KuneOnline

„Niki de Saint Phalle“ in der Schirn Kunsthalle Frankfurt

„Das ist doch die mit den Nanas!“ – Genau, das ist die Künstlerin Niki de Saint Phalle (1930–2002). Diese fülligen und kurvenreichen Figuren erinnern an archetypische Frauen- und Fruchtbarkeitsdarstellungen. Erzeugten diese 1974 bei der Aufstellung in Hannover noch große Diskussionen, sind die Nanas heutzutage im öffentlichen Raum gerne gesehen. Niki de Saint Phalle auf ihre Serie der Nanas zu reduzieren, wird ihr jedoch nicht gerecht. Diese Rezeption versucht die aktuelle Ausstellung in der Schirn Kunsthalle Frankfurt nun aufzubrechen.

Ausstellungsansicht in der Schirn zu Niki de Saint Phalle
Niki de Saint Phalle, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2023, Foto: Norbert Miguletz

Mehr als nur Nanas

In Kooperation mit dem Kunsthaus Zürich stellt Kuratorin Katharina Dohm wichtige Facetten und Arbeiten der französischen Künstlerin typologisch zusammen. Neben den weltbekannten Nanas, finden sich Illustrationen, Assemblagen, Plastiken, Grafiken und Modelle größerer Projekte wieder. Einen großen Raum nehmen die Schießbilder (Tirs) Niki de Saint Phalles ein. Diese Technik ist nicht nur eine Form von Aggressionsabbau, sondern hinterfragt de Saint Phalle damit auch, wie weitere Künstler:innen in den 1960er-Jahren, die Malerei. Wohin soll die Malerei? Welche Aufgabe hat diese?

Die Schießbilder Niki de Saint Phalles

Im gleichen Moment muss der Akt des Schießens auch gesellschaftspolitisch gesehen werden. Nicht nur ist der Zweite Weltkrieg erst knapp 15 Jahre her, sondern tobte auch der Algerienkrieg und der Kalte Krieg. In ihrem beeindruckenden Werk „King Kong“ (1962/63) erstellte sie mehrere kleinere Plastiken u.a. von politischen Persönlichkeiten, die sie mit einer Schicht aus Gips vereinte. Auf diese schoss sie schließlich mit Farbe, sodass sie bereits vor der Ermordung Kennedys auf den US-amerikanischen Präsidenten abfeuerte.


Mit diesen Schießarbeiten und den damit verbundenen Happenings wird Niki de Saint Phalle damals bekannt. Sie lädt Künstler:innen sowie das Publikum ein, mit einem 0.22-Kaliber-Gewehr auf ihre Reliefs zu schießen und diese damit zum Bluten zu bringen. In diesem direkten Dialog mit Betrachter:innen werden diese zu Mitproduzent:innen, wodurch die Idee des Künstlergenies hinterfragt wird – und ja, hier sind gezielt die männlichen Künstler genannt.

Wie entscheidend ist die Künstler:innenbiographie?

Eine weiterer großer Diskurs ist und bleibt die Frage nach dem Einfluss der Künstler:innenbiographie auf die Rezeption der Werke. War dies sehr lange eine beliebte kunsthistorische Methode, die bis heute noch eine große Rolle bezüglich der Lesart von Kunstwerken hat, legt man heutzutage die Biografie zunächst beiseite und konzentriert sich auf das Vorliegende und dessen Analyse. 

„Ich bin Künstlerin geworden, weil ich keine Wahl hatte, ich brauchte also keine Entscheidung zu treffen. Es war mein Schicksal […] ich habe die Kunst als meine Erlösung und als eine Notwendigkeit angenommen.“

Niki de Saint Phalle

Bei Niki de Saint Phalle scheint das jedoch besonders schwierig zu sein, denn ihre Kunstwerke strotzen nur so von Feminismus und weiblichem Selbstbewusstsein. Themen, die die Künstlerin mit Sicherheit aus einer persönlichen Motivation gewählt hat.

Darüber hinaus gibt es wichtige biografische Daten, die unbestreitbar einen extremen Einfluss auf ihre Karriere als Künstlerin und somit ihr Schaffen hatten. Seien es die Aufnahme in die Künstlergruppe „Nouveaux Realistes“ oder die Realisierung des „Tarotgartens“ (1979–1998) in der Toskana, die sie komplett selbstfinanziert hat. Ebenso die Arbeit mit giftigen Materialien, die zu einem Lungenabszess führte und sie somit bis zu ihrem Tode 2002 begleitete. Niki de Saint Phalle zeigt sich, wie ihre Arbeiten, unabhängig und frei – auch wenn dies hieß, dass sie sich für ihre Karriere und gegen ihre Familie entscheiden musste.

Die Ausstellung zeigt bis zum 21. Mai 2023 das vielfältige Oeuvre Niki de Saint Phalles. Von kleineren Arbeiten über Modelle bis hin zu großen Skulpturen erhält man mit rund 100 Arbeiten einen Überblick über alle Werkphasen. In diesen kritisiert sie Institutionen und Rollenbilder und verhandelt soziale und politische Themen. „Das ist doch die mit den Schießbildern, den Assemblagen, dem Tarotgarten und …!“ – Genau, das ist die Künstlerin Niki de Saint Phalle.

Anm. der Redaktion: Einige Abbildungen von Kunstwerken wurden nach der Laufzeit der Ausstellung aufgrund von auslaufender Lizenz entfernt.


Die mobile Version verlassen