Patron der Stadtpfarrkirche, der für die Gefallenen fürbittend niederkniet. Als Weltenrichter ist Jesus Christus in der Bildmitte abgebildet. Die rechte Seite des Monumentalbildes verweist auf die Hölle: Kämpfe von Engeln und dem Erzengel Michael mit dem Bösen. Deutlich ist aber auch eine Gruppe von Persönlichkeiten zu erkennen, die sich in dichterischer, theologischer oder malerischer Weise mit dem Thema „Hölle“ auseinandergesetzt haben wie beispielsweise Dante Alighieri, Johannes Chrysostomos und Peter Paul Rubens.
Diese Arbeit beeindruckt nicht nur aufgrund ihrer inhaltlichen Vielseitigkeit und ihres einzigartigen Formats, sondern leistet darüber hinaus einen Beitrag zur lokalen Erinnerungskultur.
Vielseitiger Zugang – Quellpyramide von Caroline Ramersdorfer
Nur ein paar Schritte von der Kirche entfernt schlängelt sich einem Flusslauf gleich ein weiteres Kunstwerk durch einen Bereich der Fußgängerzone. Die „Quellpyramide“ wurde 1989 von Caroline Ramersdorfer gestaltet. Die aus Lustenau stammende Künstlerin beschäftigt sich insbesondere mit der Gegenüberstellung von harten und weichen Materialien, dem Stein und seinen verschiedenen Schichten, aber auch mit Zwischenräumen und Licht. Diese Themenbereiche finden sich auch hier in diesem Werk wieder:
Aus einer zweigeteilten Pyramide – Dornbirns Bergwelt und das Rappenloch symbolisierend – rinnt Wasser, das in einer mit Steinen gestalteten Rinne – der Dornbirner Ache – mäandrierend durch die Passage verläuft und unter einer Brücke hindurch zu einem runden Becken – dem Bodensee – fließt.
Der Verlauf des Wassers erzeugt einen dynamischen und spielerischen Charakter und weckt nicht nur die Aufmerksamkeit der Erwachsenen, sondern auch die der Kinder. Öffentlich sicht- und erlebbare Kunst bietet demnach verschiedene Anknüpfungspunkte für jede Altersgruppe.
Dialog mit der Natur – Marie von Alexandra Berlinger
Kunst im öffentlichen Raum ist auch im Dornbirner Stadtgarten, unweit des Marktplatzes, zu sehen. Die Kunstobjekte treten hier in direkten Dialog mit Wiesen, Bäumen und zahlreichen Pflanzen. Auf diese Weise wird der Stadtgarten zu einem Ort des Verweilens für Groß und Klein.
2000 wurde der Aktionstag „F.i.T. – Frauen in technische Zukunftsberufe“ ins Leben gerufen. Zum 10-jährigen Jubiläum wurde daraufhin ein Wettbewerb unter Vorarlberger Künstlerinnen ausgeschrieben, den Alexandra Berlinger aus Bregenz mit ihrem Kunstwerk „Marie“ gewann.
Für diese Arbeit ließ die Künstlerin 114 junge weibliche Auszubildende den eigenen Vornamen sowie jene einer ausgewählten namhaften Technikerin oder Wissenschaftlerin handschriftlich niederschreiben. Alle Schriftzüge wurden anschließend digitalisiert und aus dünnem Stahlblech geschnitten. Zusammengeschraubt und an einem Edelstahlgestänge angebracht, scheinen die Vornamen nun im Stadtgarten zu schweben. In unmittelbarer Nähe ist auch der erwähnenswerte H-Würfel des Liechtensteiner Künstlers Georg Malin zu sehen.
Vielfalt der öffentlichen Kunst in der Stadt Dornbirn
Schon anhand dieser wenigen subjektiv ausgewählten Beispiele in Dornbirn wird deutlich, wie vielseitig Kunst im öffentlichen Raum sein kann. Es lohnt sich, einmal genauer hinzuschauen – nach oben, nach unten, nach rechts und links. Zahlreiche Perspektiven werden ermöglicht für Betrachter:innen jeden Alters. Kunst im öffentlichen Raum lädt zum Verweilen, Nachdenken und Erinnern ein.
In Dornbirn hat man aber weit mehr zu entdecken als nur die hier vorgestellten Kunstwerke. Ein Ausflug in die größte Stadt Vorarlbergs lohnt sich!
Zum Abschluss noch ein kleiner Tipp: Das Stadtmuseum Dornbirn bietet eine Spezialführung zu Kunst rund um den Marktplatz an.