„Kubus. Sparda-Kunstpreis“ im Kunstmuseum Stuttgart

Der Kunstpreis Kubus steht dieses Jahr unter dem Thema zeitgenössische Bildhauerei. Für den Sparda-Kunstpreis sind dieses Jahr Ulla von Brandenburg, Camill Leberer und Ülkü Süngün nominiert. Wie unterschiedlich das Thema verhandelt werden kann, sehen wir in der aktuellen Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart.
Der Kunstpreis Kubus steht dieses Jahr unter dem Thema zeitgenössische Bildhauerei. Für den Sparda-Kunstpreis sind dieses Jahr Ulla von Brandenburg, Camill Leberer und Ülkü Süngün nominiert. Wie unterschiedlich das Thema verhandelt werden kann, sehen wir in der aktuellen Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart.

Im Kunstgeschichte-Studium haben wir viel zur klassischen Bildhauerei gelernt. Ganz oben steht die Auseinandersetzung mit Michelangelos David“. Die große Marmorskulptur in Florenz steht als ein Sinnbild der klassischen Bildhauerei der Renaissance. Doch wie geht es mit der Skulptur und somit auch mit der Bildhauerei weiter?  

Installationen, Performances, Tanz und Theater wurden bisher als einzelne Zweige der Kunst für sich selbst kategorisiert. In den 1960er Jahren gaben die Künstler:innen der Minimal Art wesentlichen Impulse für die weitere Entwicklung der Bildhauerei. Ihre Bearbeitung des Themas und Darstellungen ließen den Raum körperlich erfahrbar machen. Die Verhltnisse zwischen Raum, Darstellung und Betrachter:innen wurden neu diskutiert und verhandelt. Doch was versteht man heute unter zeitgenössischer Bildhauerei?  

Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.
Ulla von Brandenburg. Detailansicht.
Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.

Bei dieser Begrifflichkeit muss man ein wenig überlegen und hat vermutlich nicht gleich ein Bild vor Augen. Mit welchen Themen beschäftigt sich die zeitgenössische Bildhauerei und mit welchen Medien wird sie dargestellt? 

Damit beschäftigt sich die Ausstellung Kubus. Sparda-Kunstpreis. Zeitgenössische Bildhauerei. Ulla von Brandenburg – Camill Leberer – Ülkü Süngün” im Kunstmuseum Stuttgart

Der Sparda-Kunstpreis 

Die Sparda-Bank Baden-Württemberg und das Kunstmuseum Stuttgart haben 2015 den Kunstpreis Kubus” ins Leben gerufen. Alle zwei Jahre wird er an eine:n Künstler:in verliehen, der: die eine herausragende bildkünstlerische Leistung erbringt sowie einen direkten biografischen Bezug zu Baden-Württemberg hat. Der mit 20.000 Euro dotierte Preis soll somit einen offenen Blick auf das breite Kunstschaffen in Baden-Württemberg aufzeigen. Vor der tatsächlichen Preisverleihung werden die drei ausgewählten Künstler:innen mit ihren Arbeiten in den Räumen des Kunstmuseums ausgestellt. Somit kann sich das Publikum ganz unvoreingenommen mit den Werken auseinandersetzen.  

Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.
Ülkü Süngün. Detailansicht.
Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart.
Foto: Natalie Savas.

Die Nominierung und Preisvergabe sind an ein mehrstufiges Verfahren gebunden und der: die Preisträger:in wird durch eine Jury prämiert. 2022 besteht sie neben den Vertreter:innen des Kunstmuseums Stuttgart auch aus Dr. Brigitte Franzen (Direktorin Senckenberg Naturmuseum Frankfurt), Prof. Peter Gorschlüter (Direktor Museum Folkwang) und Johann Holten (Direktor Kunsthalle Mannheim). 

Der Kunstpreis Kubus” steht immer unter einem besonderen Thema. Die diesjährige Ausgabe stellt zeitgenössische Bildhauerei in den Fokus.  
Die Arbeiten der Künstler:innen Ulla von Brandenburg, Camill Leberer und Ülkü Süngün zeichnen sich durch eine vielschichtige Auseinandersetzung mit dem Thema Raum und Raumwahrnehmung aus. So werden in der zeitgenössischen Bildhauerei nicht mehr nur klassische Skulpturen oder Plastiken gezeigt, sondern multimedial gearbeitet. Alle nominierten Künstler:innen beschäftigen sich mit dem Ereignisraum, dem sozialen Raum und dem Kunst- bzw. Bühnenraum. Dabei bedienen sie sich an Installationen, partizipativer Kunst sowie Performances und diskutieren den kulturellen, sozialen und persönlichen Raumbegriff.

Raum in Raum – Die Architektur des Kunstmuseum Stuttgart wird ausgeschöpft 

In vollen Zügen wird für die Ausstellung die Architektur des Kunstmuseum Stuttgart in vollen Zügen ausgeschöpft. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde an der Empore eine Wand an der Empore errichtet, sodass die Galeriesicht versperrt und der Raum somit abgetrennt ist. Die Künstler:innen sind jeweils auf den drei Etagen der Räume für Wechselausstellungen verteilt. 

Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.
Camill Leberer. Detailansicht,
Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.

Ebene 1: Vergangenheit — Erinnerung | Ulla von Brandenburg

Ulla von Brandenburg ist in Karlsruhe geboren und arbeitet zwischenzeitlich in ihrer Geburtsstadt und in Paris. In ihren raumübergreifenden und multimedialen Installationen vereinigen sich Elemente aus dem Tanz, Theater und Folklore, wodurch in ihren Arbeiten ein bühnenhafter Moment aufgemacht wird.  

Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.
Künstlerin Ulla von Brandenburg mit Kuratorin Dr. Sabine Gruber vor der Arbeit
Blaue und Gelbe Schatten V” von 2021. Foto: Natalie Savas

Sie bedient sich in ihrer Arbeit Blaue und Gelbe Schatten V” von 2021 an bemalten Stoffen aus der Warschauer Oper, die aus den 1950er bis 1970er Jahren stammen und als Patchwork aneinandergenäht wurden. Die Themen Theater und Oper treffen aufeinander: von Brandenburg hat für das Stück „Walküre“ einen Raum gestaltet, der wie ein gelber Kokon wirkt. Von Stäben durchzogen erinnert es an  Walkürespeere. 

In ihren Cyanotypien finden wir die Schatten aller Objekte aus den Performances der Künstlerin. Während die Objekte in der Performance eine gegenständliche Bedeutung haben, werden sie in den Cyanotypien zu flachen weißen Flächen.  

Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.
Die Cyanotypien der Künstlerin Ulla von Brandenburg in der Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.

Die Objekte der Performance sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. Während der Laufzeit der Ausstellung werden diese ihren Platz stetig verändern.  

Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.
Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.

Die Künstlerin greift mit ihren Arbeiten in die Architektur des White Cube ein. Sie schafft so neue Räume, die sich in ihrer Wahrnehmbarkeit ändern. 

Ebene 2: Stahl trifft auf Glas trifft auf Licht | Camill Leberer 

Die zweite Ebene des Kunstmuseums überrascht die Besucher:innen mit einem Kontrastprogramm.  

Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.
Stahl, Glas und Licht treffen bei Camill Leberer aufeinander.
Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.

Die Arbeiten von Camill Leberer sind aus überwiegend aus Stahl und stehen in einem hellen Raum und fordern die Kommunikation mit den Betrachtenden ein.  

Camill Leberer’s Thema ist die Pandora. Daraus ergibt sich die Auseinandersetzung mit der Formulierung der inneren Wahrnehmung. Wenn wir die Büchse der Pandora betrachten, sehen wir darin das Böse, aber auch die Hoffnung. Und genau das vielleicht spiegeln auch die Arbeiten des in Stuttgart lebenden Künstlers.  

Seine plastischen Konstruktionen oszillieren zwischen Innen und Außen, zwischen Schwere und Leichte. Die aus Industrieeisen gefertigten Skelette treffen auf zerbrechliches Glas sowie auf transparente oder deckende Farben. Die darin enthaltenden Lichtelemente lassen sie strahlen und nehmen den Betrachtenden mit in das Kunstwerk ein: Die eigene Spiegelung am Glas lässt einen zum flüchtigen Teil des Kunstwerkes werden.  

Auch in seinen Fotografien richtet der Künstler seinen Blick auf das Thema: Was ist der Kern, was ist die Haut. Also, was ist innen, was ist außen? So richtet sich in der Arbeit O.T.”, eine Fotografie von 2022, der Blick von Außen nach Innen, in Leberer’s Definition also vom Kern zur Haut.  

Ebene 3: Der soziale Raum wird musealisiert | Ülkü Süngün 

Was passiert, wenn man soziale Fragen in ein Museum bringt und sie in einem musealen Kontext ausstellt und diskutiert? 

Ülkü Süngün setzt sich in ihren Arbeiten mit dem sozialen Raum, den wir teilen, aber auch mit dem sozialen Raum, den wir nicht teilen, auseinander. Ihr Ausgangspunkt ist die Frage: Wo stehe ich in der Gesellschaft?  
Mit dieser Frage im Gepäck gehen ihre Kunstwerke auf Diskrepanz und hinterfragen soziale Themen wie Identität und Gesellschaft und stellen Zusammenhänge her.  

Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.
Ülkü Süngün vor ihren Arbeiten in der Ausstellung.
Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.

Ihre Arbeit Evein“ entstand als Soundinstallation und thematisiert die Artikulation eines Vornamens. Wie so oft erleben Menschen in europäischen Ländern die Problematik, dass ihre „nicht-europäischen“-Vornamen nicht richtig ausgesprochen werden. Ülkü Süngün möchte in dieser Arbeit darauf eingehen, was mit einem Namen passiert, wenn er nicht richtig ausgesprochen wird und was dies mit den Namensträger:innen macht. Das Kunstwerk macht ein Spannungsfeld zwischen Anpassung und Rebellion auf.  

Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.
Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart.
Foto: Natalie Savas.

Die Künstlerin kam in Istanbul auf die Welt und lebt in Stuttgart. Sie arbeitet sehr projektbezogen und weist in ihren Performances auf die sozialen und gesellschaftlichen Probleme und Diskurse hin.  

Rahmenprogramm

Die Ausstellung wird von einem vielfältigen Vermittlungsprogramm begleitet: Das Booklet erklärt in deutscher und englischer Sprache die Arbeiten und leitet die Rezipient:innen mithilfe von Raumgrafiken von einem Exponat zum nächsten. Ergänzend dazu gibt es einen Mediaguide als App, der kostenlos zur Verfügung steht.  

Der Mediaguide arbeitet mit dem Booklet, denn darin sind Patterns angebracht: Scannt man diese über die App ab, erhält man weitere Informationen zur Ausstellung sowie Berichte zu und von den Künstler:innen. Eine Augmented Reality Funktion ermöglicht es, die Werke aus der Ausstellung in der 3D-Ansicht darzustellen. 

Immer freitags und sonntags findet eine Ausstellungsführung statt. Ulla von Brandenburg empfängt das Publikum im Oktober zu einer Dialogführung. Dieser Rahmen wird im November von Camill Leberer und im Dezember mit Ülkü Süngün fortgesetzt. Außerdem wird es jeweils eine Performance mit Ulla von Brandenburg und Ülkü Süngün vor Ort im Museum stattfinden.  

Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.
Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.

Eigens für die Ausstellung wurde ein Mediaguide entwickelt, der den Audioguide des Museums erweitert und den Besucher:innen die Möglichkeit bietet sich vorab auf die Ausstellung vorzubereiten oder nach dem Ausstellungsbesuch die Kunstwerke und die Künstler:innenpositionen zu Hause zu rezipieren.  

Die Ausstellung läuft bis zum 8. Januar 2023 und bietet allen Kunstinteressierten eine hervorragende Möglichkeit sich mit der zeitgenössischen Bildhauerei auseinander zu setzen.  

Zudem haben die Besucher:innen noch die Möglichkeit unter den drei Künstler:innen einen Publikumspreis zu verleihen. Der Publikumspreis wird in Höhe von 5.000 Euro ausgelobt. Die Bekanntgabe des Publikumspreises erfolgt nach Ausstellungsende, aber die Bekanntgabe der:s Preisträger:in erfolgt bereits am 4. November.  

Überlegungen zur Ausstellung 

Gegenstand der Ausstellung ist die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Raum anhand der zeitgenössischen Bildhauerei. Sie bildet eine großartige Gelegenheit sich mit den sozialen, gesellschaftlichen und persönlichen Räumen zu befassen. Dabei kann man verschiedene Medien wie Performance, Installation, Cyanotypie oder Fotografie kennenlernen.  

Die Kuratorin Dr. Sabine Gruber hat durch die klassische Ausstellungsorganisation und räumliche Einteilung eine klare Abgrenzung zwischen den Künstler:innen geschaffen und ermöglicht den Besucher:innen das tiefe Eintauchen in die einzelne Künstler:innenpositionen.  

Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.
Ausstellungsansicht, „Kubus. Sparda-Kunstpreis.“ im Kunstmuseum Stuttgart. Foto: Natalie Savas.

Es handelt sich um eine durchweg anspruchsvolle und durchdachte Ausstellung, die den Blick auf die zeitgenössische Bildhauerei richtet, dabei aber nicht nur Antworten, sondern auch Fragen aufwirft. So ist der Begriff der zeitgenössischen Bildhauerei nicht für jeden einfach zu greifen und vielleicht versteht man auch unter Bildhauerei nicht unbedingt eine Performance oder Installation. Wir als Besucher:innen werden aufgefordert uns zu fragen, wie wir diese Kunstrichtungen kategorisieren und warum wir das so machen.  

Der Mediaguide ist ein Werkzeug, welches es den Rezipienten die Kunst näherbringt und gar spielerisch jede:n auffordert, sich mit den Kunstwerken auseinanderzusetzen.