Einblick in die Stadt – „Rottenburger Ecken und Kanten“ von Ava Smitmans

Im Theater am Torbogen in Rottenburg ist zur Zeit die Ausstellung "Rottenburger Ecken und Kanten" von Ava Smitmans zu sehen. Hier gibt es einen kleinen Einblick in die Ausstellung.

Niemand muss Sorge haben, dass er oder sie keinen Zugang zu der Welt in Ava Smitmans Werken finden kann. Alle, die in der Stadt Rottenburg wohnen oder gewohnt haben, sehen schon auf den ersten Blick Vertrautes: die Straße, durch die man jeden Tag geht, das kleine Geschäft, an dem man immer vorbei geht und die Häuser, die man unterwegs zwar flüchtig sieht, die aber in der Erinnerung nur einen vagen Eindruck hinterlassen. Mit der detailliert dargestellten Stadtlandschaft steht der Charme der Stadt Rottenburg zum Greifen nah: ruhig, friedlich, vielfältig, mit Spuren des alltäglichen Lebens und voller Geschichten. Die Künstlerin präsentiert nicht einfach nur Orte in der Stadt, sondern setzt sich mit ihr auseinander und interpretiert sie aus ihrer eigenen Perspektive.

Verwinkelung als Motiv

Die überlappend nebeneinanderstehenden Häuser, im Schatten verschwindende Treppen und kleine Straßenfluchten: Die Verwinkelung eröffnet als Motiv viele Möglichkeiten in der Komposition, hebt die Unheimlichkeit und gleichzeitig die Anziehungskraft der Stadtszenen hervor und veranlasst die Betrachter:innen, die Bilder detaillierter zu betrachten. Durch dieses Motiv bereitet die Künstlerin viele Details für die Betrachter:innen vor: ein Auto hinter der Wand, eine Mülltonne in der Ecke, ein kleiner Teil eines Flusses unter den Häusern. Solche allgegenwärtigen Kleinigkeiten in der Stadt, die alle kennen, werden aber kaum wahrgenommen und verstanden. Man ignoriert sie auf vielen Fällen einfach in der Hektik. Für Ava Smitmans können sie allerdings immer Verbindung und Reibung erzeugen.


Die Stadt verändert sich, das Bild aber bleibt

Neben Verwinkelung spielt ein anderes Motiv in Smitmans Werken eine wichtige Rolle: Der Kontrast, der auf unterschiedliche Weise präsentiert wird und den Bildern eine besondere innerliche Spannung verleiht. Eine auffällige Verwendung dieses Motivs ist die Hervorhebung durch Farbe. So sticht das Schild mit einer roten Rose mit grünen Blättern an einem Hauses eines ansonsten schwarz-weißen gehaltenen Bildes besonders heraus. Neben dem Farbkontrast ist es oft die Gegenüberstellung des Neuen und des Alten, das in Ava Smitmans künstlerischem Schaffen eine wesentliche Bedeutung erhält. Im Bild „USA Nails“, zum Beispiel, steht das Geschäft „USA Nails“ im Vordergrund und die alte Kirchenspitze im Hintergrund. Das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Stile und Zeiten weist auf die Veränderung der Stadt hin. Das stille Bild spricht wortlos vom Lauf der Zeit und der Geschichte. „Mein Motto ist, Orte festzuhalten wo sie verschwinden“, sagt die Künstlerin im Gespräch auf der Vernissage. „Als ich in Hamburg studiert habe, wurden die alten Gebäuden einfach abgerissen. Ich war jedes Mal davon erschüttert. Ohne Vorwarnung ist es plötzlich nicht mehr da. Irgendwann habe ich dann angefangen, mich mit Stadtszenen zu beschäftigen und sie zum Thema meiner Arbeit zu machen.


Der „Leerstand“

Auch wenn Ava Smitmans alltägliche Stadtszenen malt, so sind keine Menschen dargestellt. Nur angedeutete Spuren des menschlichen Lebens erzeugen für die Betrachter:innen die Illusion, dass noch immer Menschen präsent sind. Sie könnten im Geschäft sitzen, aus einem Fenster nach draußen schauen oder in der nächsten Sekunde um eine Häuserecke erscheinen. Die indirekte Anwesenheit der Menschen förder die Interaktion zwischen den Betrachter:innen und den Bildern, indem sie einen Raum der Imagination und Erinnerung schafft. Die Betrachter:innen sind eingeladen, diesem „Leerstand“ ihre eigenen Geschichten hinzuzufügen.

Über die Künstlerin

Aus einer Künstlerfamilie stammend, konnte Ava Smitmans schon früh eine Beziehung zur Kunst aufgebauen. „Mein Opa hat uns immer seine Bilder kritisieren lassen“, berichtet sie. Nach der Schule studierte sie freie Kunst an der Fachhochschule Ottersberg und anschließend Illustration in Hamburg. Seit 2005 beschäftigt sie sich mit von Menschen geprägten räumlichen Situationen im Innen- und Außenbereich. Sie konzentriert sich auf Orte, deren Szenen sie beeindrucken und berühren. Dazu gehören Tübingen und Rottenburg, wo sie aufgewachsen ist. Alte Häuser, Felder rund um die Stadt und der Neckar machen ihr Erinnerungen an Heimat und Kindheit aus. Die verschiedenen Kulturen und die Geschichte der Stadt ziehen sie immer wieder an und bewegen sie dazu, die Stadtlandschaft auf der Leinwand zu präsentieren. Dabei spielt Fotografie eine wichtige Rolle als Vorlage für die Gemälde. „Im Winter ist es schwierig, draußen vor Ort zu malen. Und die Fotographie macht auch die Abstraktion einfacher.“, so die Smitmans im Gespräch. Neben Gemälden entstehen auch Zeichnungen mit unterschiedlichsten Malmitteln.

Die Ausstellung „Rottenburger Ecken und Kanten. Ava Smitmans“ ist seit dem 18. Februar im Theater am Torbogen in Rottenburg zu sehen. Sie läuft noch bis zum 28. April 2024. Geöffnet ist sie zu den Vorstellungen am Theater.

Theater am Torbogen
Hinter dem Adler 2
72108 Rottenburg am Neckar