Vor einigen Wochen haben wir euch einen Teil der Arbeiten der zweigeteilten Ausstellung KUNST REUTLINGEN 2020 vorgestellt. Nun ist es soweit und es folgen weitere Artikel.
80 Werke von 50 Künstler*innen bietet bzw. boten einen unvergleichlichen Einblick in die regionale Kunstszene und das Kunstschaffen in und rund um Reutlingen. Umso mehr freut es uns, dass wir dieses für euch dokumentieren können.
Lea Borkowski – Midnight Dance
Monumental wirkt das Werk Midnight Dance von Lea Borkowski neben den anderen Arbeiten im Kunstverein Reutlingen. Es zeugt von einem expressiven Farbauftrag, einem erkennbar großzügigen Duktus. Eine große Bandbreite an Farbigkeit zeichnet die Arbeit aus: von tiefschwarz bis neonpink. Es ist fast verstörend, wie sich die verschiedenen Grau-, Pink- und lila Farbstufen überschneiden und bekämpfen, da sie scheinbar für sich im Vordergrund stehen möchten. Man bildet sich ein, Schreie zu hören und umso näher man tritt, umso mehr hat man das Gefühl, dass man mit in den Kampf gezogen wird.
Hermann Helmers – Ein neuer Weg
Ein neuer Weg. Wohin? Für was? Stark und entschlossen wirkt die Arbeit von Hermann Helmers. Das Material, verzinkter Stahl, bestätigt diesen Eindruck. Verschweißte einzelne Platten formen eine Plastik, die trotz der Materialität Leichtigkeit evoziert. Filigrane Schlitze durchbrechen die äußere Hülle und lassen einen wagen Blick in das Innere zu. Strömt aus ihnen verbrauchter Atmen, wie bei Kiemen, da das Einschlagen des neuen Weges so schwer fällt?
Madeleine Mesam – Safety flowers II
Safety flowers II leuchtet mit seinen frischen bunten Farben, evoziert gute Laune. Dargestelltes wirkt im ersten Augenblick frei arrangiert. Doch betrachtet man das Werk genauer, formen sich alle Objekte zu einem großen Ganzen, zu floralen, gar organischen Gebilden. In unserem Interview mit der in Reutlingen lebenden Künstlerin könnt ihr mehr über sie und ihr künstlerisches Schaffen erfahren.
Ulla Frenger – Vernetzt – Sender und Empfänger
Vernetzt – Sender und Vernetzt – Empfänger. Um in Austausch treten zu können, miteinander kommunizieren zu können, braucht es mindestens ein Paar. Einen Sender und einen Empfänger. So entsteht ein Netzwerk und es spannt sich ein Raum der Kommunikation auf. Ulla Frenger präsentiert eben ein solches Gegenpaar.
Beim ersten Betrachten geht man davon aus, dass es sich um Tonarbeiten handelt. Doch die Künstlerin hat in diesem Fall mit Paperclay gearbeitet, einem Material, das äußerst spannende Eigenschaften mit sich bringt. Diese Mischung aus Papierfaserbrei, Ton und Wasser lässt sich auch im Trockenzustand bearbeiten, was somit ganz andere Arbeitsprozesse als reine Tonbearbeitung mit sich bringt. Beim Brennen zersetzt sich der Papieranteil, wodurch ganz einzigartige Hohlräume in den Endprodukten entstehen können.
Uwe Rogg – Algorithmus der Fröhlichkeit
Fahrgeschäfte, leckeres Essen, leckeres Bier, viele Menschen, gute Laune und freundliche Gesichter. Fröhlichkeit. Verbinden wir das nicht alle mit Volksfesten? Zieht uns nicht eben diese gute Stimmung immer wieder auf die doch viel zu überfüllten Rummelplätze? Aus heutiger Sicht ist Uwe Roggs Algorithmus der Fröhlichkeit wie eine Fata Morgana. Wann werden wir wohl die nächste Möglichkeit haben solch ein Fest zu besuchen? In seiner Fotografie friert der Künstler einen ehemals real existierenden Moment ein und lässt sein Werk so zum Zeitzeugen eben dieses Augenblicks werden.
Gudrun Heller-Hoffmann – Blaue Fluchten
Auf schwarzem Hintergrund schweben unterschiedlich große Flächen. Sie suchen sich ihren Platz, ordnen sich in das Gesamtgefüge ein. Durch die verschiedenen Ansichten und Aufsichten entsteht eine Tiefenwirkung, eine Räumlichkeit, die Betrachter*innen in die Blauen Fluchten von Gudrun Heller-Hoffmann zieht. Eine Verortung ist dennoch nicht möglich. Maßstäbe sind nicht einschätzbar und fehlende Bezugsgrößen lassen offen, ob man sich in einer makro- oder mikroskopischen Sphäre bewegt.
Susanne Immer – Neue Wege, neue Sichten
Neue Wege, neue Sichten heißt die Arbeit von Susanne Immer. Die Künstlerin fertigte das Werk aus gezinktem Stahl, ein Material, das man mit Schwere und Starre in Verbindung bringt. Doch das Werk ist alles andere als statisch. Durch leichte Berührung, die gewünscht ist, lässt sich das Werk in Schwingung versetzen. So lädt die Arbeit zum Beobachten ein. In welche Richtung wird sich die Skulptur bewegen? Festgehalten werden kann, dass sie ihren ganz eigenen Spielregeln folgt.
Yvonne Kendall – Netz Nr. 1, 4 und 5
Einkaufstaschen aus Omis Zeiten, die guten Netzbeutel. Eben diesen Alltagsgegenstand, der immer mehr den Weg in die heutigen Einkaufsläden findet, ist Akteur in den Arbeiten Netz Nr.1, Nr. 4 und Nr. 5 von Yvonne Kendall. Die drei Beutel sind Herberge verschiedener Stoffe. Diese füllen den Innenraum, treten allerdings an einigen bewusst gesetzten Stellen nach außen. Kendall lässt Alltagsgegenstände zu Kunst werden, ganz im Sinne der Ready Mades.
Gaby Frey-Bantle – Kirschblüte
Der Holzschnitt Kirschblüte von Gaby Frey-Bantle erinnert nicht nur durch den Titel an Japan. Auch das Format der Arbeit orientiert sich an traditionellen ostasiatischen Vorbildern. Mehrere Druckplatten wurden für das Werk benötigt. Der anschließende Druck, in der eben diese nacheinander abgedruckt wurden, formte die Impression einer Kirschblüte, die ganz individuelle Imagination der Künstlerin.
Ingrid von Normann – Erde
Ingrid von Normann schließt in ihrer Arbeit Erde dunkle Kozo-Pflanzenfasern, die sie manuell arrangiert, in geschöpftes, helles und feinfaseriges Kozo-Papier ein. Eine unvergleichliche Symbiose, die die beiden vom Maulbeerbaum stammenden Materialien durch künstlerische Hand eingehen. Es entsteht ein abstraktes Bild, das diesem einzigartigen Material eine Bühne schenkt.