Das Drucken als künstlerische Praxis

In unserer neuen Kune-Reihe dreht sich alles um das Thema der Druckgraphik. Was für Techniken gibt es? Wie haben sie sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt? Wir geben euch in mehreren Artikeln direkte Einblicke in Entstehungsprozesse und begleiten Künstler*innen in deren Werkstätten.

Ohne die Kulturtechnik des Druckens wäre unsere Welt heute gar nicht zu denken, so vieles baut darauf auf. Allein der Buchdruck hat die Welt revolutioniert, aber das Drucken war noch für viele andere Bereiche wichtig: für die Mode, für die Verbreitung von religiösen Bildern und Texten, für den Informationsaustausch in Flugblättern und Zeitungen, aber auch für die Dekoration von Häusern in Form von Tapeten oder für Verpackungen. Dass sich in Europa die Druckgraphik als künstlerische Auseinandersetzung mit drucktechnischen Verfahren etablieren konnte, verdankt sie den textilen Traditionen zahlreicher Kulturen und nicht zuletzt dem Buchdruck. 

Die ersten Drucke

Das Prinzip des Druckens, der Übertrag von Farbe mittels eines Druckstocks auf ein Medium, kann man bis in die Anfänge der menschlichen Kulturen verfolgen. Schon vor ca. 35 000 Jahren brachten Menschen mit Pigmenten die Abdrücke ihrer Hände auf die Wände von Höhlen – eine Form des Hochdrucks bei dem die Hand zum „Druckstock“ wird. Zu den ältesten existierenden bedruckten Materialien gehören Stoffe aus Achmim in Ägypten, die im 4. Jahrhundert unserer Zeit bedruckt wurden. Auch in Indien, Japan, Korea und China gibt es lange Drucktraditionen, sowohl im textilen Bereich als auch für Bücher– mit Schrift und Bild. Das erste gedruckte Frontispiz zum Beispiel, also die erste zentrale Illustration in einem Buch, stammt aus einer mit einem Holzstock bedruckten buddhistischen Schriftrolle aus der Tang Dynastie (868 u.Z.).

Kulturelle Revolution in Europa

Für die Geschichte der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Druck in Europa ist zunächst einmal der Handel und die Herstellung von Papier relevant. Das Wissen um die Herstellung von Papier erreichte Europa über Handelswege aus dem Osten. Die erste belegte Papiermühle im deutschsprachigen Raum ist 1390 bei Nürnberg nachgewiesen und die frühesten erhaltenen europäischen Drucke auf Papier sind um 1400 entstanden. Bei ihnen handelt es sich häufig um Einblattholzschnitte, d.h. Bild und Schrift waren ins Holz geschnitten worden. Mit der Einführung beweglicher Lettern nach Europa im 15. Jh. war diese kulturelle Revolution vollständig eingeleitet.

Erst die Produktion mit beweglichen Lettern und eine umfangreiche Papierproduktion ermöglichte eine große Produktion von Büchern, so dass sich das Druckerhandwerk rasant entwickeln konnte. Die Vielzahl an Handwerkern und Druckereien beförderte auch die Produktion anderer Druckerzeugnisse, wie z.B. Karten. Bücher waren immer auch mit Bildern versehen worden und parallel zum Handwerk der Buchdrucker entwickelten sich auch das der Holzschneider und Kupferstecher. Bilder und Schriften fanden nun eine viel größere räumliche Verbreitung und Informationen konnten immer genauer und zügiger vermittelt werden. Dabei entwickelten die Holzschneider und Kupferstecher eine immer ausgefeiltere Bildsprache für die z.B. Albrecht Dürer am Ende des 15. Jahrhunderts und Beginn des 16. herausragend ist.

  • Hendrick Goltzius. Helios (Götter und Göttinnen), 1588–1590.

Entwicklung zahlreicher Druckverfahren

Seit dieser Zeit hat sich das Drucken zu einer Kunstform entwickelt, die immer auch von den Entwicklungen der Industrie profitierte. Mit den sich ändernden Anwendungsbereichen haben sich über die Jahrhunderte zahlreiche Druckverfahren entwickelt: Der Kupferstich z. B. ermöglichte eine detaillierte Wiedergabe; der Holzstich wiederum erlaubte es, bei großer Präzision tausende von Abzügen von einem Druckstock zu machen, was sich gut in die industrielle Buchproduktion integrieren ließ. Dabei war immer auch die Produktion von Farbdrucken eine Herausforderung. Heute gibt es unterschiedliche Hochdruckverfahren, Tiefdruckverfahren, aber auch Flachdruck- und Siebdruckverfahren, sowie den digitalen Druck. Alle Drucktechniken wurden von Künstler*innen für ihre Arbeit genutzt und von diesen an ihre Grenzen gebracht. Je nach Epoche lagen diese woanders. Claude Mellan, z.B., stach das Schweißtuch der Hl. Veronika aus einem scheinbar einzigen an- und abschwellenden Strich. Auch heute werden diese alten Verfahren wie der Holzschnitt oder der Kupferstich von zahlreichen Künstler*innen weiterentwickelt und immer neu interpretiert. In den nächsten Monaten wollen wir hier einzelne Drucktechniken vorstellen und dazu aktuelle künstlerische Positionen betrachten.

Farbe im Druck

Wenn wir an Drucke denken, so sind uns oft die Drucke vor Augen, die mit Druckerschwärze auf einem hellen Papier gedruckt sind. Aber schon immer wurde versucht, Farbe in Druckgraphiken zu bekommen. Frühe Holzschnitte wurden höchstwahrscheinlich mit der Erwartung gedruckt, dass sie nachträglich eingefärbt werden würden. Mit der Zeit wurden Farbdrucke aber über das Druckverfahren selbst hergestellt, indem von mehreren verschiedenfarbigen Platten auf ein Blatt Papier gedruckt wurde oder indem einzelne Bereiche einer Druckplatte von Hand separat eingefärbt wurden.

Künstler weiten die Grenzen des Drucks

Es gab seit dem 15. Jh. Künstler*innen, die die Möglichkeiten des Drucks ihr Leben lang ausgelotet haben. Rembrandt Harmenszoon van Rijn ist ein frühes und prominentes Beispiel für so einen Künstler, aber auch Pablo Picasso, Käthe Kollwitz und HAP Grieshaber schätzten die Druckgraphik als eigenes Medium. Strömungen wie Pop Art sind ohne den Siebdruck nicht zu denken. Spätestens seit dem 20. Jh. versuchten Künstler*innen, die Drucktechniken konsequent weiter zu denken, die Grenzen des Papiers auszuweiten und sie mit anderen Medien zu kombinieren. Auch wenn wir uns in den folgenden Beiträgen auf das 20. und 21. Jh. konzentrieren werden, wollten wir Euch ein paar der älteren spannenden Graphiken nicht vorenthalten und hoffen, Ihr habt Spaß beim Schauen.