Peter Mechnig im Künstlerbund Tübingen –  Mobile für Hölderlin

Die Betrachtenden sind bei dem Besuch der Ausstellung von Peter Mechnig damit konfrontiert, sich selbst ein Bild machen zu müssen. Die Werke eröffnen einen Blick in eine Welt der Symbole und Bezüge, die sich nicht unmittelbar erschließt. Vielseitig und in unterschiedlichsten Materialien verbildlicht, werden wir immer wieder mit der Realität konfrontiert und dazu aufgefordert uns selbst ein Bild zu machen.

Die Betrachtenden sind bei dem Besuch der Ausstellung damit konfrontiert, sich selbst ein Bild machen zu müssen. Die Werke von Peter Mechnig eröffnen einen Blick in eine Welt der Symbole und Bezüge, die sich nicht unmittelbar erschließt. Vielseitig und in unterschiedlichsten Materialien verbildlicht, werden wir immer wieder mit der Realität konfrontiert und dazu aufgefordert uns selbst eine Meinung zu bilden.

Ausstellungsansicht, Peter Mechnig im Künstlerbund Tübingen.

Der Ort 

Betritt man den Künstlerbund Tübingen wird man von der Vielfältigkeit der Kunstwerke überwältigt, sodass erst die intensive Auseinandersetzung mit den Materialien und Bildthemen einen roten Faden erkennen lässt. Im Mittelpunkt des Raumes, und damit im  Blickfeld der Eintretenden, befindet sich eine Konstruktion. Übermannshoch bilden vier schmale Eisenstäbe einen viereckigen, oben und unten geschlossenen Käfig. Das künstlerische Geschehen im Inneren des Raumes bleibt vieldeutig, geheimnisvoll und dunkel. Ein rostiger großer Nagel dient als Befestigung am oberen Teil des Werks. Daran hängt an einem Strang ein verhülltes Objekt. Neben Erinnerungen an das Frühwerk von Christo und dessen verbergende Eigenschaften, beschleicht uns ein beklemmendes Gefühl. Was mag sich in dem Kokon befinden? Handelt es sich um etwas Lebendiges? 

Wir warten darauf, dass sich eine Bewegung auf der Oberfläche der Leinenhülle abzeichnet und fragen uns zugleich, was uns das Werk wohl sagen möchte. Obwohl es seit Jahren ungesehen existiert, scheint es für diesen Ort geschaffen zu sein. Als zentraler Punkt der Schau, scheinen die Werke der Ausstellung darauf Bezug zu nehmen, sodass das Gefühl einer permanent im Raum schwebenden Kommunikation zwischen der Kunst selbst entsteht. 

Melencolia II, Öl auf Leinwand, 2015.

Das Werk

Das Gefühl, dass die Werke Bestandteil eines größeren Ganzen sind, begleitet uns während des gesamten Besuchs. Ähnlich einem Comic, besteht das Werk aus mehreren Einzelteilen. Die Erzählung wird nicht offensichtlich fortgeführt, sondern findet auf subtile Weise ihren Weg in die einzelnen Kunstwerke. Ein Hund aus dem Gemälde „Las Meninas (nach Velázquez)” von Pablo Picasso taucht in Mechnigs Arbeiten immer wieder auf. Als Teil eines größeren Bildgeschehens oder großformatig im Bildmittelpunkt. Eine unwillkürliche Verbindung zwischen den einzelnen Gemälden entsteht, sodass sie in der Wahrnehmung der Betrachtenden zu einem zusammenhängenden Ganzen zusammengefügt werden. Picasso hat sich an der Szenerie des weltberühmten Werkes von Velázquez orientiert, ihm jedoch seinen eigentümlichen Gestus hinzugefügt. So entstand ein neuer Blick auf die Geschehnisse und andere Wege der Interpretation. 

Auch Peter Mechnig nimmt Symbole und Formen aus der Kunstgeschichte und setzt sie in einen neuen Bedeutungszusammenhang. Epochen, künstlerische Schaffensperioden und historische Entwicklungen werden so von Mechnigs Werken einverleibt und von ihm für seine eigenen Aussagen zusammengefügt. 

Datail aus The farther we go… is this we find? (ANGELUS NOVUS II), Öl auf Leinwand, 2020.

Das Leben

Neben kunsthistorischen und gesellschaftlichen Bezügen, werden wir immer wieder mit dem täglichen Leben konfrontiert. Popkulturelle Bezüge werfen uns zurück in die Realität. Mysteriös und alltagsnah zugleich öffnen die Kunstwerke einen Blick auf die Ängste und Freuden unseres Lebens. Der Blick in den Weltraum wird von Mechnig mit Zitaten der Popkultur, wie dem Film 2001 – Odyssee im Weltraum, und den Errungenschaften der Menschheit, wie den Pyramiden, zusammengeführt. Ein Sammelsurium an Ereignissen, das uns mit den großen Fragen des Menschseins konfrontiert. 

Der Tod

Neben Totenköpfen tauchen in Mechnigs Werken immer wieder tote skelettierte Gestalten auf. Mit fast mahnendem Charakter erinnern sie uns bei der Betrachtung seines Werks stets an die Endlichkeit des Seins – Memento mori. Die Kreisformen, die wir ebenfalls in zahlreichen Arbeiten erblicken, füllt diese Endlichkeit allerdings mit Hoffnung. Hoffnung? Oder ist der Kreis, als Zeichen dem Vergänglichen nicht ausgesetzt, sondern als Merkmal zu betrachten, heterofinal auf die Darstellung einwirkend? Mit dem Tod endet unser Dasein also keineswegs. Vielmehr verhält sich unsere Existenz wie ein Kreis. Endet etwas, beginnt etwas Neues. 

Ritsch 1-4, Öl auf Leinwand, 2020.

Der Kreis taucht in der Kunstgeschichte sowohl als geometrische Form, als auch mitsamt seiner symbolhaften Historie auf. Dieses mehrdeutige Erscheinungsbild greift Mechnig auf und setzt es in neue Bedeutungszusammenhänge. Als Kern der Aussage bleibt jedoch immer der ephemere, übergangsartige Charakter des Lebens und des Todes erhalten. Eine der großen Fragen der Menschheit, die gestellt, aber nicht universell geklärt werden kann. 

Hölderlin

Das Thema Heimat baut die Brücke zwischen Hölderlins Gedichten und den Werken von Peter Mechnig. Als Ausgangspunkt für unser aller Handeln, unser zwischenmenschliches Agieren und unsere Selbstwahrnehmung spielt die Heimat für uns alle eine ausschlaggebende Rolle. Wir definieren uns darüber und nehmen sie als Teil unserer Identität an. Sei es Hölderlin, der seine Kämpfe und Ängste gleichermaßen mit seiner Heimat in Verbindung bringt, wie die Freuden des Lebens oder Mechnig, der uns allen das Gefühl gibt zu ergründen, was Heimat im eigentlichen Sinn für jeden von uns bedeutet. Dabei spielt es keine Rolle, an welchen Ort das Gefühl gebunden ist oder ob es losgelöst dessen existiert. 

Not yet titled, Gouache auf Papier.

Peter Mechnig

Die Ausstellung eröffnet weit über den ortsgebundenen Besuch hinaus einen dystopischen Blick in unsere Zukunft und die Vergangenheit gleichermaßen. Vom Ausgangspunkt der Heimat aus, mit dem wir alle etwas verbinden, schickt uns Peter Mechnig auf eine künstlerische Reise, bei der uns kunsthistorisch relevante Künstler*innen begegnen, wir mit dem Historischen und dessen Bedeutung konfrontiert werden und wir einen Blick auf uns selbst werfen können. 

Das Leben selbst wird zum Kunstwerk. Ob es nun als Kreisform in geometrischer Form auftaucht oder als unsichtbares Netz zwischen Betrachtenden und Kunstwerk schwebt. Ängste, Hoffnungen und Selbstwahrnehmung. Die Kunstwerke erzählen eine individuelle Geschichte, die sich jedem jeweils auf eigentümliche Weise offenbart.