Der schmale Weg am Neckar, der einen durch das berühmte Stadtbild Tübingens führt, war einer meiner liebsten Wege am Morgen zum Kunsthistorischen Institut. Die Fotografin Barbara Klemm zeigt diesen Ort, wie er mir unbekannt ist. Menschenleer, kein Müll auf dem Weg. Nur auf dem Neckar weiter im Hintergrund erblickt man einen Stocherkahn. Auch auf der Neckarbrücke, dem Knotenpunkt für Busse und Radfahrer*innen in Tübingen, scheint Ruhe zu herrschen. Stille, die nicht ist, aber vielleicht einmal war. Vielleicht hat genau dieses Bild einst Friedrich Hölderlin jeden Tag auf seinem Morgenspaziergang gesehen.
Hölderlins Orte
Mit der Suche nach Bildern reagiert die Fotojournalistin Barbara Klemm auf jene Orte, die der deutsche Dichter Friedrich Hölderlin in seinen Gedichten beschreibt. Dadurch entsteht ein Austausch zwischen dem Hier und dem Gewesenen, zwischen Fotografie und Lyrik. Einige der insgesamt 40 analogen schwarz-weiß Fotografien werden aktuell in der Ausstellung „Hölderlins Orte. Fotografien von Barbara Klemm”, integriert in der Dauerausstellung, im Hölderlinturm gezeigt.
Sandra Potsch, Museumsleiterin des Hölderlinturms, schreibt im gleichnamigen Ausstellungskatalog: „Sein [Hölderlins] Werk wird von topografischen Referenzen geradezu durchzogen – eine literarische Landkarte, auf der sich die Lebens, Imaginations- und Sehnsuchtsorte des Dichters abzeichnen.” (S. 108.)
Klemm bereiste einige biografische Orte und prägende Regionen Hölderlins. Weitere Destinationen, von denen Hölderlin nur fantasierte und nie bereiste, entnahm die Künstlerin aus ihrem eigenen Bildarchiv. So entsteht innerhalb der Fotoserie eine Zäsur. Eine Abgrenzung zwischen dem, was Hölderlin erfahren konnte und was nicht.
„Mit ihrem eigenen Blick folgte die Fotografin dem Blick des Dichters. Indem beide in dieselbe Richtung blickten, fand eine Begegnung statt.” (Sandra Potsch, S. 109)
Barbara Klemm
Die Fotojournalistin Barbara Klemm hat in den vergangenen Jahrzehnten unser Bild von Deutschland, der Wiedervereinigung und Künstler*innen stark geprägt, ohne dass wir es wahrscheinlich bewusst wahrgenommen haben. Sie war über 35 Jahre Fotografin für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, schlich sich zu politischen Ereignissen in Botschaften, um diese zu dokumentieren und besuchte verlassene und vergessene Orte. Mit dabei hatte und hat sie immer eine analoge Kamera, bestückt mit einem schwarz-weiß Film. Kein Stativ, keine riesen Objektive. Alles möglichst unauffällig und schnell einsetzbar. Das Stadtmuseum Tübingen zeigt bis zum 18. Oktober 2020 eine Retrospektive zu ihren Fotografien. Ein spannendes, etwas älteres Interview mit ihr könnt ihr hier sehen:
„Hölderlins Orte. Fotografien von Barbara Klemm” ist im Hölderlinturm noch bis zum 31.5.2020 zu sehen.
Eintritt frei.
Hier geht es zur digitalen Ausstellung „Hölderlins Orte. Fotografien von Barbara Klemm”.
Bis zum 18. Oktober 2020 zeigt das Stadtmuseum Tübingen „Barbara Klemm. Retrospektive”.
Eintritt frei.