48 Stunden in Madrid

Fernweh? Unsere Autorin Paulin gibt Tipps, was man bei einem Kurztripp nach Madrid unbedingt gesehen haben sollte und macht Lust, die spanische Metropole zu besuchen.

Es gab wohl nie einen besseren Zeitpunkt, um Spaniens Hauptstadt zu besuchen: Eine regelrechte Flut an Kreativität, Unternehmertum und Experimentierfreude haben die alternden Märkte Madrids belebt und heruntergekommene Fabriken in florierende Kunstzentren verwandelt. Junge Kulturschaffende und Partygänger:innen strömen auch trotz der Pandemie in Scharen in etablierte Nachtleben- und Einkaufszentren wie Malasaña, das modisch entspannte Conde Duque mit seiner namensgebenden Barockkaserne des Herzogs von Alba und das multikulturelle Lavapiés, indem es die besten Tapasbars der Stadt gibt.

Freitagnachmittag

Beginnt man seinen Madrid-Besuch mit einer kleinen Aufheiterung am Nachmittag, so empfiehlt es sich erstmal entspannt ein Stück Kuchen und einen Kaffee/Tee zu sich zu nehmen. Empfehlenswerte Cafés gibt es eine ganze Reihe, gut gelegen ist das Harina (Calle de Alfonso XII, 22) direkt am Stadtpark.

Wer nämlich dann, etwas gestärkt, direkt mit dem Kulturprogramm beginnen und sich dabei auch noch den Eintritt sparen möchte, sollte gegen 17.30 Uhr in eines der zwei prominentesten Museen gehen: Die Qual der Wahl hat man zwischen dem Museo del Prado und dem Museo Reina Sofía, die beide pünktlich um 18 Uhr freie Eintrittskarten vergeben. Man sollte allerdings unbedingt rechtzeitig da sein, weil meist viel los ist und nur zwei Stunden Zeit bleiben bis die Museen schließen. Das Prado ist bekannt für eine enorme Sammlung Alter Meister und sowohl die absolut schönsten niederländischen, als auch spanischen Malereien in riesigen Formaten. Man könnte regelrecht Wochen darin verbringen. Das Museo Reina Sofía ist das renommierteste Museum moderner und zeitgenössischer Kunst Spaniens mit einer riesigen Auswahl an wechselnden Ausstellungen und natürlich einem sagenhaften Bestand an Klassikern der Moderne wie zum Beispiel dem Gemälde „Guernica“ von Pablo Picasso, das man als Kunstliebhaber einfach gesehen haben muss, wenn man in Madrid war. Die erst Ende März eröffnete Ausstellung des Museo Reina Sofía; „De Postada a Isotype, de Kollwitz a Catlett. Diálogos de arte gráfico político. Alemania – México 1900-1968“ ist noch bis zum 29. August 2022 geöffnet und absolut sehenswert. Gezeigt werden über 500 Grafiken deutscher und postrevolutionärer mexikanischer Künstler zwischen 1900 und 1968 im politischen Dialog, so Käthe Kollwitz, Max Beckmann, George Grosz, Otto Dix und viele andere neben, beziehungsweise gegenübergestellt an: José Guadalupe Postada, einer großen Zahl an Grafikern, Schriftstellern, Aktivisten und beispielsweise im Exil lebende amerikanische Künstler wie die Fotografin Mariana Yampolsky, den Maler Charles White und die Bildhauerin und Kupferstecherin Elizabeth Catlett.

Eine wundervolle Alternative wäre bei gutem Wetter in einen der belebten Parks der Stadt zu gehen. Sie laden vor allem im Sommer regelrecht dazu ein, durch sie hindurchzuschlendern und den Schatten in den Alleen zu genießen. Ich gehe sehr gerne in den Retiro, der auch kulturell einiges zu bieten hat. Die aktuelle, vom Museo Reina Sofía kuratierte Ausstellung Carlos Bunga: Contra la extravagancia del deseo (April – September 2022) im Palacio de Cristal, zeigt aktuell den renommierten portugiesischen Künstler Carlos Bunga. Seine künstlerische Sprache war anfangs eher malerisch, bewegte sich jedoch im Zuge seiner Karriere immer mehr hin zu architektonischen, dreidimensionalen Installationen, die gegen die festgefahrenen Konventionen von Kunst gehen und den Raum als solchen regelrecht dekonstruieren. Die Kreisläufe der Natur umgeben den Palast sowie den Kontext, in dem das Gebäude gebaut wurde; nämlich im Jahre 1887, um eine Philippinen-Ausstellung mit der Flora und Fauna, aber auch Ureinwohnern des von Spanien kolonialisierten Landes zu zeigen. Bungas Installation, genauso wie die des philippinischen Filmemachers Kidlat Tahimik in der Ausstellung davor, eröffnet einen Schlüssel zu neuen Diskursen. Letztere lädt dazu ein über die Kolonialgeschichte des Landes und insbesondere des Gebäudes, das schließlich vor gut einhundert Jahren noch als Menschenzoo in Gebrauch war, zu reflektieren.

Am 3. Juni eröffnet die Ausstellung La peripecia del autómata des Künstlers Néstor Sanmiguel (Zaragoza, 1949) im Palacio de Velásquez, ebenfalls im Retiro-Park zu finden, das ein ausgesprochen schönes historistisches Gebäude ist, das 1881 errichtet und vom namensgebenden Architekten Ricardo Velásquez Bosco schon ursprünglich für Kunst entworfen wurde. Das neoklassizistische Gebäude besteht aus roten Ziegeln und die keramischen Verzierungen sind von Daniel Zuloaga entworfen worden. Die Ausstellung zu Néstor Sanmiguel läuft noch bis zum 19. September und soll einen guten Überblick über die verschiedenen künstlerischen Phasen und hunderte von Zeichnungen und Gemälde des Künstlers geben, in denen historische Tiefe mit Bezügen zur Kunstgeschichte, Literatur und Populärkultur erkannt werden können.

Nachdem man etwas frische Luft geschnappt hat und nun in einer der Ausstellungen war, die der Retiro Park zu bieten hat, die zudem auch alle kostenlos sind, kann man bei gutem Wetter – womöglich an einem lauen Sommerabend bei Sonnenuntergang – noch eine romantische Ruderbootsfahrt auf dem See buchen (vorab online oder mit etwas Geduld auch vor Ort).

Freitagabend

Wer den Abend ganz entspannt ausklingen lassen will, vielleicht schon einen knurrenden Magen hat und zufällig Lust auf die beste Tortilla der Stadt, kann diese auf einer grün bewachsenen und mit Lichterketten geschmückten, vielleicht etwas alternativ-studentischen aber sehr gemütlichen Bar mit entzückender Dachterrasse tun; El Viajero (Casa de Cebada 11). Das liegt im ohnehin sehr sehenswerten Stadtteil La Latina. Alternativ ist auch das sizilianische Restaurant La Tavernetta Del Pirata (Calle de Sta Engracia 26) zu empfehlen, das die beste Meeresfrüchte-Pasta weit und breit zu bieten hat. Vor allem ist es auch nicht das italienische Essen, das man schon hunderte Male gegessen hat, sondern eben etwas Besonderes mit einem kleinen Twist. Für den kleinen Hunger und eine Erfrischung zwischendurch, in Laufentfernung vom Retiro und dem Museo del Prado, liegt auch die sehr authentische Tapas-Bar Taberna La Dolores (Plaza de Jesus 4) in der man am besten ein Bier und sagenhaft gute Baguettescheiben mit Bacalao bekrönt bestellt, dazu Oliven oder Serranoschinken.

Wirklich gute Drinks mit Überraschungseffekt gibt es in der Bar Salmon Guru (Calle de Echegaray 21), Macera Bar (Calle San Mateo 21) und besondere Weine bei Bendito Vinos y Vonclos (Mercado de San Fernando 41).

Samstagvormittag

Den perfekten Samstagvormittag verbringt man wohl am besten mit einem ausgelassenen Brunch im Zentrum. Dafür empfehle ich Zenith Brunch & Cocktails (Calle de Valverde 28) da gibt es eine große Auswahl (es gibt auch Glutenfreies und Veganes). Wer dort aber nicht das Glück haben sollte einen Tisch zu bekommen, kann es noch im Café de la Luz (Calle de la Puebla 8) eine Straße weiter versuchen. Dort ist die Auswahl kleiner aber dafür die Atmosphäre umso netter. Ansonsten, ebenfalls in der Nähe, ist das La Bicicleta Café (Pl. De San Ildefonso 9) noch zu empfehlen, vor allem der Avocadotoast mit Ei.

Gestärkt kann man dann zur Gran Vía laufen. Falls man es nicht schon selbst entdeckt, sollte man an der Casa de Portugueses (Calle de la Virgen de los Peligros 13) anhalten und kurz nach oben sehen. Das ist, wie ich finde, eines der schönsten Gebäude der Stadt. Es ist im Jahre 1919 von einem gewissen Eduardo Garrido Ocampo in Auftrag gegeben und schließlich von dem Architekten Luis Bellido González entworfen worden. Besonders schön daran ist die verwunschene Terrasse, die fast vollständig bewachsen ist und die große, mit portugiesischen Kacheln verzierte Kuppel des Türmchens. Die hohen historistischen Gebäude auf der Gran Vía sind auch ganz besonders beeindruckend und es ergeben sich unendliche Einkaufsmöglichkeiten: Von den bekannten großen Modekettenbis hin zu kleineren Boutiquen gibt es dort wirklich alles was das Fashion-Herz begehrt. Hinterher kann man sich in Sol (das ist das Zentrum und 5 Minuten zu Fuß von der Gran Vía entfernt) die Puerta del Sol ansehen, den Fuß auf den geografischen Mittelpunkt Spaniens tippen und das Wahrzeichen von Madrid bewundern: Einen Bären, der an einem Erdbeerbaum knabbert (el Oso y el Madroño). Danach muss man unbedingt die mittelalterliche Plaza Mayor ansehen, weiter zum Palacio Real und von dort aus die wunderbare Aussicht genießen.

Am Samstagmittag kann man sich im Museo Cerralbo (Calle Ventura Rodríguez 17)  in das Leben einer aristokratischen Familie am Ende des 19. Jahrhunderts versetzen. Das neobarocke Palais des 17. Markgrafen von Cerralbo wurde schon von Anfang an als Wohnhaus mit zusätzlicher musealer Funktion konzipiert. Es enthält über 50.000 Exponate bestehend aus Gemälden, archäologischen Funden, Keramik, Grafiken, Medaillen, Waffen etc. die auf den zahlreichen Reisen der Familie zusammengetragen und jetzt dem spanischen Staat als Kulturerbe übertragen wurden (der Eintritt kostet 3 Euro, ermäßigt 1,50 Euro und samstags schießt das Museum um 15 Uhr).

Alternativ kann ich auch das Stadtmuseum empfehlen, das Museo de Historia de Madrid (Calle Fuencarral 78), angrenzend an das sehr hippe und sehenswerte Stadtviertel Malasaña. Das Museum erzählt die Geschichte der Stadt und bei dem Gebäude, in dem es sich befindet, handelt es sich um das Hospiz San Fernando, das im 18. Jahrhundert während der Herrschaft Phillipps V. erbaut wurde. Besonders sehenswert ist das Eingangsportal, das als ein hervorragendes Beispiel des spanischen Barocks gilt. Im Inneren kann man unter unzähligen faszinierenden Gemälden eher unbekannterer Künstler auch Werke von Goya, das Modell der Stadt und einige Landkarten bewundern.

Samstag(nach)mittag

Wer Lust auf chinesisches Mittagessen hat, könnte bei Xiaolongkan Hot Pot (Calle de Maestro Arbos 3) essen – es ist einfach fantastisch gut, authentisch und die Auswahl riesig. Außerdem bietet Bunny’s Deli (Calle San Gregorio 17) frische, vegane und glutenfreie Bio-Gerichte bis 16 Uhr für einen guten Preis an. In der Nähe von der Plaza Mayor gibt es auch noch das berühmte Restaurant Sobrino de Botín (Calle de Cuchilleros 17): Bekannt ist es als ältestes Restaurant der Welt und seit über 300 Jahren gibt es dort Sparnferkel und Rotwein. Das war wohl auch schon die Bestellung von Ernest Hemingway in den 1920er Jahren. Auf den letzten Seiten des Klassikers „Fiesta“ heißt es: “Wir saßen oben im ersten Stock bei Botín. Es ist eines der besten Restaurants der Welt.“         

Kommen wir nun zu dem obligatorischen Sundowner auf einer Dachterrasse am Samstagnachmittag. Es mag ein Madrid-Klischee sein, aber einen Drink vor dem Abendessen zu schlürfen, während man den Sonnenuntergang über dem faszinierenden Stadtbild bestaunt, ist durch kaum etwas zu übertreffen. Die Panorama-Dachterrasse Sky Bar 360° des Riu Plaza España Hotels (Calle Gran Vía 84) bietet den besten Ausblick aus schwindelerregender Höhe von einer Brücke aus Glas zwischen zwei Gebäudeteilen und wirklich leckere Cocktails. Der Aufstieg kostet allerdings schon alleine 10 Euro und Wartezeit sollte man meist einplanen. Wem das zu teuer ist oder wer keine Lust hat so lange zu warten kann zwischen einer ganzen Reihe an anderen tollen Dachterrassen wählen; im Círculo de Bellas Artes (Calle de Alcalá 42) zum Beispiel, einem Gebäude aus den 1920er Jahren, zahlt man keinen Eintritt wenn man die Bar besucht und der Ausblick auf das Stadtzentrum ist auch einfach sagenhaft. Wer wirklich nur die Aussicht auf die Gran Vía aus der Vogelperspektive sehen will, ohne viel zu zahlen oder etwas zu sich zu nehmen, kann (für 3 Euro) auf den Mirador des 1919 erbauten, wunderschönen Postgebäudes; des Palacio de Cibeles (Plaza de Cibeles), das auch tolle Kunstausstellungen im Erdgeschoss bietet und als historisches Gebäude an sich schon eine Attraktion ist.

Samstagabend

Madrids Nachtleben und Club-Szene ist absolut auf Augenhöhe mit Europas Besten. Es gibt auch in Zeiten der Pandemie eine Reihe von Veranstaltungsorten, die wieder oder neu eröffnet wurden. Meistens ist es zu empfehlen die Tickets für Clubs schon online zu kaufen (auf der jeweiligen Website) und oftmals kann man bei Instagram per DM fragen, ob sie einen auf die Gästeliste setzen (das funktioniert oftmals wenn der Frauenanteil der Gruppe hoch ist und man spart sich den Eintritt). Ansonsten bewegen sich die Eintrittspreise in der Regel so zwischen 10 und 25 Euro, beinhalten aber meistens ein bis zwei „copas“, also Longdrinks und diese sind für gewöhnlich außerordentlich stark. Man darf sich eigentlich ausnahmslos auf das Warten in der Schlange einstellen, egal ob man reserviert hat oder nicht. Deswegen empfiehlt es sich, etwas eher da zu sein, was aber nicht schwerfällt, da die meisten Etablissements erst gegen 1 Uhr Nachts öffnen, zumindest wenn es sich nicht um eine Bar oder ein Restaurant handelt, das später zur Tanz-Location wird, von denen es auch einige empfehlenswerte gibt. Diese sind allerdings meist mit der Reservierung eines Tisches verbunden und erfordern einen Mindestverzehr. Das Habanera (Chamberí, Calle de Genova 28) bietet eine mediterrane, spanische Küche und ist auch für Vegetarier und glutenfreie Speisen geeignet.

Des Weiteren gibt es das Marieta (Paseo Castellana 44) und Perrachica (Calle Eloy Gonzalo 10), die alle ähnlich sind; also eine Kombination aus Nachtclub und Restaurant. Der Club-Charakter entfaltet sich allerdings erst zwischen 11 und 12, der Höhepunkt ist meistens gegen 1–2 Uhr und oft schließen sie auch zwischen 2 und 3 Uhr schon wieder, bieten aber oft Tickets für andere Locations zum Weiterfeiern an.

Wer noch nicht müde ist und weiterziehen will, dem empfehle ich das Teatro Magno (Calle de Cedaceros 7). Das ist wie ich finde ein eher exklusiver Club und bietet eine ganz besondere Location: Wie der Name schon verrät, handelt es sich um ein ehemaliges Theater mit mehreren Etagen, von denen man aus auf die Tanzfläche sehen kann und die Bühne erlaubt es immer mal wieder zwischendurch Live-Performances zu erleben. Man muss älter als 23 Jahre alt sein und der Eintritt kostet inklusive erstem Getränk in etwa 20 Euro. Wer elektronische Beats gerne mag, kann ab 2 Uhr den Goya Social Club (Calle de Goya 43) ausprobieren, einen lebhaften, von Berlin inspirierten unterirdischen Veranstaltungsort mit einem recht guten Soundsystem (Eintritt 15–20 Euro, inklusive erstes Getränk). Die Sala el Sol (Calle de los Jardines 3) ist auch seit 1979 bekannt für Live-Musik in Madrid (Eintritt 15 Euro, inklusive erstes Getränk), recht klein und daher vom Ambiente recht intim. Wer eher spanische Songs, Hip-Hop und Reggae Musik feiert findet auch da unendliche Möglichkeiten die Nacht gebührend ausklingen zu lassen.

Sonntag

Nach einem Brunch im Café del Art (Plaza De Cascorro 9) kann man an einem schönen Sonntag auf den El Rastro; das ist ein großer Markt, der von Kunst über Antiquitäten, Bücher, Klamotten und allen möglichen Kuriositäten wirklich alles zu bieten hat.

Danach könnte man noch in das Museo Thyssen Bornemisza (P.° del Prado 8). Das ist mein absolutes Lieblingsmuseum, da es eine riesige Sammlung an den farbenprächtigsten Malereien der Klassischen Moderne hat. Dort einen Preisnachlass zu bekommen ist selbst als Kunstgeschichte-Student:in nicht immer möglich, dafür ist der Eintritt an Montagen frei, falls man das Glück hat dann noch vor Ort zu sein. Ganz in der Nähe, rund um die Metrostation Anton Martín gibt es jede Menge kleinere Läden und Tapasbars, in denen man gut einen Nachmittag ausklingen lassen kann.

Ich kann nur sagen, selbst nach einem halben Jahr in Madrid habe ich noch immer das Gefühl lange nicht ausreichend gesehen und entdeckt zu haben, wer also wirklich nur ein Wochenende in der Hauptstadt verbringen kann und ein wahrer Kunstliebhaber ist, wird unweigerlich mit der Lust nach mehr zurückreisen müssen.