Christo und Jeanne Claude: L’Arc de Triomphe Wrapped

Mit einem Paukenschlag beendet die Verhüllung des Arc de Triomphes in Paris durch Christo und Jeanne-Claude die Zeit der Onlinevernissagen und verschobenen Kunstereignisse. Gesellschaft, Kunst und Corona: Die Verhüllung mitten in Paris knüpft an viele aktuelle Debatten an und setzt dazu dem 2020 verstorbenen Christo ein Denkmal.

Eine große Retrospektive im Centre Pompidou 2020 erfüllte Christo einen lang gehegten Traum: die Verhüllung des Arc de Triomphe. Das Projekt mitten in Paris, an einem geschichtsträchtigen Ort, reiht sich scheinbar nahtlos in die Reihe der Arbeiten des Verpackungskünstlers ein. Für Christo aber war das Projekt ein ganz besonderes, das schon Jahrzehnte im Hinterkopf des Künstlers verstaut war. 

Die vorbereitenden Skizzen und Collagen sind Teil des Kunstwerkes und finanzieren die Verhüllung. © Christo and Jeanne-Claude Foundation / Grossmann
Die vorbereitenden Skizzen und Collagen sind Teil des Kunstwerkes und finanzieren die Verhüllung. © Christo and Jeanne-Claude Foundation / Grossmann

60 Jahre in Planung

1958 kam Christo aus Bulgarien nach Paris und begann seine künstlerische Laufbahn. Aus demselben Jahr stammen die ersten Skizzen des verhüllten Triumphbogens, den er von seinem kleinen Apartment im Dachgeschoss aus sehen konnte. Im gleichen Jahr traf er auf Jeanne-Claude, die fortan maßgeblich an allen Verhüllungen beteiligt war. Die Verknüpfung des Triumphbogens mit dem Zusammentreffen der beiden außergewöhnlichen Kunstschaffenden und dem biographisch so wichtigen Umzug Christos nach Paris, diesen Gründungsmythos der Projekts erzählt die Kuratorin des Projekts Sophie Duplaix gerne. Eine Verhüllungsidee, die Christo sein ganzes Leben lang begleitete und die er dann, durch seinen Tod kurz vor der Vollendung, doch nicht mehr verwirklicht sehen kann. Dieser große Bogen ist fast zu gut gespannt um wahr zu sein. Doch sind es eben solche Geschichten, die die Verhüllungen Christo und Jeanne-Claudes stets begleitet haben und die maßgeblich zur emotionalen Bindung von Kunstfreund*innen zum Werk beitragen. Lange lagen die Triumphbogen-Pläne in der Schublade, zur großen Retrospektive im Centre Pompidou 2020 sollten sie endlich Wirklichkeit werden. Alles war bis zum kleinsten Faltenwurf geplant als Christo starb. Daher, so ist in den Pressemitteilungen zu lesen, konnte die Verhüllung genau so durchgeführt werden, wie Christo sie gerne gehabt hätte. Auch das eine schöne Geschichte, die dem Projekt zum Happy End verhilft. 

Die eigentliche Verhüllung dauert nur 14 Tage, die Vorbereitungen 60 Jahre. © Foto: Christo and Jeanne-Claude Foundation / Loyseau
Die eigentliche Verhüllung dauert nur 14 Tage, die Vorbereitungen 60 Jahre. © Foto: Christo and Jeanne-Claude Foundation / Loyseau

Die Verhüllung im Raum

Beim Besuch des Triumphbogens in Paris fallen zunächst die riesigen Dimensionen auf: Die verhüllte Architektur wirkt massiv und monumental. Die Kombination aus Falten, Schnüren und dem Spiel aus Licht und Schatten verleiht ihr dazu eine enorme graphische Qualität. Der Blick auf den verhüllten Bogen sieht genauso aus wie die vorbereitenden Collagen Christos. Die Architektur ist auf die geometrischen Grundformen reduziert, doch werden gerade dadurch die Details betont. Denn der/die Betrachter*in fragt sich automatisch: Wie sieht es denn unter dem Stoff aus? Der Besucherblick wird dabei gekonnt durch die genau vorbereitete Faltenlagen geführt: An der Außenfassade hinauf und durch den Bogen hindurch. Der Stoff, aus blauen und silbrigen Kunststofffasern, verändert je nach Sonneneinstrahlung und Windspiel seine Farbe. Befindet man am Place-Charle-de-Gaulle, steht der verhüllte Bogen im engen Kontakt zu seiner Umgebung: Der ihn umkreisende Verkehr ist ebenso spannend zu beobachten, wie die nach oben blickenden Menschenmengen, die Selfies-knipsend einen äußeren Ring um den Triumphbogen bilden. Mit dabei ist eine unermüdliche Gruppe Freiwilliger, die das Gespräch mit Zuschauenden sucht, Stoffproben verteilt und über das Projekt informiert. Möglichst vielen unterschiedlichen Menschen den Zugang zur Kunst verschaffen, war ein Leitmotiv in Christos Werk. Deshalb sind die Verhüllungen im öffentlichen Raum, immer kostenfrei zu besichtigen und lassen sich mit allen Sinnen erleben. Durchquert man die Unterführung, kann man dann ganz nah ran. Das Anfassen des Stoffes, die Interaktion als Selfiespot und der Zugang zur Aussichtsplattform gehören zum Kunsterlebnis dazu. 

Für die Pariser*innen eröffnen sich noch weitere Facetten des Werks: Wie stehe ich als Stadtbewohner*in zum verhüllten Bogen? Was macht die Kunst in meinem Alltag? Wie interagiert das große Architektur-Objekt mit den historischen Bauten der Stadtumgebung? Wie beobachte ich die Verhüllung bei verschiedenen Wetterlagen über einen längeren Zeitraum? Die Vielschichtigkeit von Christos Werk kann an dieser Stelle nur angeschnitten werden.

Die Verhüllung in der Zeit

Die verhüllte Architektur, das konkret zu besichtigende Objekt, ist immer nur ein kleiner Teil des Gesamtwerks. Mit dazu gehört die oft jahrzehntelange Vorbereitung der Aktion, die Debatten mit der Politik, die Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit und die bauliche Vorbereitung des eigentlichen Verpackungsakts. So schreibt sich das Werk Christos in die Zeitgeschichte ein und entwickelt sich selbst in der Auseinandersetzung mit seiner Umgebung. Bei der institutionell angestoßenen Verhüllung des Triumphbogens steht dabei, im Gegensatz zu vielen seiner früheren Werke, weniger die kontroverse Debatte um den Sinn dieser Kunst im Mittelpunkt. Die Popularität und Authorität Christos sorgte dafür, dass sowohl die Denkmalschutzbehörde als auch Präsident Emmanuel Macron das Werk schnell genehmigten. In der zeitgenössischen Wahrnehmung war der Triumphbogen vor allem ein politisches Symbol: Viele der Gelbwesten-Proteste fanden hier statt. Die Verhüllung unterstreicht die kunsthistorische Qualität der Architektur – und reiht sich damit in die lange Diskussion um Kunst und Politik ein.

Christo und Jeanne-Claude: L'Arc de Triomphe Wrapped. 1961-2021. © Foto: Maik Hanicz
Christo und Jeanne-Claude: L’Arc de Triomphe Wrapped. 1961-2021. © Foto: Maik Hanicz

Der Arc de Triomphe in Paris

Der Triumphbogen wurde 1806 von Kaiser Napoleon I. zur Verherrlichung seiner Siege in Auftrag gegeben. Die Figurengruppen an den Außenseiten zeigen Der Triumph von 1810, Widerstand, Frieden und La Marseillaise oder Auszug der Freiwilligen von 1792 und wurden von Francois Rude geschaffen. Die Einweihung fand 1830 statt. Unter dem Bogen befindet sich heute ein Denkmal mit einer brennenden Fackel zum Gedenken an die Soldaten des 1. Weltkrieges. Während der Gelbwestenproteste 2018, die immer wieder am Arc de Triomphe halt machten, beschädigten Demonstrierende die Figur der Marianne, dem Symbol Frankreichs.

Christo und Jeanne-Claude

Das künstlerische Schaffen von Christo und Jeanne-Claude bildet bis heute eine eigene Kategorie der Kunst. Zwischen Installation, Landart und Aktionskunst entwickelten die beiden in engster Zusammenarbeit ab den 1960er Jahren die Verhüllungsaktionen. Die Finanzierung der “Packages” fand ausschließlich über Erlöse aus den Vorbereitenden Arbeiten, Bildrechten und Spenden statt. Die Werke stehen immer in engem Austausch mit ihrer Umgebung und sollen u.a. einen neuen Blick auf Altbekanntes ermöglichen. Nach Jeanne-Claudes Tod 2009 realisierte Christo weitere Projekte alleine, die aber auf der gemeinsamen jahrzehntelangen Planung mit Jeanne-Claude aufbauten. Christo starb im Mai 2020.

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