Vor dem Kubus aus Glas und Beton thront das Dritte Tier. Die tonnenschwere Bronzeskulptur des Künstlers Thomas Schütte nimmt den / die Besucher*in bereits beim Spaziergang durch die Stadt Bregenz in Empfang. Tritt man etwas näher an das Fabelwesen heran wird klar, dass es sich um ein Mischwesen aus Drache, Robbe und Fisch handelt, das mit jedem Atemzug etwas Wasserdampf aus seinen Nüstern bläst.
Intensive Blicke, Bücher und Architektur
Mit dem Öffnen der großen Glastüren gerät man in das Blickfeld eines überdimensionalen Kopfes. Mit hypnotisierendem Blick sieht das außerirdisch anmutende Wesen, das eine gewisse Ähnlichkeit zum Künstler selbst aufweist, den / die Betrachter*innen an. Im Erdgeschoss des Kunsthauses wird man daraufhin von einem raumgreifenden Architekturmodell empfangen. Betritt man die Konstruktion aus Holz befindet man sich in einer Art Pop-up-Store, der eine Sammlung von Publikationen über das umfangreiche Werk des Künstlers beherbergt. Bereits in diesem Raum können sich Besucher*innen mehrere Stunden aufhalten, neue Aspekte von Schüttes Werk entdecken und sich in dem kleinen Bookstore zurechtfinden.
Ein begehbarer Sarg
Erklimmt man die Betontreppe, um in das zweite Geschoss zu gelangen, betritt man einen Raum voller erstaunlicher kleinformatiger Architekturmodelle. Zu entdecken gibt es unter anderem einen eigenwillig konstruierten Sarg, den der Künstler zusammen mit einem simplen Grabstein bereits für sein eigenes Ableben entworfen hat. Außerdem haben Bunker und Museumsgebäude in Miniaturform den Weg in das Kunsthaus Bregenz gefunden. Ein Sammelsurium aus kreativen und humoristischen Architekturmodellen versetzt die Besucher*innen in die Gedankenwelt des Künstlers und dessen Weltanschauung.
Gesichtslose Helden und Bluesmusik
Die beiden weiteren Stockwerke sind gefüllt mit zahlreichen Skulpturen. Köpfe von befremdlich wirkenden Männern, meterhohe Bronzeskulpturen von heldenartigen Gestalten und verschlungene Körper von weiblichen Wesen. Helden ohne festen Stand, Helden ohne Gesicht, Helden, die scheinbar verloren in den Raum blicken. Menschliche Körperlichkeit, die damit verbundene Vergänglichkeit und das konventionelle Bild des Helden wird mit diesen Arbeiten grundlegend in Frage gestellt. Begleitet werden diese teils monumentalen, teils skurrilen Skulpturen von einer Reihe Zeichnungen. Dargestellt sind stets die Portraits einzelner Männer – Bluesmusiker. Die Hall of Fame der Rockmusik und des Jazz ist eine international bekannte Institution, die die Musiker gebührend würdigt. Eine Hall of Fame für Bluesmusiker existiert allerdings nicht. Aus diesem Grund hat sich Thomas Schütte die Fotografien der Wikipediaartikel der Musiker zum Vorbild genommen, um selbst eine zeichnerische Hall of Fame der Bluesmusiker zu kreieren. Bildnisse der wahren Helden, die von den monumentalen Skulpturen keineswegs in den Schatten gestellt werden.
Von Humor, Tod und Kunst
All diese unterschiedlichen künstlerischen Praktiken haben eine humoristische Komponente inne. Selbst die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit, den gesellschaftlich vorgegebenen Bildern von Helden und den Fabelwesen unserer Traum- und Gedankenwelt wird von Thomas Schütte in seiner Kunst stets mit einem zwinkernden Auge verarbeitet.
Noch bis 06. Oktober 2019 gibt es die Möglichkeit die Ausstellung im Kunsthaus Bregenz zu besuchen und sich eine eigene Meinung über die Fabelwesen, Heldenbilder und Begräbnisvorbereitungen des Künstlers zu machen. Eine umfassende Schau des differenzierten Werks einer der herausragendsten deutschen Künstler unserer Zeit.