Im Gespräch mit: Felisa Rauschenberger

Bürde oder Geschenk? Die Lust sich künstlerisch entfalten zu wollen, wurde Felisa Rauschenberger definitiv mit in die Wiege gelegt. Ob literarisch, musikalisch oder künstlerisch – die Powerfrau und Dreifachmama lässt Gefühlswelten explodieren.

Felisa Rauschenberger ist Unternehmerin, Kinderbuchautorin, Sängerin und Dreifachmama. In unserem Interesse steht allerdings ihre fünfte Gabe: Ihre Arbeit als Bildende Künstlerin. Sara hat sich darüber mit ihr unterhalten und viel über Gefühl, Intuition und Farbe erfahren.

Die Person Felisa Rauschenberger

Felisa Rauschenberger sitzt auf dem Boden und lacht.
Porträt von Felisa Rauschenberger. Foto: ©Christina Hohner (www.hohner-photography.de).

Vielleicht möchtest du gerne etwas zu deiner Person erzählen? Wer bist du? Wo lebst und arbeitest du und wie bist du zur Kunst gekommen? Ausbildung, Studium oder Autodidaktin?

Ich lebe mit meinen drei Kindern und meinem Mann in der Nähe von Ludwigsburg. Eine künstlerische Ausbildung habe ich nicht. Im Abi hatte ich Kunst als Leistungskurs, dieser wurde von einem Künstler geleitet und hat mir die Basics vermittelt. Ich glaube, das hat in mir viel bewirkt – über die Jahre habe ich verschiedenste Techniken einfach weiterentwickelt. Ich bin auch der Meinung, dass man als Künstler*in geboren wird – eine Gradwanderung zwischen Bürde und Geschenk. 

Die Kunst lief Zeit meines Lebens eher nebenher. Zwischen dem 18. und 29. Lebensjahr habe ich so ziemlich 24/7 gearbeitet. Mittlerweile arbeite ich immer noch viel, wir haben eine Marketingagentur aufgebaut, aber es ist alles anders verteilt. Ich habe auch das große Glück, dass mein Mann mit seinem Beruf eine finanzielle Basis bildet und ich mir Zeit für meine Kunst nehmen kann, ohne davon abhängig zu sein.

Kunst ist Gefühl!

Der Arbeitsprozess

Wie würdest du deinen Arbeitsprozess beschreiben?

Sehr unterschiedlich. Viel mit Wasser, verschiedenen Acrylfarben, Wandmalfarben. Ich arbeite sehr gerne in drei Schichten. Arbeite viel mit Naturmaterialien: Sand, Stein, Gips etc… das muss erst einmal trocknen bis die zweite Schicht aufgetragen werden kann. Danach lasse ich es wieder trocknen und gebe dem Kunstwerk in der dritten Runde das Finish. Für mich ist es wichtig, dass der künstlerische Prozess spannend bleibt. Das Wichtigste ist, spontan zu reagieren und vor allem das Gefühl, die Prozesse leiten zu lassen. 

Das heißt du bist völlig von deiner Intuition geleitet?

Ja genau. Ich fange einfach an.

Felisa Rauschenberger in ihrem Atelier. Sie hält eine frisch bemalte Leinwand in ihren Händen.
Felisa Rauschenberger in ihrem Atelier. Foto: ©Christina Hohner (www.hohner-photography.de).

Bei meiner Recherche zu deinen Gemälden konnte ich kein Format kleiner als 100x100cm finden – dafür aber sehr viel größere, womit hängt das zusammen?

Ich male einfach unglaublich gerne auf große Leinwände. Meine einzige und eigentliche Begrenzung ist der Lastenaufzug in unserem Studio bzw. unserer Agentur. Mein Atelier ist in einer alten Fabrik/ Lofträumlichkeit, in der auch unsere Agentur und unser Open-Space mit Fotostudio unterkommen. In den unteren Räumen ist unsere Produktionsfirma. Meine Atelierwände sind damit auch schön hoch. Das heißt, hier beschränkt mich eben nur der Lastenaufzug. Die ganz großen Leinwände male ich am absolut liebsten. Ich hatte in letzter Zeit Anfragen für kleinere Formate, deswegen habe ich das nun teilweise umgesetzt.

Neulich habe ich, für eine Kooperation mit der Galerie Artvergngügen, das kleinste Format (50x50cm) meines Lebens gemalt. Das ist sowohl eine Online-Galerie, als auch eine physische Galerie in Osnabrück. Artvergnügen hat, ohne einen Knebelvertrag, Werke bei mir bestellt: Insgesamt 15 Stück, darunter die Formate 50x50cm und 100x100cm. Diese Bilder sind auch direkt dort und können vor Ort ver-/gekauft werden. Die einzige Auswirkung auf mich ist die Preisbindung für die gleichen Formate in meinem Atelier, weil ich natürlich auch bei mir verkaufe. Interessent*innen sind immer recht herzlich in mein Atelier eingeladen. 

Wie lange arbeitest du an einem Werk und wann merkst du, dass es fertig ist? Gibt es eine Leinwand mit der du unzufrieden bist, die du herumstehen hast und weißt, da muss ich nochmal ran?

Ich male selten nur ein Bild. Bei den großen Formaten male ich meistens 1-2 Bilder parallel und bei den Kleineren, die ich zum Beispiel für die Kooperation mit Artvergnügen gemalt habe, waren es häufig bis zu sechs Stück parallel. Die passen dann zueinander, können aber auch einzeln für sich wirken. 

Während meines Schaffens fühlt es sich teilweise fast irreal an, eine Art Verbindung, wie ein künstlerischer Fluss, der durch einen hindurch läuft. 

Manche hole ich tatsächlich nochmal raus und mache noch etwas. Aber wann ein Bild fertig ist, ist ein Gefühl. Dabei sind manche ganz voll und manche ganz leer. 

Hast du für deine Bilder ein bestimmtes Farbkonzept?

(Lacht) Nein gar nicht. Mein Konzept ist, dass ich alles voll stehen habe mit Farbe. Zig Farben, Acrylkleber, Spachtel, Naturmaterialien… damit ich überall hingreifen kann. Meistens weiß ich gar nicht mit was ich anfangen soll und folge meinem Gefühl. 

Du scheinst viel mit Händen und auch teilweise mit deinen Füßen zu arbeiten, sehr expressiv?! Wie „weit“ gehst du in/auf die Leinwand, um zu arbeiten und kann man hier dann fast von Aktionskunst sprechen?

Ich weiß nicht, ob es Aktionskunst ist, aber es hat vielleicht schon einen Touch davon. Ich hänge teilweise unten auf den Knien, über Kopf – eher wie ein künstlerisches Yoga, deswegen male ich auch immer in bequemen Klamotten.

Felisa Rauschenberger schnürt ihre Arbeitsschuhe, die voll mit Farbe bedeckt sind.
Felisa Rauschenberger schnürt ihre Arbeitsschuhe. Foto: ©Christina Hohner (www.hohner-photography.de).

Emotion • Farbe • Gefühl

Natürlich liegt bei einer Dripping oder Pouring- Technik der Vergleich, bzw. die Rezeption mit Jackson Pollock nahe. Auch, dass viele deiner Gemälde im Längsformat zu finden sind (140x70cm zum Beispiel). Fühlst du dich dem abstrakten Expressionismus verbunden?

Habe ich überhaupt nicht. Ich finde häufig kleine Künstler*innen, z.B. über Insta spannend. Ich würde mich aber auch nicht zu hundertprozentig der Künstler*innenszene zuordnen. Mein Alltag ist zwar voll von Farbe und ich laufe Kunst über den Weg, aber es ist nicht so, dass viel hängen bleibt. 

Ich bin mehr wie ein Schmetterling. Ich fliege durch mein Leben so hindurch.

Gibt es eine bestimmte Epoche der Kunstgeschichte, die für dich ein besonderes Gefühl auslöst, gar Lieblingskünstler*innen? 

Ich kann mich auch an keiner Epoche festmachen. Überall gibt es etwas. Wie in der Musik. Es gibt für jeden Moment und jede Stimmung irgendein Lied aus einem anderen Genre. Ich suche auch aktiv nie nach einer Inspiration für meine Kunst. Die Gefühle und das Leben sind Inspiration genug. 

Ein Kunstwerk von Felisa Rauschenberger. Blaue, Gelbe und Grüne Farbe definiert die Leinwand.
Felisa Rauschenberger. No name (#20102). Mischtechnik auf Leinwand, 200×240 cm. Foto: ©sydoo.studios (www.sydoo.de).

Generell sprichst du viel von Gefühl, Emotion…Kann man positive wie negative Emotionen in deinen Werken finden? Bzw. die Energie, die sich von dir auf die Werke überträgt – gibt es Techniken oder Farben, die du eher an schlechten Tagen verwendest als an guten?

Gute Frage. Das kann ich dir gar nicht richtig beantworten. Das wechselt so oft. Ein Bild, das ich in einer traurigen Stimmung gemalt habe, sehe ich am nächsten Tag manchmal ganz positiv und fröhlich. Gleiches mit Bildern, die in Wut gemalt wurden. Wobei ich selten wütend male, allerdings ist das Endergebnis so etwas positiv behaftetes, dass es eine gute Energie hinterlässt am Ende.

Die Kunst ist für mich ein tolles Ventil um Gefühle aufzufangen. Meine Art und Weise, mein Gefühl.

Am Ende bleibt es meistens bei Friede!

Mir ist es wichtig, dass Menschen ihre eigenen Gefühle in meinen Bildern sehen. Jedes Bild ist für mich positiv. Alle Bilder sind ein Geschenk und mit jedem Bild gehe ich einen positiven Weg, egal in welcher Stimmung ich das gemalt habe.

Du sagst, dir ist das wichtig, dass Menschen ihre eigenen Gefühle in deinen Werken sehen. Auf deiner Webseite steht ein Zitat: „I do not name my works – i want them to be free!“ Tatsächlich findet man keinerlei Titel zu deinen Kunstwerken, nur Nummern. Hat diese „Freiheit“ etwas mit dem eben Gesagten zu tun?

In dem Moment wo man einem Bild einen Namen gibt, beeinflusst man die Person, die sich das anschaut. Ich möchte, dass die Menschen frei sind in ihrer Betrachtung. In der Kunst gibt es für mich kein schön oder hässlich, vor allem ein individuelles Gefallen. 

Kannst du denn die Nummern deinen Bildern zuordnen?

(Lacht) Nein nein, die sind wirklich nur für den organisatorischen Hintergrund. Also eigentlich völlig unwichtig. 

Hast du ein Lieblingsbild?

Eigentlich mag ich alle meine Bilder, aber es gibt eins, das ich nicht so gerne mag, was aber das Lieblingsbild von meinem Mann ist und witzigerweise schon von mehreren als Lieblingsbild deklariert wurde.

Felisa Rauschenberger in ihrem Atelier vor Leinwänden. Die Künstlerin schüttet Farbe aus einem Eimer auf die Leinwand.
Felisa Rauschenberger im künstlerischen Prozess. Foto: ©Christina Hohner (www.hohner-photography.de).

Was unterscheidet dich von anderen Künstler*innen, die abstrakt arbeiten? 

Das muss jede*r für sich selbst entscheiden und ich bin überhaupt niemand, die sich zu den Seiten umschaut. Ich bin einfach nicht der Typ Mensch, die sich vergleicht oder eifersüchtig umsieht. Ich mache einfach mein Ding und ich freue mich sehr, wenn sich jemand in meiner Kunst wiederfindet. 

Wenn du dir eine Stadt/ein Haus/ein Museum aussuchen dürftest: Wohin würdest du gerne eines deiner Bilder schicken/verkaufen/aufhängen und wieso?

Ich finde es gar nicht so wichtig, wo meine Bilder hängen. Sie sollen bei Menschen ankommen und geschätzt werden. Es ist egal, ob sie in einer kleinen Wohnung, einem riesigen Haus oder in der Staatsgalerie hängen. Sie sollen eine Reise und anderen eine Freude machen. Natürlich freut es mich als Künstlerin, wenn viele Menschen meine Bilder sehen. 

Für alle Löwinnen

Wie hat die letzte Zeit dein Schaffen verändert? Hat Corona dich oder deine Arbeitsweise beeinflusst/verändert?

Ich glaube nicht, dass sich meine Art und Weise zu Arbeiten verändert hat. Ich kam nur einfach viel weniger dazu. Mit drei Kindern und einem selbständigen Mann, in dessen Unternehmen die Coronakrise harte Auswirkungen bedeutete, hat bei uns einfach die Bude gebrannt. Aber wenn ich zum Malen kam, hat mir das sehr viel gebracht zu meinem eigenen Ausgleich. Und ich habe auch während der Zeit ein Lied für alle Mamas geschrieben (Lied 2, 9:48 min). Für alle Löwinnen da draußen. Es soll eine Runde Kraft schenken und ein Gesehenwerden.

Das passt gut zur nächsten Frage: Offensichtlich bist du nicht nur in der bildenden Kunst unterwegs! Du hast auch ein Kinderbuch geschrieben sowie dazu illustriert, außerdem schreibst du Liedtexte und singst sie zum Teil auch selbst!?

Fangen wir beim Buch „MERKWÜRDIG will tanzen“ an. Du beschreibst es selbst als Kunst-Kinderbuch. Weshalb und inwiefern spielt deine Art künstlerisch tätig zu sein in dem Buch eine Rolle? 

Das Buch habe ich zusammen mit meinen Kindern im ersten Corona Lockdown geschrieben und mit meinen Kindern zusammen illustriert. Am gleichen Abend, an dem die Idee aufkeimte, entstanden die ersten Texte in Kooperation mit meinem großen Sohn […]. Im Kinderzimmer entstand dann eine Art Heimatelier. Ich habe den Text vorgelesen und meine Kinder haben intuitiv dazu gemalt.

Ein Buch von einer Familie für Familien.

Im ersten Lockdown habe ich meinem jüngsten Kind sehr sehr viele Bücher vorgelesen und war inspiriert, etwas Neues zu machen. Ein Buch, das Messages enthält, wie zum Beispiel: Es ist wichtig, dass du freundlich bist. Es ist wichtig, wie du bist und nicht wie du aussiehst! Wertevermittlung war mir wichtig und ein besonderer Anspruch an die Sprache. Der Text hat viel Tiefe und ist etwas poetisch, hier finden sich jüngere Kinder aber eben auch ältere Kinder wieder – in ganz unterschiedlichen Ebenen. Ich finde es wichtig, dass Kinder das nicht von vornherein komplett verstehen. Es soll kontinuierlich begleiten und prägen. Ein Buch, das mitwächst.

Das Frontcover von Felisa Rauschenbergers selbst geschriebenem Kinderbuch: Merkwürdig will tanzen. Es liegt auf dem Boden.
„MERKWÜRDIG will tanzen“, ein Kinderbuch von Felisa Rauschenberger. Foto: ©sydoo.studios (www.sydoo.de).

Zu den Illustrationen: Es war mir wichtig die Kinder (nicht nur meine) sowohl zu Text als auch Bild heranzuführen. Kunst in die Kinderzimmer zu bringen. Wenn Kinder früh Zugang zur Kunst bekommen, prägt Kinder das und sie können ihren eigenen Zugang dazu ganz natürlich finden.

Abstrakt zu illustrieren hat sich hier angeboten, weil ich vor allem die Gefühle malen wollte. Kinder sehen so viel in den Bildern, ich vergleiche sie gerne mit Wolkenbildern – immer etwas zu entdecken.

Zu deiner Musik: Hast du das Gefühl, dass die Liedtexte deine Bilder beeinflussen oder andersherum? 

Gar nicht. Die zwei Bereiche sind völlig voneinander getrennt. Allerdings haben beide Bereiche etwas mit meinen Gefühlen zu tun. Meine Lieder sind eher sanft und meine Bilder haben eine andere Energie. 

Wo siehst du dich künstlerisch in 10 Jahren?

Das ist ja eine schwere Frage. Mich selbst sehe ich, auf das Leben bezogen, am liebsten in 10 Jahren mindestens ein halbes Jahr irgendwo, wo es ein Meer gibt. Man bleibt häufig irgendwo „hängen“, auch aus positiven Dingen. Ich hoffe aber dennoch, dass ich da noch hinkomme. Irgendwo ein Atelier zu haben, in Meeresnähe entweder unter freiem Himmel oder in einem Glas/Wintergarten, wo ich außen herum nur Pflanzen und Natur sehen kann und ich dort malen kann. Und natürlich wäre es schön, wenn meine Werke in Haushalten oder Institutionen hängen, auf jeden Fall so, dass sie gesehen werden und ich würde mir wünschen, dass meine Musik weiterhin gehört wird.

Vielen Dank für das tolle und ehrliche Gespräch, liebe Felisa. Das Team Kune und ich wünschen dir weiterhin viel Erfolg und vielleicht sehen wir uns in zehn Jahren am Meer in deinem Outdoor Atelier wieder.