Mit dem Beschluss unter Kaiser Konstantin dem Großen im ganzen Römischen Reich 313 n. Chr. die Religionsfreiheit auszurufen, trat eine plötzliche Notwendigkeit von christlichen Bauwerken zu Tage. Der endgültige Startschuss für die großen kirchlichen Bautätigkeiten erfolgte jedoch unter Theodosius I., der das Christentum am Ende des 4. Jahrhunderts zur Staatsreligion erhob.
In der Sakralarchitektur unterscheidet man bis heute zwischen den damals aufkeimenden Bauformen: dem Longitudinalbau (Langbau; Basilika) und dem Zentralbau.
Während die Langbauten auf die Tradition von langschiffigen Markt- und Gerichtshallen als Versammlungsstätte zurückgehen, findet man den Zentralbau in frühen Beispielen für römische Bäderarchitektur sowie bei griechischen und römischen Tempeln, die teils als Rundbauten umgesetzt wurden (bekanntestes Beispiel dürfte hier das Pantheon in Rom, erbaut um 114 n. Chr.-128 n. Chr., darstellen).
Beide Architekturformen entstammen damit der Profanarchitektur der römischen Spätantike und prägen hier ihr zukünftiges Bild aufgrund ihrer anfänglichen Zweckbestimmung. Der Typus der Basilika (Markt- und Gerichtshalle) diente in dem Fall eher der Versammlung von Gläubigen und Eucharistiefeiern. Den Zentralbau nutzte man in den meisten Fällen, vor allem im weströmischen Reich, vorrangig als Baptisterium (Tauch-Wasch-Taufraum) oder Grabeskirche.
Vom Frühchristentum bis in das ausgehende Mittelalter blieb der Zentralbau – im Westen – vorwiegend für die oben genannten Zwecke bindend und trat nur in Ausnahmefällen in bauliche Erscheinung, z.B. bei einigen Pfalzkapellen (u.a.). In byzantinischen Gebieten wurde dem Architekturtypus jedoch eine andere stilistische Vorrangstellung zugewiesen und auch essenzielle Gemeindekirchen entstanden als Zentralbauten1.
Die beginnende frühe Neuzeit sollte der Bauform des überkuppelten Mittelraumes eine Wiederauferstehung bescheren.
Sie galt nun als ästhetisches Ideal: als ein Ausdruck des Vollendeten. Häufig in Verbindung mit einem Langbau erfreute sich der Zentralbau unter den Architekten, bis in den Klassizismus hinein, in der Sakralarchitektur größter Beliebtheit.
Reiche Formenvielfalt
Trotz der epochenübergreifenden Baufreude rangiert der Longitudinalbau unangefochten auf Platz Eins des beliebtesten sakralen Architekturtypus, obwohl er dem Zentralbau in seiner reichen Formenvielfalt hinterher hinkt!
Die Grundform des Zentralbaus klingt erst einmal einfach, lässt sich aber vielfältig gestalten. Primär ist es ein Bauwerk, dessen Fokus auf seinem Mittelraum und damit auf einem einheitlichen Kirchenraum liegt. Grundrisse sind durchweg runde oder polygonale Bauformen. Diese sind maßgeblich auf sechs Typen einzuschränken:
- 1. Rotunde
- 2. Griechisches Kreuz (4 gleichlange Flügel)
- 3. Oktogon
- 4. Trikonchos (Dreiblatt mit Vorbau als Eingang) auch als Vier- oder Vielkonchen
- 5. Ellipse
- 6. Quadrat
Nahezu alle dieser Grundformen werden von einer großen Kuppel bekrönt2. Das Griechische Kreuz wurde besonders im oströmischen Reich und in byzantinisch beeinflussten Gebieten als Grundriss eines Sakralbaus gewählt. Die Grundrisse können zu ihrer Diversität noch flexibel ergänzt und zusätzlich mit runden oder rechteckigen Konchen (Nischen) und auch mit einem oder mehreren Umgängen ausgestattet sein. Der eigentliche Baukörper kann ebenfalls variabel als Oktogon oder Viereck gestaltet sein.
Eine herausragende Verwirklichung fand der Zentralbau in der vermutlich allen bekannten Hagia Sophia, 532 bis 537 n. Chr., unter Justinian I. in Istanbul (damals Konstantinopel). In Ravenna, Italien, entstand nur wenige Zeit später unter dem gleichen Kaiser, von 537-547, die Kirche San Vitale. Sie dient hier als Exempel für einen byzantinischen Zentralbau, der sowohl zeitgenössische Neuerungen in seiner Architektur abbildete als auch gleichermaßen die antiken Grundformen in ihrer Vollkommenheit beibehielt.
1 Jaqueline Lafontaine-Dosogne; Wolfgang Fritz Volbach: Propyläen Kunstgeschichte, Byzanz, Band I, Berlin, 1990. S. 27ff, S. 31f. und S. 212.
2 Wilfried Koch: Baustilkunde. Das Standardwerk zur europäischen Baukunst von der Antike bis zur Gegenwart. Gütersloh/München, 2006. S. 44ff und S. 494.