Los geht’s. Zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Roller, dem Auto oder dem Bus. Viele Transportmöglichkeiten und Wege führen nicht nur nach Rom, sondern auch in den Schönbuch – ein wunderbarer Naturpark, der sich dem Norden Tübingens anschließt. Wir nehmen euch mit an einen Ort, der schon seit Jahrhunderten viele Menschen verzaubert. Der Duft des Waldes weht uns um die Nase. Links und rechts geht es vorbei an uralten Bäumen, neben uns im Tal fließt der Goldersbach sanft durch die Wiesen.
Alles ist saftig grün und auch im Winter, wenn die Landschaft von einer weißen Zuckerschicht überzogen ist, recht schön anzuschauen. So zieht es einen immer weiter durchs Tal. Tübingen liegt in unserem Rücken. Eine Kurve, die nächste, noch ein Stück geradeaus und es macht plötzlich den Anschein, als würden sich die Bäume links und rechts der Straße zur Seite lehnen. Ein Fenster öffnet sich, ein Ausblick, der atemberaubender nicht sein könnte: der Blick auf Bebenhausen.
So zieht es uns in das kleine Dorf. Häuschen reihen sich aneinander. Wunderschöne große Gärten mit uralten Obstbäumen flankieren den Weg. Und auch die Gebäude werden größer. Es sind viele alte Fachwerkhäuser. In der Ferne ein Vierungsturm, gotisch und mit Sicherheit das Wahrzeichen dieses kleinen Ortes. Vor uns erhebt sich ein weiterer Turm, der mächtig gen Himmel ragt. Langsam wagen wir uns durch den Torbogen. Dahinter eröffnet sich ein unvergesslicher Anblick. Kleine Dachreiter reihen sich aneinander. Maßwerkfenster lassen erahnen, dass wir hier ein Schmuckstück gefunden haben.
Einige Jahrhunderte zurück
Ein Schild: Kloster Bebenhausen. Die Beschriftung des dargestellten Grundrisses verrät uns, dass hier auch ein Schloss ist. Also nicht nur mittelalterliche Architektur, die mitten im Schönbuch zu entdecken ist. Dieser Ort verbirgt sicher viele Geschichten, Kunst und Kultur.
Entlang der alten Mauer zieht es uns nach oben, vorbei an der Kasse, die wir vorerst links liegen lassen, denn wir wollen erst diesen märchenhaften Ort erkunden, uns mit der Anlage vertraut machen. Gleich daneben ist das Sommerrefektorium. Die Maßwerkfenster mit ganz individuellen Glaseinsätzen laden zum Staunen ein. Sie streben hoch hinaus, so wie es in der Gotik gewünscht war. Wir gehen weiter, rechts ist ein großes Fachwerkhaus, das sogenannte Abtshaus.
Ein Platz zum Verweilen
Vor uns öffnet sich ein großer Platz. Unser Blick bleibt an einem schmalen Turm hängen, an dem Efeu nach oben rankt. Wir wagen einen Blick durch das angelehnte Fenster: ein Treppenhaus. Über der Eingangstür ein Hirschkopf, der auf uns herunter blickt. Wer hier wohl ein- und ausgegangen ist?
Wir entscheiden uns nach rechts zu gehen. Neben einem Brunnen vor dem Abtshaus, öffnet sich ein kleiner Garten. Und gegenüber ragt ein Turm mit grünen Dachschindeln empor. Wir wagen uns an die Mauer und werfen einen Blick nach unten. Uralte Fachwerkhäuser, in deren Inneren sich sicherlich spannende Geschichten abspielten. Heute sind sie die Herbergen von Familien, Paaren, Singles und Wohngemeinschaften. Früher wurde hier gebacken und geschmiedet.
Ein “adliger” Rückzugsort
In unserem Rücken liegt das Schloss Bebenhausen, Jahrhunderte lang Jagdschloss des Württembergischen Adelshauses. Nicht gerade verwunderlich, wenn man bedenkt, wie perfekt eingebettet diese Idylle in den Schönbuch ist. So liebten nicht nur die Gräf*innen und Herzog*innen des Adelsgeschlechtes die Gegend, sondern auch die König*innen.
Wir schlendern wieder gemütlich zurück Richtung Platz. Vor uns ist ein Gebäude, das durch seine Architektur Zeuge der verschiedenen Bauphasen ist und uns auch nun Gewissheit schenkt, wie alt diese Gebäude wohl sein könnten. Romanische Rundbögen neben gotischen Spitzbögen: Was für ein Anblick.
Wir biegen allerdings nach rechts ab und betreten die sogenannte Kutscherhalle, der Treffpunkt für Schlossführungen. Das wäre ja vielleicht etwas für den nächsten Besuch. Auf der anderen Seite des Gebäudes treten wir in einen Innenhof. Uns gegenüber ist der Kapf’sche Bau, heutiger Sitz des Forstamts, damals Krankenhaus, die Infirmarie des Klosters.
Architektur, die gen Himmel strebt
Als wir aus dem Innenhof treten, liegt er vor uns: In voller Größe präsentiert sich der Vierungsturm. Es ist nicht in Worte zu fassen, wie wunderbar dieser Anblick ist. Wir erfahren, dass gleich gegenüber des Kirchenchors in dem Moment als wir vorbeigehen Honig verkauft wird. Es ist spannend, wie eng hier Alltag und Historie miteinander einhergehen.
Einmal um die Klausur. Dank mobilem Internet und einigen Übersichtstafeln wissen wir nun schon etwas mehr über dieses Kloster: Hier lebten Zisterziensermönche. Danach beherbergten die Gebäude Schüler und Lehrer einer Evangelischen Klosterschule, bis König Friedrich I. von Württemberg entschied, dass die ganze Anlage ausschließlich königliches Hofkammergut sein soll.
Wir entdecken eine Holztür, die leicht offen steht. Kein Schild, das uns einen Eintritt untersagt. Also treten wir hindurch und finden uns auf einem kleinen Friedhof vor dem Chorbereich wieder. Es lohnt sich nicht nur der Blick nach oben, um das Maßwerk und den Turm zu betrachten. Auch die Grabsteine sind sehenswert und erzählen ihre ganz eigenen Geschichten.
Wir kommen wieder
Wir sind neben dem Langhaus der Kirche. Es ist ungewöhnlich kurz. Was da wohl passiert ist?
Vorbei geht es an kleinen Fachwerkhäusern und schon sehen wir den Turm vom Anfang wieder, den Schreibturm. So viele wunderbare alte Gebäude, so viele Steine, die viele Jahrhunderte all die Geschehnisse hier in diesem kleinen Ort miterlebt haben. So viele Fragen, die bei uns noch offen sind.
Wir treten hinaus durch den Torborgen. Vorbei geht es an den schönen Gärten, vorbei an den alten Wohnhäusern, zurück Richtung Tübingen. Vorbei an den Bäumen, die schon die König*innen Baden-Württembergs faszinierten, den Schülern der Evangelischen Klosterschule als Versteck dienten und deren Schönheit den Chorherren des Klosters ganz verborgen blieb. Was für ein wunderbarer Tag an diesem einzigartigen Ort. Das nächste Mal geht’s ins Kloster! Wir freuen uns schon!