„Herzstücke. Sammlung Kunsthalle Emden“ in der Kunsthalle Tübingen 

Mit der Sammlung von Henri Nannen hat die Kunsthalle Tübingen ein Kleinod aufgetan. Die Leihgeber der Kunsthalle Emden zeigen einige ihrer bedeutendsten Werke nun in Tübingen. Und Nicole Fritz gibt der Ausstellung noch einen ganz besonderen Twist!

Wie die Herzstücke nach Tübingen kamen 

Mit der Eröffnung der Ausstellung wird ein lang geplantes Projekt Wirklichkeit: Schon 2019 waren die ersten Vorbereitungen abgeschlossen, kurz vor dem Transport der Kunstwerke nach Tübingen begann die Coronapandemie und die Ausstellung wurde verschoben. Jetzt, so Nicole Fritz (Leiterin der Kunsthalle Tübingen), ist sie ein wundervolles Zeichen für den Neustart. Sie bietet den Besucher:innen endlich wieder Kunstgenuss vor Originalen. Die Kunsthalle Emden ließ sich dafür nicht bitten: Nicole Fritz hatte freie Auswahl aus den Werken und suchte sich zielgerichtet einige der Highlights der Sammlung Henri Nannen aus. 

Die Sammlung Henri Nannen 

Das Herzstück, nicht nur der Ausstellung in Tübingen, sondern auch der Kunsthalle Emden, ist die Sammlung von Henri Nannen. Der Verleger und Publizist stiftete seine Sammlung und sein Vermögen zum Aufbau der Kunsthalle Emden. Als Sammlerpersönlichkeit suchte er nicht nach Stilen oder großen Namen, sondern wählte die Werke ganz subjektiv aus. Eines der Hauptkriterien war, dass die Kunst den Betrachtenden emotional berühren sollte. Daher finden sich in seiner Sammlung neben den bekannten Malern wie Franz Marc und Emil Nolde auch unbekanntere Maler:innen, denen er als Mäzen die gleiche Aufmerksamkeit schenkte. 

Die Ausstellung „Herzstücke“ in der Kunsthalle Tübingen 

In der Tübinger Ausstellung finden sich daher große künstlerische Positionen, aber auch qualitativ hochwertige Werke bisher weniger bekannter Künstler:innen. Ausgangspunkt der Ausstellung ist der   Expressionismus, deren Maler:innen neue Ausdrucksformen in der Natur suchten. Paula Modersohn-Becker ist hier genauso präsent, wie die Künstler der Brücke. Hanns Ludwig Katz und Josef Scharl sind zentrale Künstler der Kunsthalle Emden und stehen in Tübingen stellvertretend für die Neue Sachlichkeit und die Gesellschaftskritik in der Kunst nach dem ersten Weltkrieg. 

SPUR und CoBrA waren zwei Künstlergruppierungen, die sich nach 1945 auf die Fahnen geschrieben hatten, eine Malerei der Zukunft zu entwerfen, die sich auf Erfahrung, Gefühl und das Unbewusste stützen sollte. Die Neuen Wilden schließlich bilden in der Ausstellung den Schritt in die Gegenwartskunst. Nach dem Boom der Konzept- und Performancekunst der 1960er und 1970er Jahre, konzentrierten sich in den 1980er und 1990er Jahren auf die Malerei – und knüpfen an viele Themen an, die auch die Expressionisten beschäftigten.   

Das Expressive in der Kunst  

Der rote Faden der Ausstellung, das Expressive in der Kunst, beginnt im Expressionismus und verändert seine Bezugspunkte im Verlauf der Ausstellung: Die Künstler:innen suchen nach neuen Ausdrucksformen für das Verhältnis von Kunst und Natur, Kunst und Gesellschaft, Kunst und Subjekt und nicht zuletzt Kunst und Kunst. 

„Wer malt denn da?“ von Lunar Ring 

Der letzte Raum ist der Frage gewidmet, was die Kunst zur Kunst macht und wie der kreative Schaffensprozess aussehen kann. Die Installationen der Kunst- und Mediengruppe Lunar Ring lassen Künstliche Intelligenz die Essenz aus Werkgruppen filtern (1902-2012) oder sie verarbeitet den kreativen Input der Besucher:innen zu eigenen Werken (Mal mit mir!). Die von Lunar Ring programmiert KI nähert sich der Kunst in ähnlicher Weise an, wie das menschliche Gehirn und stellt so die Frage: „Können Maschinen kreativ sein?“

Ein abstraktes Gemälde-
Lunar Ring. Filmstill. Brücke vs. Brücke. 2020. ©Foto: Lunar Ring.

KUNE meint… 

Die Ausstellung zeigt eine Auswahl bekannter Künstler:innen, die stellvertretend für ihre Zeit stehen. Einige sind mit ihren beliebtesten Werken vertreten, die publikumsfreundlich aufgereiht sind. Ist die Ausstellung also nur eine gut ausgewählte Werkschau von Künstler:innen, die Publikum garantieren? Nein – sie weist darüber hinaus. Grund dafür ist die Installation von Lunar Ring, die das Expressive in der Kunst weiterdenkt und die künstlerische Kreativität hinterfragt. Somit wird aus der reinen Darstellung der Entwicklung des Expressiven in der Kunst eine kritische Auseinandersetzung mit der Kunst, an der die die Besucher:innen aktiv teilhaben können. Und wer das nicht möchte, kann sich an der hochkarätigen Werkauswahl der Sammlung Henri Nannen erfreuen. 

Die Ausstellung ist noch bis 6. Juni in der Kunsthalle Tübingen zu sehen. Aufgrund der hohen Nachfrage gelten erweiterte Öffnungszeiten: Mo-So 11-18 Uhr, Do 11-19 Uhr. 

www.kunsthalle-tuebingen.de