Im Gespräch mit: Karin Brosa

Inwiefern greift der Druckprozess in die künstlerische Handlung mit ein? Wir haben die Künstlerin Karin Brosa über ihre Arbeit in der Tiefdruckwerkstatt interviewt und dabei spannende Einblicke bekommen. In ihrer Kunst experimentiert sie mit verschiedenen Drucktechniken, um ganz unterschiedliche Lebenswelten aufeinanderprallen zu lassen. Durch die irritierenden Kombination wirft sie humorvolle aber sozialkritische Fragen auf.

Die Künstlerin Karin Brosa kombiniert in ihren Arbeiten nicht nur verschiedenste Radier- und Drucktechniken, sondern auch Elemente aus verschiedenen Anwendungsbereichen des Drucks in einer humoristischen, oft auch satirischen Weise. Naturwissenschaftliche Illustrationen treffen in ihren Bildwelten auf Szenen, die der Berichterstattung entnommen sind, technische Illustrationen schwimmen auf Wellen, die mehr der literarischen Illustration verpflichtet sind. Meistens behält sie die Charakteristiken dieser Druckwelten bei und zeigt durch den entstehenden Bruch unterschiedliche gesellschaftliche Welten auf, die durch ihr Aufeinanderprallen Fragen aufwerfen.

Die Drucktechniken sind nie im Vordergrund ihrer Arbeit, immer ist der Inhalt das tragende Element. Inwiefern greift der Druckprozess in die künstlerische Handlung mit ein? Wir haben die Künstlerin Karin Brosa zu ihrer Kunst in der Tiefdruckwerkstatt interviewt und dabei spannende Einblicke bekommen.

Karin Brosa. Formlos, 2015. Radierung (Strichätzung, Aquatinta, Kaltnadel), 29,6 x 19,3 cm. Bild: Karin Brosa.

Hallo Karin, danke, dass Du uns aus Deiner Druckwerkstatt erzählen möchtest. Magst Du Dich kurz vorstellen. Wer bist Du, wo lebst Du?

Ich lebe seit fünf Jahren als freischaffende Künstlerin in Essen und pendle seit zwei Jahren nach Marburg. Ich bin dort an der Uni Lehrkraft für besondere Aufgaben. Meine Schwerpunkte liegen im Bereich Druckgraphik, vor allem im Bereich des Tiefdrucks, und in der Malerei. 

Wie bist Du dahin gekommen wo Du jetzt bist?

Über Umwege sozusagen. Ich hatte zunächst Pharmazie studiert, wollte aber immer Kunst machen. Es gab dann irgendwann den Punkt in meiner Arbeit als Apothekerin, an dem ich gemerkt habe, entweder änderst Du jetzt etwas oder Du bist nicht so ganz zufrieden mit Deinem Leben. Ich habe mich dann an der AKA in Stuttgart beworben und begonnen, Kunst zu studieren. 

Wann genau kam bei Dir die Idee, dass Du Künstlerin werden könntest?

Eigentlich hatte ich die schon sehr lange, schon in der Schulzeit, aber da hatte ich mich noch nicht so richtig getraut, freischaffende Künstlerin zu werden, Lehrerin wollte ich nicht werden. Ich hatte mir vielleicht auch reinreden lassen und erst einmal etwas „Vernünftiges“ gemacht. Irgendwann merkt man dann aber was man eigentlich will. Dass das der richtige Weg für mich ist hat sich an der AKA auch bestätigt. 

Pharmazie ist ja schon auch ein anspruchsvolles Studium. Wie unterscheiden sich die Bereiche für Dich, oder gibt es auch Gemeinsamkeiten?

Ach die Bereiche sind sehr unterschiedlich, eigentlich gegensätzlich. Das Studium der Pharmazie ist sehr verschult, man muss viel auswendig lernen. Die einzige Gemeinsamkeit ist wahrscheinlich, dass ich in der Tiefdruckwerkstatt auch mit Säure arbeiten kann (lacht). Das Studium an der Akademie ist im Gegensatz dazu sehr frei gewesen und hat mir sehr viel Freiraum gegeben. 

Beeindruckend, dass Du zwei so gegensätzliche und intensive Studien durchgezogen hast. 

Ich habe mich schon ein wenig gequält dabei. Viel Freiheit oder Auswahlmöglichkeiten in der Kurswahl hatte man im Pharmazie Studium nicht.

Karin Brosa. Gegenstrom, 2014. Farbradierung (Strichätzung, Aquatinta, Kaltnadel), 30,0 x 24,8 cm. Bild: Karin Brosa.

Wie kamst Du dann zum Tiefdruck?

Es gab so eine Zeit, in der ich mich künstlerisch etwas umorientieren musste, das war nach der Grundklasse mit dem Wechsel in die Fachklasse. Ich habe dann verschiedene Werkstätten und Möglichkeiten ausprobiert und bin irgendwann in die Radierwerkstatt gekommen. Die habe ich dann gar nicht mehr so schnell verlassen. Die Technik hat mich sehr fasziniert, ich habe mich immer mehr hineingearbeitet. Das war aber keine bewusste Entscheidung, ab jetzt mache ich Tiefdruck. 

Ja, klar. Ich finde aber, Tiefdruck ist ja keine alltägliche Drucktechnik. Damit muss man ja erst einmal in Berührung kommen. Und dann ist es ja so, dass Du eine bestimmte Presse brauchst. Einen Linolschnitt kann ich auch im Handabzug zu Hause machen, aber mit einer Radierung wird es schon schwieriger. 

Irgendwie hat mich die Technik immer extrem fasziniert, eigentlich die verschiedenen Techniken. Der Tiefdruck hat schon eine ganze andere Optik wie eine Zeichnung, ein Siebdruck oder ein Linolschnitt. Die Drucktechnik hat einfach sehr gut zu mir und meiner damaligen Arbeit gepasst. Auch den handwerklichen Aspekt fand ich sehr faszinierend, also diese Kombination aus handwerklichem Können und künstlerischer Arbeit. 

Das Thema des Handwerklichen finde ich sehr spannend. In meinen Seminaren höre ich oft, dass etwas ja keine Kunst sei, da es hauptsächlich „Handwerk“ sei. Für viele ist das mittlerweile zunächst einmal ein Gegensatz. Was sagst Du dazu?

Ich musste es erst einmal das Handwerk lernen, um es dann später brechen zu können oder auch freier damit umgehen zu können. Das gehört für mich eindeutig zusammen und ich kann das gar nicht so klar trennen. Nur Handwerk, Kunst die nur aus Fleißarbeit besteht und ohne Inhalt ist, funktioniert für mich nicht. Man muss das schon zusammenfügen. Im Idealfall bilden Form und Inhalt eine Einheit. Die Technik spielt da mit hinein. Aber natürlich kommt es darauf an, was man will. 

Ich persönlich denke meistens eher andersherum. Ich habe meistens ein Motiv im Kopf und schaue wie ich das umsetze. Und wenn ich das in einer bestimmte Technik umsetze, z.B. in Mezzotinto, dann könnte man auch schimpfen, das sei unnötige Fleißarbeit, aber es ist dann für mich der geeignete Weg, diesen Inhalt umzusetzen. Da geht es mir nicht um die Fleißarbeit.

Hast Du schon ein bestimmtes Bild, einen ästhetischen Ausdruck, vor Augen bei dem Du weißt, dass Du mit der oder der Technik da hinkommst?

Manchmal ja, manchmal weniger. Bei manchen Arbeiten habe ich eine konkrete Vorstellung davon, was nicht heißt, dass es später so aussehen muss. Manchmal ist aber gerade das dann auch interessant. Ich überlege mir schon, welche Technik passt zu der Idee. Ich mache ja nicht nur Tiefdruck. Manche Themen setze ich im Linolschnitt, im Siebdruck oder auch in der Malerei um. Und für mich ist entscheidend was aus meiner Sicht am Besten zu meiner Idee passt.

Karin Brosa. Grab´n go 3, 2019. Radierung (Strichätzung, Vernis mou, Aquatinta, Kaltnadel, Siebdruck), 33,2 x 49,7 cm.

Ich finde bei der Radierung schon die Prozesse besonders spannend. Man weiß bei einer Aquatinta auch nicht hundertprozentig, wie der Druck letztendlich aussehen wird. Wie sehr greift der Prozess an sich schon in Deine künstlerische Arbeit ein?

Ja klar. Meistens hoffe ich schon, dass ich ungefähr weiß, wie es aussehen wird. Aber es ist tatsächlich nach wie vor so, dass ich mich auf den ersten Probedruck freue. Ich bin immer noch gespannt zu sehen, wie es nun wirklich aussieht. Das finde ich auch das Schöne an der Radierung: Dass dieser Moment, selbst nach zig Jahren, immer noch so voller Spannung ist. Ist es so geworden wie in meiner Vorstellung oder vielleicht doch ganz anders aber trotzdem gut?

Aquatinta ist meine Lieblingstechnik und da kann ich schon Einiges recht genau steuern. Natürlich nicht alles hundertprozentig. Dann passieren irgendwelche Unfälle und ich muss schauen wie ich die integriere oder ich verwerfe die Platte wieder. 

In der Kunstgeschichte lese ich oft Beiträge, in denen implizit davon ausgegangen wird, dass die Künstler ganz direkt das umsetzen, was sie sich vorgenommen haben. Das liegt vielleicht auch noch an einer Kunstgeschichte, die nach der Intention eines Künstlers sucht und weniger den Prozess des Druckens beachtet…

Ich finde es an der Uni sehr schön, dass wir Tiefdruck für Kunsthistoriker*innen anbieten. Meistens machen sie parallel dazu ein theoretisches Seminar. Und meistens finden sie heraus, dass es ganz anders funktioniert als sie es sich vorgestellt haben.

Man schätzt es auch anders ein, wenn man weiß wieviel Arbeit dahintersteckt. Dann kann man den Druck auch noch anders wertschätzen. Druckgraphik wird ja immer noch gern etwas stiefmütterlich behandelt. 

Woran merkst Du das?

Da gehe ich weniger von der Kunstgeschichte aus als vom aktuellen Ausstellungsbetrieb. Dort sieht man weniger Druckgraphik präsentiert. Das hat sich schon etwas geändert. Denn seit 2018 gehört sie zum immateriellen Weltkulturerbe was mich sehr freut. Seitdem sieht man auch immer zum „Tag der Druckkunst“ explizit Ausstellungen zur Druckkunst. Das hat schon etwas bewirkt.

Wenn man in Galerien schaut, ist die Malerei schon sehr stark vertreten, in anderen Institutionen sind es schon noch andere Gattungen. Druckgraphik sieht man in größeren Ausstellungen eher weniger. 

Hm, ja ich finde auch, dass es zunehmend mehr Druckgraphik Ausstellungen gibt, auch in größeren Museen, wie zum Beispiel letztlich die Ausstellung zu Picasso Druckgraphik im Städel. Vielleicht widerspricht die Druckgraphik auch unseren Vorstellungen von Kunst, die ein „Original“ zu sein hat.

Naja, Original stimmt ja nicht, es ist nur kein Unikat. Aber man arbeitet ja gar nicht mehr auf Vervielfältigung in der Druckgraphik, das ist ja ein altes Konzept. Vielleicht liegt es auch daran, dass viele Künstler das „so nebenbei“ gemacht haben. Das es für sie nicht der Hauptweg war, zu einem künstlerischen Ausdruck zu kommen, sondern ein „Nebenweg“, so à la „das hat er auch gemacht“. 

Stimmt, zumindest wird es so oft dargestellt. 

Dabei gibt es in der Druckgraphik auch ganz viele Künstler, die sehr innovativ mit der Druckgraphik arbeiten und Videos machen oder installativ arbeiten. Ich arbeite eher klassisch, aber Thomas Kilpper, zum Beispiel, arbeitet installativ mit Hochdrucken in Räumen. Er schneidet dann schon auch mal in den Boden und verformt den Raum an sich. Das sind auch sehr politische Themen, was ich ja sehr spannend finde. 

Deine Arbeiten sind auch sehr politisch, ne?

Nicht immer, ich würde sie eher gesellschaftskritisch nennen. 

Suchst Du gezielt auch das Experiment? Ich finde ja Du benutzt und mischst viele druckgraphische Prozesse…

Ich war immer daran interessiert, Neues kennenzulernen und es hat natürlich auch mit meinem Job zu tun. Als ich nach Essen gegangen bin, kam Siebdruck noch als Schwerpunkt dazu. Ich habe mich in diese Technik eingearbeitet und habe dann natürlich auch begonnen Siebdruck mit Radierung zu kombinieren. Jetzt bin ich nach Marburg gekommen und dort wird auch Fotoradierung gemacht oder Cyanotypie, im Siebdruck CMYK Drucke. Und diese Techniken probiere ich dann natürlich aus. Ich versuche überall etwas mitzukriegen und noch mehr zu lernen. Und für mich ist es dann spannend, diese Techniken miteinander und mit meinen Inhalten zu kombinieren. Zum Beispiel konnte ich durch die Fotoradierung, die bei mir neu dazugekommen ist, neue Elemente in meine Arbeit einfließen lassen.

Karin Brosa. Virtual Reality, 2018. Serigraphie, 29,2 x 20,5 cm. Bild: Karin Brosa

Ah, wie funktioniert Fotoradierung?

Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Entweder man beschichtet die Platte mit einem Positiv 20 Spray, das ist die ältere Variante, das ist eine lichtempfindliche Schicht. Dann kann man wie im Siebdruck gerasterte Folien herstellen und die Platte wird damit dann belichtet. Das wird dann entwickelt und man kann eine Aquatinta darüber setzen. Das ist die Variante, die ich selbst sehr gerne mag, da ich damit noch weiterarbeiten kann. Das ganze passiert nämlich auf einer Kupferplatte. 

Die zweite Möglichkeit wurde im Rahmen des non-toxic printmaking entwickelt, von dem man gerade auch aus den USA sehr viel hört. Dabei werden fertige Polymerplatten verwendet, die schon mit einer lichtempfindliche Schicht versehen sind. Man kann diese auch selbst auf eine Platte laminieren, das ist aber etwas komplizierter. Nach der Belichtung wäscht man die Platte einfach mit Wasser aus und kann drucken. Auch wenn man diese Platten mit viel feineren Rastern belichten kann, haben sie für mich einen entscheidenden Nachteil: man sie kaum mehr nachbearbeiten. Man kann also auch kaum mehr experimentieren.

Das heißt man kann die Polymerplatten nach der Belichtung, diesem ersten Schritt, nicht mehr weiter bearbeiten, wie es mit einer Kupferplatte möglich ist oder was heißt das? 

Bedingt. Man kann vor dem Druck mit den Folien der Polymerplatte experimentieren, aber nach der Belichtung kann ich keine Aquatinta, Strichätzung oder Vernis mou mehr darüber legen, und das war mir zu wenig Spielraum. Daraufhin habe ich die Polymerplatte mit einer zweiten Platte kombiniert. Mir war es zu wenig, nur ein Foto zu drucken. 

Das war Dir zu reproduktiv?

Dabei hat mir die persönliche Handschrift gefehlt. Andere sehen das anders, aber für mich war es zu wenig und ich musste an dem Druck noch etwas ergänzen, das besser zu mir passt. Etwas, bei dem der typische Charakter der Radierung wieder mehr herauskam. Ich finde eine Kombination aus den Techniken aber sehr spannend. [Der Druck, von dem die Rede ist ist „hiding“ (2020).]

Es ist für Dich also sehr wichtig, im Prozess und auf den Prozess reagieren zu können? Manchmal begegnet mir auch die Vorstellung, dass man als Künstlerin eine Idee hat und die dann umsetzt. Das wäre bei Dir ja nicht so?

Nein, nicht wirklich. Es gibt manchmal Platten, die sind so geworden, wie ich sie mir ursprünglich vorgestellt hatte. Aber oft auch nicht. Es gibt Künstler*innen, die erarbeiten ihre Motive digital im Voraus und übertragen sie dann auf diese Polymerplatten. Mir fehlt dann oft die eigene künstlerische Handschrift in Kombination mit dem Verfahren des Tiefdrucks.

Was sind denn die Fragen, die Du mit Deiner Arbeit zu beantworten suchst?
Ich kann gar nicht sagen, dass es Fragen sind. Ich kann sagen, mit was ich mich beschäftige: Mit der Natur, mit Kulturräumen und deren Zerstörung, und für mich gibt es auch immer eine gesellschaftskritische Komponente. Ich beobachte sehr viel und kombiniere viel miteinander, manches Mal auch Dinge, die auf den ersten Blick gar nicht zueinander passen.  

Gibt es für Dich auch künstlerische Vorbilder?

Auf jeden Fall Goya! Ich finde er hat ganz tolle Arbeiten gemacht, das sind ganz wunderbare Aquatinten. Er hat mit „Los Caprichos“ auch einen satirischen und sehr gesellschaftskritischen Zyklus geschaffen. Und seine Bildfindungen sind toll! (lacht) Du wirkst so überrascht! Hättest Du das nicht gedacht?

Nein, aber jetzt wo Du es sagst, sehe ich dass es super passt. Ich hatte bei der Frage irgendwie aktuelle Künstler*innen im Kopf. (ich muss lachen)

Wenn es um aktuelle Künstlerinnen geht, dann finde ich Kiki Smith sehr interessant. Sie beschäftigt sich viel mit Druckgraphik, zeichnet auch und arbeitet installativ, und ihre Druckgraphik ist hervorragend. 

Was genau findest Du an ihren druckgraphischen Arbeiten so gut?

Kiki Smiths Arbeiten sind sehr persönlich, feminin und auch poetisch, gleichzeitig hat sie auch eine sehr eigene Bildsprache entwickelt.

Karin Brosa. virtual greenhouse, 2020. Farbradierung (Strichätzung, Aquatinta, Kaltnadel), 30,0 x 40,0 cm. Bild: Karin Brosa

Für KUNE geht es ja viel um die Vernetzung von Künstler*innen und Institutionen und uns interessiert das sehr. Wie vernetzt Du Dich eigentlich mit der Kunstszene?

Das ist für mich in meiner jetzigen Lebenssituation weniger ausgeprägt, als in der Stadt in der ich studiert habe. In Stuttgart war ich schon sehr viel besser vernetzt. Im Laufe des Studiums habe ich einfach viele Menschen kennengelernt, viele Ausstellungen besucht, und war dadurch ganz gut vernetzt. Hier im Ruhrgebiet und in Marburg ist es für mich weniger der Fall. Hier bin ich vor allem über andere Künstler*innen vernetzt, aber mir fehlt die Zeit, Vernissagen zu besuchen und neue Kontakte darüber hinaus zu knüpfen.

Das ist vielleicht auch ein Problem, das viele nach dem Studium haben, wenn sie in eine andere Stadt ziehen, arbeiten und dadurch nicht mehr so viel Zeit haben. Mit der künstlerischen Lehre und Deiner eigenen Arbeit hast Du ja auch zwei Jobs, die Du parallel bedienen musst.

Ja, als Studentin bin ich häufiger zu Vernissagen gegangen, habe mich mehr mit Kommiliton*innen getroffen. Ich war auch in Stuttgart in einem größeren Atelierhaus, in dem andere gearbeitet haben. Ich finde den Austausch mit anderen Künstler*innen sehr fruchtbar. 

Was könnte Dich dabei unterstützen?

Was schon immer hilft, ist Mitglied in einem Kunstverein zu sein oder in einem Atelierhaus zu arbeiten, in dem viele ein und aus gehen. Es gibt sicher auch Städte, in denen das vielleicht einfacher ist als Essen oder Marburg, in denen die Kunstszene ausgeprägter ist. Im Ruhrgebiet ist es schon sehr gut, da gibt es viele Städte und  Ausstellungen zu denen man fahren kann, aber Essen selbst ist in meinen Augen keine Kunststadt.

Was muss denn ein Ort für Dich bieten, damit er zur Kunststadt wird?
Ich finde zum Beispiel Leipzig sehr spannend. Da gibt es viele Künstler*innen, Offspaces, Galerien und damit auch mehr Vernetzung. Vielleicht existieren dort auch einfach mehr Orte, an denen sich Künstler*innen treffen können. Das gibt es sicher auch an anderen Orten, wie Stuttgart zum Beispiel. Was meinst Du denn?

Ja, ich überlege, dass Leipzig ja auch eine Hochschule hat, und damit gibt es dort auch viele Künstler, die sich für ihre Orte einsetzen. In Stuttgart die Wagenhallen sind so ein Beispiel für einen Ort, der aus der Kunstszene selbst erwachsen ist, und heute ein wichtiger Teil der Stadt ist.

Es muss für Künstler*innen die Möglichkeit geben, sich zusammen zu tun und günstiger Raum ist dafür eine Voraussetzung. Hmm, ich finde auch Projekträume wichtig. Räume, in denen nicht kommerzielle Ausstellungen stattfinden. 

Es braucht also Räume, die sich Künstler*innen leisten können, in denen sie arbeiten können und sich treffen können.

Ja, und nicht nur große Museen, sondern kleinere Räume, in denen Künstler*innen sich präsentieren können. 

Ich möchte noch auf ein anderes Thema zu sprechen kommen. Hast Du das Gefühl, dass es für Dich als Frau schwieriger ist, in der Kunstszene anzukommen?

Ja schon. Man weiß ja nie, ob man sich das nicht auch einbildet, aber bei mir kommt das schon so an, dass ich mehr zu kämpfen habe. Vielleicht sind Männer aber auch einfach offener oder selbstbewusster und gehen mehr auf andere zu. Das kann auch sein.

Hm, nein ich denke nicht, dass Du Dir das einbildest, da gibt es inzwischen einige Studien und Recherchen dazu, wie zum Beispiel diesen Film von Simone Horst und Kira Gantner von 2020, die gezeigt haben, dass das Geschlecht für den Wert von Kunstwerken sehr wohl eine Rolle spielen. Und dass das System „Kunstmarkt“ es Frauen schwerer macht.

Ja, man sieht auch in den Galerien, dass deutlich mehr Männer vertreten sind, das haben wir selbst auch festgestellt. Künstlerinnen sind bei weitem nicht so präsent. Schon, als ich einen Job angefangen habe wurde das nicht gut aufgenommen, das ist zwar noch nicht die Kinderpause, aber schon der Job wurde in Galerien kritisiert. 

Und wenn man sich dann überlegt, dass der Frauenanteil unter den Studierenden sehr viel höher ist… 

Genau. Und dann schau mal, wie viele Frauen nach zehn Jahren Abschluss noch als Künstlerin tätig sind. Das sind nicht mehr so viele. 

Da wird es Frauen offensichtlich in einer entscheidenden Phase schwer gemacht, ihrem Beruf nachzugehen. Noch eine Frage zum Abschluss: Was sind denn kulturelle Institutionen im Ruhrgebiet, die Du empfehlen möchtest?
Ich finde das Museum Folkwang ganz großartig und es gibt auch das Kunsthaus Essen, in dem finden auch immer wieder spannende Ausstellungen statt. Weitere wichtige Institutionen im Ruhrgebiet sind das Dortmunder U, das Lehmbruck Museum und das Museum Küppersmühle in Duisburg.

Liebe Karin, vielen Dank für diese Tipps, Deine Zeit und die Einblicke in Deine Praxis!

Die nächste Ausstellung von @karinbrosa wird übrigens ab 12. September in der Städtischen Galerie in Geislingen an der Steige zu sehen sein.