Wer sieht was? Der Kuss von Gustav Klimt
Pünktlich zum Valentinstag – von dem man ja halten kann, was man möchte – wollen wir euch ein neues Kunstwerk aus unserer Reihe “Wer sieht was?” präsentieren. Passend dazu haben wir uns für eines der bekanntesten Kunstwerke überhaupt entschieden: Der Kuss von Gustav Klimt. Klimt gehört mit seiner außergewöhnlichen Maltechnik zu den Wegbereitern der Wiener Moderne. Künstler des österreichischen Expressionismus wie Egon Schiele oder Oskar Kokoschka wurden maßgeblich von ihm beeinflusst. Die Gründung der Wiener Secession läutete dabei den Sonderweg für Klimt ein. Die Verwendung von Blattgold, kombiniert mit Öl- und Bronzefarben förderte etliche Kunstwerke zutage, die der Goldenen Periode des Künstlers zugeordnet werden können. Der Kuss markiert dabei den Höhepunkt. “Wer sieht was?” heißt es nun einmal mehr. Viel Spaß beim Lesen unserer Gedanken und Interpretationen!

Sarah: Nur ein Traum?
Die zentralen Elemente in Klimts Gemälde sind die zwei menschlichen Figuren im Mittelpunkt. Eng umschlungen und von einer Aura aus Ornamenten umgeben, sind sie kaum voneinander zu trennen. Lediglich die Köpfe, Teile der Arme und Hände und die Füße der weiblichen Person sind einem zeichenhaften Stil verpflichtet und scheinen aus der Wolke aus goldenen und bunten Kreisen und verschiedenen Rechtecken aufzutauchen. Ihre Körper verschwinden in einem ornamentalen Meer, welches ihre Zuneigung und Zusammengehörigkeit betont. Die Blumenwiese, auf jener sich die beiden niedergelassen haben, scheint sich im Gewand der Frau zu spiegeln. Der Blick der Betrachter*innen wird geradezu eingezogen und auf die essentielle Szene des Kunstwerks gelenkt: den Kuss. Die Verstärkung dieser Konzentration wird nur noch durch die Reduktion des Hintergrundes forciert; er nimmt sich zurück, bildet eine nicht definierbare Masse aus dunklem gold-braun. Dadurch erhält die Szene eine unwirkliche, surreal anmutende Komponente, fast wie ein Traum.
Julia: Zwischen Abstraktion und Sehnsucht
Ihre Körper gleichen einem Mosaik – verspielte goldene Strukturen in einem Moment größter Nähe und Zärtlichkeit. Klimts Liebenden bewegen sich ganz bewusst an der Schwelle zwischen Figur und Abstraktion. Weder Raum noch Räumlichkeit lenken ab von diesem besonderen Augenblick, kurz bevor sich ihre Lippen berühren. Die feine Gestik von Händen und Füßen offenbart dabei ein Begehren, das in ihrem Gesichtsausdruck von Anmut und Hingabe gespiegelt wird. Der Kuss beschreibt also gerade die Spannung noch unerfüllter Sehnsucht – eine der wohl stärksten menschlichen Emotionen. Den ornamentalen Oberflächen und der blockhaften Formensprache stehen die zarten Hautpartien nun demonstrativ entgegen. Als währte dieser intime Moment schon eine Ewigkeit, festgeschrieben in seinen steinernen Strukturen und dennoch voller Wärme.
Vanessa: Verbildlichte Sinnlichkeit
Kunst zu erleben ist immer auch eine sinnliche Erfahrung. Sinnlichkeit, die uns momentan verwehrt bleibt und uns vor Augen führt, dass die digitalen Möglichkeiten einen Besuch im Museum nicht ersetzen können.
Der Kuss von Gustav Klimt strahlt pure Sinnlichkeit aus, die selbst bei der Betrachtung einer digitalen Abbildung ins Auge fällt. Körperliche Intimität, Berührungen und der Geruch eines anderen Menschen. Gedanken und Sehnsüchte, die uns bei der Betrachtung im Kopf herumschwirren. Als Projektionsfläche finden wir uns alle auf gewisse Weise in dem Gemälde wieder. Der Kuss betitelt das Werk nicht nur sondern sagt aus, was uns daran berührt, in den Bann zieht und was uns in die emotionale Welt von Klimt entführt. Sinnlichkeit wird so zu einem universellen Punkt, an dem wir uns begegnen, vereinen und kommunizieren können. Digital oder analog.
Rebecca Rapp: Man sieht nur mit dem Herzen gut
Die Szene vor uns zeigt ein knieendes, sich umarmendes Liebespaar auf einer üppig blühenden Wiese. Die wallenden Gewänder des Paares sind mit Blattgold verziert, auch der Hintergrund wurde mit feinen Gold-, Silber- und Platinblättchen versehen. Im ersten Augenblick ist man geblendet von dem kostbaren Material des Moments – dieses tritt aber neben der beinahe greifbaren Zuneigung des Paares zur Seite und dann an den Rand unserer Wahrnehmung.
Das Paar ist komplett versunken in der Umarmung, dem Kuss und der Liebe füreinander – sie bilden die Essenz des Moments. Beide sind abgetaucht in ihrer ganz eigenen, gemeinsamen Welt. Wir als Betrachter*innen müssten eigentlich als Voyeur*innen diese intime Szene stören, aber dies ist nicht der Fall. Die Umgebung, die Blumen, die golddurchwirkten, kostbaren Kleider sind wundervoll anzusehen, aber eigentlich nebensächlich und nicht wichtig für den Moment. Das, was zählt, sind die Liebenden, gänzlich versunken in ihrem Moment, die einander mit dem Herzen sehen. Oder um es mit den Worten von Antoine de Saint-Exupéry zu sagen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.“
Anna Katharina: organisches Gold
Es ist ein Hin und Her zwischen verschiedenen Formen, die ein Ganzes bilden. Und doch brechen die Flächen sogleich wieder in Einzelteile auf. So bewegt sich der Blick stets über das Gemälde, führt aber immer wieder zurück in die Mitte: Eingebettet in einer schützenden Schale aus Gold ist der flirrende Moment kurz vor einem Kuss festgehalten.
Gold als ein schweres Edelmetall hat zugleich weiche, formbare und flüssige Eigenschaften. Nichts von dem schweren Material ist sichtbar. Unterschiedlich kleine und große Goldtupfer heben sich vom flächigen, matt goldenen Hintergrund ab und glitzern, wie der Sternenhimmel. Parallel zum Blumenmeer, auf dem das Paar kniet, scheint sich das Gold organisch zu verhalten. Mehrere Stränge aneinandergereihter Dreiecke, ähnlich einer Perlenkette, verbinden die goldene Hülle mit der Außenwelt. Ihr geschwungenes Voranschreiten über die Beine der Frau ist mit einer Leichtigkeit versehen, als würde ein feiner Windhauch alles in Bewegung halten und die Schönheiten des Lebens in alle Richtungen tragen.
Lisa: So kostbar ist die Liebe!?
Eng umschlungen stehen zwei Figuren am Rand eines Abgrundes. Eingehüllt in eine Art Umhang, sind nur wenige Körperteile zu erkennen. Füße, Hände, ein Kopf mit schwarzen kurzen Haaren in Hinteransicht, ein Gesicht mit geschlossenen Augen und roten Lippen, gerahmt von rötlichen, glatten Haaren. Ein Mann? Eine Frau? Formen auf dem Umhang könnten Rückschlüsse geben, da sie gerne viel zu automatisch von uns mit männlichen oder weiblichen Attributen verbunden werden.
Welches Geschlecht die beiden Figuren haben, spielt im Grunde keine Rolle und ist auch nicht auflösbar. Viel interessanter ist doch die Zuneigung, die die beiden unübersehbar füreinander empfinden. Eine ungestörte Zweisamkeit. Das Paar ist in sich vertieft. Sie sind jeweils nur auf das Gegenüber fixiert und die Umwelt wurde vollständig ausgeblendet. Sie geben sich gänzlich ihrer Leidenschaft hin. Und ihrem gemeinsamen Moment. Einem kostbaren Augenblick, der nicht erzwungen werden kann, der nur mit dem passenden Gegenüber zu einer besonderen Erfahrung werden kann; nur so zu Liebe wachsen kann. So kostbar wie Gold. Wenn nicht gar wertvoller. So wertvoll, dass sie jegliche Zeit und irdische Grenzen überdauert.
Sechs Kunsthistorikerinnen – sechs Interpretationen?!
Auffälligstes Stilmittel in Klimts Gemälde sind wohl die Verwendung von Blattgold als Farbmittel und die ornamentalen Elemente in der Gestaltung stofflicher Texturen. Sarah greift dieses Moment auf und verweist auf die surreal anmutende Komponente, die das Kunstwerk dadurch erhält. Julia wählt einen ähnlichen Ansatz, betont aber gleichermaßen die dialogische Spannung zwischen formaler Abstraktion und sujethafter Sehnsucht. Auch Anna Katharina findet ihre Interpretation über die stilistische Herangehensweise des Künstlers und unterstreicht die organisch wirkende Beschaffenheit des Goldes in Klimts Werk.
Lisa und Rebecca legen ihren Fokus auf die intime Zuneigung des Paares, den ungestörten Moment der Zweisamkeit, der mithilfe von Klimts gewählten formalen Mitteln unterstützt wird.
Für Vanessa gleicht die Darstellung einer Metapher, die an uns alle gerichtet ist: Die Verbildlichung der Sinnlichkeit.
Nun seid ihr gefragt: Was seht ihr in Gustav Klimts Meisterwerk Der Kuss?
Der Kuss von Gustav Klimt befindet sich im Belvedere Museum Wien.
Auf den ersten Blick sehe ich eine junge Frau und einen jungen Mann. Dieser gibt der Dame auf ihre rechte Wange einen sehr zärtlichen und gefühlvollen Kuss. Der Mann hält gleichzeitig sanft ihr Gesicht in seinen Händen. Sie scheint sich sehr wohl zu fühlen, da sie ihre Augen sanft geschlossen hat und ihren rechten Arm um seinen Nacken legt. Mit der anderen Hand hält sie seinen Handrücken.
Wenn man genauer hinsieht, erkennt man, dass sie auf einer Blumenwiese kniet. Besonders schön finde ich die Blumenwiese, die in voller Pracht, im unteren Teil des Bildes, erblüht. Dadurch denke ich persönlich sofort an den Frühling oder Sommer. Passend ist auch das Kleid der Frau mit bunten Blumen bestickt sowie ihr Haar, auf dem ein Blumenkranz liegt.
Im Gegenteil zu ihrem Kleidungsstil trägt der Mann einen großen Mantel, auf dem verschieden große Rechtecke aufgemalt sind. Diese sind in dunklen Farben wie Schwarz und Grau gehalten.
Wie gesagt, das alles sehe ich auf den ersten Blick. Nach nur wenigen Minuten nehme ich das Bild aus einer ganz anderen Perspektive wahr. Während die einen empfinden, dass sich die Frau wohlfühlt, denke ich mir, ich hätte in dieser gequälten Haltung mit der Zeit Schmerzen am ganzen Körper. Mit der Zeit bemerke ich, dass die Frau auf mich im Gegensatz zu ihm sehr schwach wirkt und es ist, als würde sie sich ihm unterwerfen. Blenden wir mal die Tatsache aus, dass das Gemälde „Der Kuss“ benannt wurde: Sieht die Frau wirklich glücklich und zufrieden aus? Eher nicht.
Natürlich ist das wieder eine Frage der Perspektive und der Sichtweise, aber betrachten wir das Szenario noch genauer:
Eine Frau, die vor einem Mann kniet. Nicht zu vergessen: Sie kniet ganz knapp auf einem Hügel neben einem Abgrund. Ist das wirklich romantisch? Ich würde mich ziemlich unwohl fühlen, wenn ich wüsste, dass es neben mir meterweit bergabgeht. Außerdem wirkt die Frau wahnsinnig zerbrechlich und unentspannt. Diese Vermutung unterstreicht vor allem ihre rechte Hand, die unglaublich verkrampft wirkt. Mir tut meine Hand schon weh, wenn ich nur hinsehe. Wie gesagt, ich möchte nur eine andere Perspektive öffnen, eine, die ausnahmsweise nicht von einem glücklichen Liebespaar ausgeht. Im Gegensatz zur Frau wirkt der Mann sehr bestimmt. Er hält sie mit beiden Händen, drückt sie ganz nahe an sich. Fast so, als könnte er kaum die Finger von ihr lassen. Begierde? Kann sein.
Abschließend kann ich nur sagen, dass das Bild ein Rätsel für sich ist und bleiben wird. Ich persönlich glaube, dass jeder das Bild so deutet, wie er gerade empfindet und fühlt. Glaubt man an die Liebe oder ist auch gerade in einer glücklichen Beziehung, wird man auch das Bild dementsprechend deuten. Hat man jedoch gerade einen schlechten Tag, ist generell unglücklich mit seiner jetzigen Situation, dann wird auch hier ähnlich Negatives im Bild gesehen. Es hängt von unserer innerer Einstellung ab, wie wir Dinge wahrnehmen, empfinden und deuten. Genau das macht dieses Bild und generell die Kunst so besonders.
Liebe Gloria, vielen Dank für deinen wunderschön geschriebenen Text, und dass du mit uns teilst, was du siehst!
„Der Kuss“ wird vielfach als Symbol der Liebe angesehen, doch kann man dieses Gemälde auch anders „deuten“? Betrachtet man das Kunstwerk, so sticht einem sofort ein vermeintliches junges Liebespaar ins Auge. Es ist unklar, ob der Mann steht oder kniet. Die beiden befinden sich auf einer Blumenwiese vor bzw. auf einer Klippe. Der Mann, dessen Gesicht dem Betrachter verborgen bleibt, ist gerade dabei, die Frau zärtlich auf die Wange zu küssen. Die linke Hand hat er dabei im Nacken der Frau, die rechte liegt auf ihrem Kinn. Man merkt sofort, dass er die Frau küssen und nicht loslassen möchte. Die hübsche Frau trägt ein buntes Kleid, der Mann eine Art Toga, die vorwiegend schwarz und golden ist. Der Mann hat außerdem eine Efeu-Krone auf dem Kopf, die Frau hingegen ein paar Blumen im Haar. Sie streckt die angewinkelten Beine nach hinten und trägt einen goldenen Schleier. Zudem hat sie eine Hand um den Nacken des Mannes gelegt und die andere Hand hält sozusagen seine Hand fest. Der Kopf des Mannes ist ziemlich eigenartig positioniert, wodurch er wie „abgeschnitten“ aussieht. Es sieht so aus, als ob dieser aus dem Hintergrund „hervorkommen“ würde.
Die „Position“ der Frau sieht nicht unbedingt bequem aus. Hinter ihr befindet sich ein Abgrund, ihre Zehen krallen sich an den Klippenrand. Ist die Klippe vielleicht ein Symbol dafür, dass sich die Frau unsicher über ihre Gefühle ist und Angst hat, eine falsche Entscheidung zu treffen und in den „Abgrund zu stürzen“? Oder hat sie sich etwa dem Mann hingegeben, ist aber nicht unbedingt glücklich über diese Tatsache? Der Mann hat möglicherweise die Kontrolle über sie und lässt nicht zu, dass sie sich ihm entzieht. Er scheint sie zu begehren, was diese aber nicht unbedingt erwidert.
Klimt hat vor allem bei der Kleidung verschiedene Formen wie Kreise und Rechtecke verwendet. Die kantigen Rechtecke lassen den Mann stark, männlich, aber auch ein wenig kalt wirken. Die Kreise erzeugen eher eine ruhige, ausgeglichene Stimmung und betonen die Weiblichkeit der Frau. Zudem hat der Künstler viele verschiedene Farben gewählt, was eine positive Atmosphäre erzeugen soll. Beide Figuren verschwimmen etwas mit dem goldbraunen Hintergrund. Die goldene Kleidung lässt sie „edel“ wirken.
Die Frau scheint nicht glücklich zu sein, ihr Blick ist eher ausdruckslos. Ob die Frau den Mann wirklich liebt, kann man schwer sagen. Vielleicht traut sie sich nicht, sich ihm zu entziehen? Obwohl das Gemälde beim ersten Hinsehen positive Gedanken in mir auslöst, schleicht sich beim genaueren Betrachten die Frage nach der wahren Gefühlslage der Frau in meinen Kopf. Vielleicht wird aber auch einfach ein schmerzlicher Abschied dargestellt, symbolisiert durch den Abgrund.
Wenn ich das Bild anschaue, dann sehe ich überwiegend verschiedene Formen in einem strahlenden Sonnengelb-gold. Auf den ersten Blick sehe ich in dem Gemälde zwei Liebende, der Mann küsst die Frau und dabei ist das Gesicht der Frau deutlich erkennbar. Aus meiner Perspektive kann ich sagen, dass die Frau entzückt und vom Mann geliebt aussieht, obwohl sie vor dem Mann kniet und fast einen Abhang herunterrutscht. Gustav Klimt hätte dieses Kunstwerk nicht umsonst ,,Das Liebespaar“ genannt.
Im Großen und Ganzen spricht mich das Gemälde sehr an und es macht einem Freude es zu betrachten. Was sich Klimt genau beim Malen des Bildes gedacht hat, kann keiner genau beurteilen, doch jeder kann die Bedeutung des Bildes auf seine Art und Weise interpretieren. Genau das ist das schöne an der Kunst und macht die Kunst auch so vielfältig.
Das Bild zeigt uns eine knieende Frau und einen stehenden Mann. Die Beiden sind in dem Moment gefangen. Es sieht aus als könnte nichts ihre Ruhe stören, dass kann man durch den dunklen Hintergrund denken. Sie sind umzingelt von einem Goldenen Mantel mit verschiedenen Mustern. Die Blumenwiese zeigt uns wie schön die Liebe zwischen Ihnen ist.
Die Frau ist am Rande einer Klippe. Es ist so als solle es uns zeigen, dass deren Liebe sie vom fallen hindert.