So beschreiben die zwei Galeristinnen Andrea Dreher und Stefanie Büchele ihre Arbeit. Seit 2017 betreiben die beiden die Galerie 21.06 in Ravensburg und zeigen Künstler*innen des 21. Jahrhunderts. Mit ihrer Galerie bringen sie Großstadtatmosphäre in die Kleinstadt und schaffen mit globaler Kunst einen Ort der Begegnung.
Die Galerie ist eine große Bereicherung für Ravensburg und darüber hinaus. Grund genug, euch die zwei Galeristinnen mit diesem Interview vorzustellen.
Wer seid ihr?
Stefanie Büchele aus Berlin und Andrea Dreher aus Ravensburg.
Die Galeristinnen Andrea Dreher und Stefanie Büchele © Markus Haner
Wie und wann seid ihr zur Kunst gekommen?
Stefanie Büchele: ich arbeitete Jahre lang im Office-Bereich eines internationalen Großkonzerns in Berlin, kam als Mitarbeiterin mit eigenem „artpass“ regelmäßig in Kontakt mit musealen Ausstellungen und habe natürlich das Kulturgeschehen in Berlin immer als Teil des Berliner Alltags erfahren.
Andrea Dreher: Ich habe Kunstgeschichte studiert und beschäftige mich entsprechend schon sehr lange mit Kunst.
Was hat euch nach Oberschwaben gebracht?
Stefanie Büchele: Ein privater Umzug vor 8 Jahren.
Andrea Dreher: Der Jobwechsel meines Mannes vor 21 Jahren.
Wie ist die Idee entstanden, in Ravensburg gemeinsam eine Galerie zu führen?
Andrea Dreher: Ich habe viele Jahre für die Vorgänger-Galeristin Doris Hölder Texte verfasst und Ausstellungen eröffnet. Ende 2016 sprach mich Frau Hölder auf die Übernahme ihrer Galerie an, da sie sich in den Ruhestand begeben wollte. Nach einiger Überlegung beschloss ich, den Schritt zu wagen, suchte aber nach einer Geschäftspartnerin, die im Galeriebusiness den administrativen und buchhalterischen Teil übernimmt und mit der ich eine gute und professionelle Schnittmenge bilde. Wir beide kannten uns vorher nur aus dem privaten Umfeld.
Andrea Dreher in der Vorgänger-Galerie im Jahr 2007, Foto: Privat.
Wie kam es zu dem Namen „21.06“?
Auf der Suche nach einem Galerienamen wollten wir nicht allzu regional klingen, auch gefiel uns die Version mit unseren beiden Namen nicht. Stefanie Büchele hatte dann die Idee, die Galerie nicht am 1. Juli 2017 zu eröffnen (was ursprünglich der Plan war), sondern an Sonnwend, dem längsten Tag des Jahres. Ein Londoner Galeristenfreund, den wir wegen der Namenssuche auch konsultiert hatten, schlug vor, das Datum als Namen zu nehmen, so entstand die Galerie 21.06 (einundzwanzignullsechs).
Logo der Galerie 21.06 © Galerie 21.06
Wie würdet ihr eure Arbeit in der Galerie in drei Worten beschreiben?
Dialogisch, engagiert, zupackend.
Stefanie Büchele im Gespräch bei einer Ausstellungseröffnung © Galerie 21.06
Welche Ziele verfolgt ihr mit eurer Galerie?
Wir wollen in unserer Galerie den Nimbus des Elitären abbauen und klarstellen, dass Kunst kein Luxusgut der Upperclass ist, sondern ein Mehrwert für viele. Wir wollen Lust machen auf ein Leben mit echter Kunst, denn wer einmal auf den Geschmack gekommen ist, weiß, was ihm*ihr vorher fehlte. Wer eine Galerie in einer Kleinstadt betreibt, muss Urbanität und Vielfalt wollen. Diese Einstellung teilen wir beide, denn Provinz sollte nicht als Synonym für „provinziell“ missverstanden werden. Wir nutzen die Chance, intensiver wahrgenommen zu werden und den Kulturbegriff aktiv mitzugestalten.
Was sind eure alltäglichen Aufgaben und Herausforderungen?
Gerade jetzt auch mit der Corona-Pandemie.
Wir müssen täglich dafür kämpfen, dass eine kommerzielle Galerie als Verkaufsraum wahrgenommen wird und dass Kunst ein Beruf ist und kein nettes Hobby. Die Corona-Pandemie trifft uns insofern sehr hart, weil wir unsere Eröffnungen, Afterworks, Salongespräche nicht mehr realisieren können. Viele unserer Kund*innen suchen bei uns den gesellschaftlichen Dialog, freuen sich über persönlichen Austausch, über Gespräche mit Künstler*innen …, das alles fehlt und kann nicht online kompensiert werden.
Außerdem kämpfen wir für die Rückkehr des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Kunst, denn ein*e Künstler*in kann seine*ihre Werk mit 5% MwSt. verkaufen, wir als Galerie müssen für dasselbe Produkt 16% MwSt. berechnen. Das ist vollkommen wettbewerbsverzerrend, fördert den Schwarzmarkt, den Direktverkauf aus den Ateliers und führt folglich zum Galeriensterben.
Welches Feedback bekommt ihr auf eure Galerie und die Ausstellungen?
Sehr gutes, und zwar von unseren Künstler*innen und unseren Kund*innen. Unsere Ausstellungen sind konzeptuell entwickelt und professionell kuratiert, darauf sind wir auch ein wenig stolz.
Großer Besucherandrang bei einer Ausstellungseröffnung 2018 © Galerie 21.06
Wie kommt ihr eigentlich zu euren Künstler*innen?
Am liebsten auf Empfehlung unter Kolleg*innen, also wenn Künstler*innen der Galerie uns ihre guten Kolleg*innen nennen. Außerdem suchen wir gezielt auf Kunstmessen nach guten Positionen, in Förderpreis-Ausstellungen für junge Künstler*innen und bei einzelnen Kunstakademien.
Wie informiert ihr euch über das aktuelle Kunstgeschehen?
Über Social Media, Printmedien, Fachmagazine, verschiedene Newsletter, regelmäßige Ausstellungs- und Atelierbesuche und über das persönliche Gespräch mit Kulturschaffenden.
Eure Galerie befindet sich im ältesten Haus der Stadt Ravensburg. Welche Möglichkeiten bietet euch diese besondere Atmosphäre?
Dieser Raum hat eine unbeschreibliche Kraft und Ausstrahlung. Die Akustik ist ein Traum, das Wechselspiel von Natursteinwänden und weißen Wandelementen ist jedes Mal wieder eine Herausforderung. Allerdings schüchtert der Raum auch einige Leute ein, die sich hier in einem musealen Ambiente fühlen und nicht in einem Ladengeschäft.
Galerieansicht © Galerie 21.06
Wie seid ihr überhaupt an diese wunderschöne Altstadt-„Immobilie“ gekommen?
Durch die Übernahme der Galerie. An diesem Standort wird seit über 30 Jahren Kunst verkauft, auch unsere Vorgängerin hatte bereits Vorgänger.
Außenansicht der Galerie 21.06 © Galerie 21.06, Foto: Andrea Dreher
Gibt es eine lustige Anekdote aus eurer bisherigen Zeit als Galeristinnen?
Es gibt viele gute Geschichten bis hin zu einem Berliner Currywurst-Event vor der Galerie zur Kunstnacht 2018, der unseren Kulturbürgermeister, den wir damals um ein Grußwort zur Ausstellung gebeten hatten, ziemlich in Verlegenheit brachte, so dass er vor allem über das Ja und Nein zur Currywurst redete. Die Aktion war auf alle Fälle ein großer Erfolg, so dass die Freunde der Galerie bis heute davon schwärmen.
Currywurst-Event bei der Kunstnacht 2018 © Galerie 21.06, Foto: Andrea Dreher
Was haltet ihr vom Kunstgeschehen in Oberschwaben?
Es gibt hier viel Gutes, aber leider ist der Kunstmarkt zu schwach vernetzt, jede*r kocht ein wenig sein*ihr eigenes Süppchen. Die Grundstimmung in Oberschwaben ist leider nicht sehr kunst- oder kulturaffin, zumal was zeitgenössische Kunst angeht. Der Barock hat es hier eindeutig leichter.
Natürlich gibt es hier gute Orte und spannende Kunst, aber diese zu entdecken und zu promoten, ist teils mit viel Aufwand verbunden.
Habt ihr Wünsche für die Kunstszene allgemein und für die in Ravensburg?
Mehr miteinander von Museen, Kunstvereinen, Galerien und Kulturämtern. Ein klares Bekenntnis der Stadt und des Landkreises für die Profi-Kunstszene. Wir würden uns für unsere Künstler*innen außerdem mehr mäzenatische Unternehmen wünschen. Denn wo ein Wille ist, da findet sich auch ein Weg. So ist oft die Rede von UnternehmensKULTUR, aber in der Regel wird dabei die Kunst in den Büros außen vorgelassen, zu schade, denn wir verbringen oft mehr Zeit am Arbeitsplatz als Zuhause. Wir wünschen uns mehr Lobby für die Kunst. Denn je stärker und lauter die Lobby für professionell betriebene Arbeit mit Kunst wird, desto größer ist die Chance, in einer breiteren Gesellschaftsschicht Aufmerksamkeit zu erlangen.
Wir würden uns wünschen, dass auf lobende Worte auch echte Taten folgen, denn wir leben in einer wirtschaftlich sehr starken Region. Es gibt hier viele wohlhabende Mittelständler, die wir gut beraten könnten, aber leider bleiben beim Thema KUNST nach wie vor viele Türen fest verschlossen. Das gilt im Übrigen auch für viele Privathaushalte, hier würden wir genauso gerne mehr Kunst hängen wollen, frei nach dem Motto eines unserer Kunden „Erst Kunst macht ein Haus zu einer Villa“.
Was sind eure weiteren Pläne für die Galerie? Auf was dürfen wir uns freuen?
Aktuell zeigen wir eine Ausstellung mit Anne Carnein und Michael Lauterjung, beide widmen sich dem klassischen Thema des Stilllebens auf spannende Art. Anne Carnein ist übrigens auch in der aktuellen Ausstellung „SUPERNATURAL“ in der Kunsthalle Tübingen zu sehen.
Zur Eröffnung konnten wir sogar die Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger gewinnen, doch durch die Corona-Beschränkungen wird nun alles schwierig für uns. Das neue Jahr wollen wir mit einer Meisterschülerin der Kunstakademie München, Xenia Hartok, beginnen, deren Motivwelt und Malstil uns beiden gefällt. Über den Jahreswechsel bis Ende Januar planen wir übrigens noch eine PopUp-Ausstellung in unserem STUDIO-Raum mit Arbeiten des jungen Berliner Künstlers Christopher Amm, der ursprünglich aus Ravensburg stammt.
Im Moment ist Planung allerdings fast unmöglich, Ideen hätten wir genügend, allein die Umsetzung, die uns vorschwebt, ist gerade nicht erlaubt.
Einladungskarte zur Ausstellung © Galerie 21.06
Liebe Andrea Dreher und Stefanie Büchele, herzlichen Dank für dieses tolle Interview und für die Einblicke in euren Arbeitsbereich. Wir freuen uns schon sehr auf ein Wiedersehen!
Aktuelle Ausstellung: BIO|SPHÄREN|RESERVAT – Anne Carnein und Michael Lauterjung, 14.11.2020 bis 16.01.2021, Marktstraße 59, 88212 Ravensburg.
Die Galerie ist von Mittwoch bis Freitag von 12 bis 18 Uhr, Samstag von 10 bis 14 Uhr und jederzeit nach Vereinbarung geöffnet.
Hinweis:
An den Adventssamstagen könnt ihr die Galerie sogar bis 16 Uhr besuchen. Über die Feiertage bleibt die Galerie geschlossen und ist ab dem 7. Januar 2021 wieder geöffnet.