„Berauschend – 10.000 Jahre Bier und Wein“ – wenn Zustände Ausstellungsinhalt werden

Das Landesmuseum Stuttgart stellt momentan die Kulturgeschichte, Kritik und Wissenschaft der alkoholischen Getränke Bier und Wein aus. Nicht nur in der europäischen Kultur ist das Konsumieren der „Alltagsdroge“ tiefverwurzelt. Doch wie sind wir bisher in unserer Gesellschaft damit umgegangen? Und wie können wir Vorurteilen trotzen, die sich rund um das Thema formierten? Die Ausstellung im Stuttgarter Landesmuseum gibt Einblicke, die sich um den Alkohol, seine Verwendung und Herstellung drehen sowie auch um seine sehr alte europäische Geschichte.  

Das Landesmuseum Württemberg Stuttgart stellt momentan die Kulturgeschichte, Kritik und Wissenschaft der alkoholischen Getränke Bier und Wein aus. Nicht nur in der europäischen Kultur ist das Konsumieren der „Alltagsdroge“ tiefverwurzelt. Doch wie sind wir bisher in unserer Gesellschaft damit umgegangen? Und wie können wir Vorurteilen trotzen, die sich rund um das Thema formierten? Die Ausstellung im Württembergischen Landesmuseum gibt Einblicke, die sich um den Alkohol, seine Verwendung und Herstellung drehen sowie auch um seine sehr alte europäische Geschichte.  

Symposion – ein Saufgelage mit Regeln?

Die Ausstellung „Berauschend – 10.000 Jahre Bier und Wein“ beginnt mit der europäischen Kulturgeschichte und führt die Besucher:innen durch das Zurschaustellen von Gefäßformen in die Thematik ein. Das Konsumieren alkoholischer Getränke scheint nicht nur Genius der heutigen Gesellschaft zu sein. Bereits die Griechen hielten ihre Symposien vorerst als ein geselliges Versammeln nach vorgegebenem Ritus nach dem Essen am Hausaltar ab. Ausstellungsobjekte wie die Trinkschale (Kylix) aus der Zeit um 480 v. Chr. entführen bildlich in diese Symposionszenen.

Eine alte griechische schwarze Trinkschale, Kylie genannt, von unten mit einer Symposionszenerie
Kylix (Trinkschale) mit Symposionszenen (Symposion, Kottabos, Musik), um 480 v. Chr., Leihgabe des Badischen Landesmuseums, Karlsruhe © Badisches Landesmuseum, Karlsruhe, Foto: Thomas Goldschmidt

Faszinierend und erschreckend zugleich sind die Vielfalt und die Menge an Trinkgefäßen, die dem Alkohol über die Jahrhunderte hinweg vorbehalten waren. Die Brücke über die 10.000 Jahre bis hin zur schwäbischen Kulturgeschichte schafft die Ausstellung durch die Keltenzeit und führt außerdem gekonnt in die höfische Trinkkultur Württembergs ein. Wer sich nicht mit den Griechen und Kelten identifizieren kann, findet demnach Zahlen und Fakten rund um das Württembergische Herzogshaus, das sich zu hohen Festlichkeiten besondere Ausschanksmethoden heranzog. Denn das Landesmuseum Württemberg besitzt eine große Vielfalt kunsthandwerklicher Trinkgefäße, die den Hofalltag, die Festlichkeiten und deren Kuriositäten vermitteln.

Der fließende Wein aus dem Brunnen des Herzogs

Hervorragend zeigt die Ausstellung durch Exponate, wie vergangene Gesellschaften den Alkohol in Massen konsumierten. Haptisch dürfen Besucher:innen eine Replik eines Trinkhornes aus einem Fürstengrab anheben, dessen Eigengewicht sie zum Staunen bringt. Dass Wein auch durchaus prunkvoll ausgeschenkt werden konnte, zeigt der Weinbrunnen, der am ehemaligen Württembergischen Hof zu großen Festivitäten sprudelte.

Ein goldenes Trinkgeschirr in Schifform auf Rädern.
Trinkgeschirr in Form eines Segelschiffs, Esaias zur Linden (nachweisbar 1609–1632), Nürnberg, 1630/32, silbervergoldet, Landesmuseum Württemberg © Landesmuseum Württemberg, Hendrik Zwietasch

„Bist du schwanger?“

Ein Teil der Ausstellung widmet sich den Vorurteilen, die mit dem Trinken alkoholischer und nicht alkoholischer Getränke einhergeht. Bei kaum einem Thema müssen wir uns, aufgrund von Stigmatisierung in der Gesellschaft, so rechtfertigen wie beim Konsumieren von Alkohol. Die dazu abgespielten Kommentare haben die Kurator:innen gesammelt und eingesprochen. Mit Schrecken wird jeder Besucher bzw. jede Besucherin daran erinnert, selbst den Gedanken oder den Kommentar ausgesprochen zu haben. Eine zeitgenössische Fotoarbeit hält die Wesensveränderung zwischen den Konsumstufen fest und zeigt den Besucher:innen, wie jeder einzelne dabei aussehen könnte. Kritisch, lehrreich und zum Nachdenken anregend schafft die Ausstellung Barrierefreiheit.

Zwischen Naturwissenschaft und Kulturgeschichte

Ohne die naturwissenschaftlichen Methoden wäre den heutigen Wissenschaftler:innen viel verborgen geblieben. Jene Methoden wurden unter anderem bei den Objekten im Landesmuseum Stuttgart angewendet. Ihre Erklärung und Nützlichkeit sowie die Umsetzung jener kommen jedoch in der Ausstellungssituation leider zu kurz. So würden sich die Besucher:innen doch bei den ihnen präsentierten Exponaten über eine Erklärung darüber freuen, wie nach Tausenden von Jahren nachgewiesen werden kann, welche Flüssigkeiten sich in dem jeweiligen Tongefäß befanden. Ebenso werden die differenzierten Analyseergebnisse des Forschungsprojektes zu den Kelten kaum interpretiert und erklärt.

Ein eisernes Trinkhorn mit Goldblechzier
Eisernes Trinkhorn mit Goldblechzier aus dem „Fürstengrab“ von Eberdingen-Hochdorf, um 530 v. Chr., Landesmuseum Württemberg © Landesmuseum Württemberg, P. Frankenstein / H. Zwietasch / J. Lelifeldt

Fazit

Den Bogen über eine 10.000 Jahre alte Entwicklung zum Thema Alkohol wie Bier und Wein darzustellen, ist dem Landesmuseum Württemberg anhand von europäischer Kunstgeschichte, Archäologie und Kulturgeschichte eindrücklich gelungen. Vielfältig finden Besucher:innen sich in der eigenen Rolle wieder, werden zum Nachdenken angeregt, jedoch nicht verurteilt. Die Ausstellung inspiriert sie dazu, sich selbst in der Welt des Alkohols zu entdecken, aber auch einzelne Aspekte kritisch zu hinterfragen. Durch unterschiedliche Herangehensweisen wird das Verhalten der Gesellschaft reflektiert und wissenschaftlich, im Sinne der Kunstgeschichte, Archäologie und Kulturwissenschaft, aufgearbeitet.  

Die Ausstellung „Berauschend – 10.000 Jahre Bier und Wein“ ist bis zum 30. April 2023 im Landesmuseum Württemberg in Stuttgart zu sehen.