Ausstellungshighlights 2021

Momentaner Zustand: Museums-Abstinenz seit Ende November 2020. Sechs Kune-Autor*innen blicken in die „After-Lockdown-Zeit” und stellen Ausstellungen vor, deren Besuch sie kaum erwarten können.

Müssten wir zum Lockdown einen Beziehungsstatus angeben, würde er lauten: Es ist kompliziert. Auf der einen Seite finden wir die Regelungen enorm wichtig, auf der anderen Seite ist die unfreiwillige Museums-Abstinenz seit Ende November 2020 eine harte Probe – nicht nur für uns persönlich sondern auch für den Blog. Sechs Kune-Autor*innen blicken in die „After-Lockdown-Zeit” und stellen Ausstellungen vor, deren Besuch sie kaum erwarten können. Von Reutlingen, nach Stuttgart, über Nordrhein-Westfalen bis hin nach Paris und London ist alles dabei.

Maik: Christo – Arc de Triomphe-Verpackung

„Total irrational und sinnlos“ – so beschrieb Christo 1995 seine Kunst. Damals sprach er über eines seiner bekanntesten Projekte: die Verhüllung des Reichstags. Wirkmächtig und beeindruckend sind seine Verhüllungen, die bei den Betrachter*innen Neugier auf Altbekanntes wecken und eine fast kindliche Freude an Form und Farbe wecken.

Der Triumphbogen soll in 25 000 qm silber-bläulich schimmernder Plane verpackt werden, gesichert mit roten Seilen (Das Material wird recycelbar nachhaltig sein.) Die Verhüllung des Arc de Triomphe in Paris war eigentlich für Herbst 2020 geplant, wurde wegen der Pandemie verschoben und wird nun Christos letztes Projekt bleiben – er verstarb am 31. Mai 2020. Seit 1962 lagen die Pläne für die Verhüllung in der Konzeptschublade des Künstlers. Wie alle seine Projekte ist es eine Landart-Intervention mit langer Vorbereitung und detaillierter Planung.

Diese letzte Aktion in der französischen Hauptstadt wird sicherlich wieder viele Kunstkenner*innen und auch die weniger kunstaffinen Besucher*innen begeistern und auf die Champs-Elysée locken. Eines der Highlights des Kunstjahres 2021 – wenn die Pandemie der Aktion keinen Strich durch die Rechnung macht.

Verpackung des Arc de Triomphe: 18.09. – 03.10.2021

Sarah: Beuys Jahr 2021

Das Jahr 2021 verspricht einiges für die Kunstwelt: In diesem Jahr wäre der Künstler Joseph Beuys 100 Jahre alt geworden. Es steht also ein großes Jubiläum an. Beuys zählt zu den spektakulärsten Künstler*innen des 20. Jahrhunderts. Seine Werke sind auch für kunsthistorisch geschulte Augen oft eine Herausforderung. Die Skulpturen, Installationen und Aktionen greifen philosophische und sozialpolitische Fragen auf und agieren im Spannungsverhältnis zwischen Mensch und gesellschaftsrelevanten Thematiken. Kaum ein anderer hat den künstlerischen Diskurs so nachhaltig geprägt wie Joseph Beuys

Lothar Wolleh. Joseph Beuys im Moderna Museet, Stockholm (vor seiner Arbeit „Plastischer Fuß Elastischer Fuß“), 1971, © Lothar Wolleh Estate Berlin; für Joseph Beuys: VG- Bild-Kunst, Bonn 2020.
Lothar Wolleh, Joseph Beuys im Moderna Museet, Stockholm (vor seiner Arbeit „Plastischer Fuß Elastischer Fuß“), 1971, © Lothar Wolleh Estate Berlin; für Joseph Beuys: VG- Bild-Kunst, Bonn 2020.

Auf der Seite Beuys2021, initiiert vom Land Nordrhein-Westfalen, wird ein umfangreiches Programm zum Themenjahr angekündigt, welches neben Ausstellungen auch Performances, Konzerte, Theater und Buchpräsentationen beinhaltet. Die Aktionen, die unterschiedliche Fragestellungen zum Künstler aufgreifen, werden in verschiedenen Städten präsentiert. Das Programm findet das ganze Jahr über statt. Ein Blick auf die Seite lohnt sich, um kein Event zu verpassen. 

Wesentlich näher – räumlich betrachtet – präsentiert die Staatsgalerie Stuttgart ab Frühjahr 2021 eine Sonderausstellung, die sich dem Phänomen Beuys über dessen raumkuratorisches Konzept nähert. Beuys besonderen Umgang mit dem Raum zeigen unter anderen Werke wie „Plastischer Fuß Elastischer Fuß“ aus dem Jahr 1971, welches sich im Besitz der Staatsgalerie befindet und eine feste Größe in der dauerhaften Sammlung einnimmt. In dem von Beuys persönlich eingerichteten Beuys-Raum der Staatsgalerie, der sich bis heute unverändert zeigt, dokumentieren Fotografien, Filme und Objekte diesen besonderen Umgang mit dem Raum – auch metaphorisch – der sich zwischen Künstler, Objekt und Betrachtenden artikuliert. Die Ausstellung „Joseph Beuys. Der Raumkurator“ läuft voraussichtlich vom 26.3. – 18.7.2021 (der Beginn der Ausstellung hängt vom Zeitpunkt der Wiedereröffnung der Museen ab) in der Staatsgalerie Stuttgart

Julia: Erik Sturm in der Galerie Reinhold Maas

Über Ausstellungen zu berichten, die 2021 stattfinden sollen, ist unter den gegebenen Umständen noch immer kein leichtes Unterfangen. Umso mehr rücken spannende Projekte in den Fokus, die dennoch geplant sind! Hier könnt ihr von einem erfahren, auf das ich schon voller Vorfreude hinfiebere:

Erik Sturm, Neckartorschwarz, 2014–2016, Objekt, Auflage 30.
Erik Sturm. Neckartorschwarz, 2014–2016, Objekt, Auflage 30.

Er verpackte Feinstaub als „Neckartorschwarz“ in Farbtuben und machte riesige Stahlträger des Stuttgarter Bahnhofs zu eindrucksvollen Skulpturen. Die Arbeiten des Stuttgarter Künstlers Erik Sturm tragen ihre Herkunft noch immer in sich, als Teil des öffentlichen Raums und seiner vielseitigen Materialität. Menschliche Spuren erhalten dabei eine neue ästhetische Funktion und schärfen hierin auch unsere Wahrnehmung für so manches, das im Alltag untergeht. 

Dem Öffnen einer Zeitkapsel gleich, befreite Sturm sogar historische Werbung aus zentimeterdicken Abschnitten einer jahrzehntealten Stuttgarter Litfaßsäule. Zeit und Materie erscheinen hier komprimiert, werden letztlich zu Skulptur. Das vorsichtige Herauslösen der einzelnen Schichten erinnert wiederum an geradezu geo- und archäologische Vorgänge. Ein Fries empirischer Bilddaten entsteht, der die Geschichte des Menschen in skurrilen Fragmenten beleuchtet und dabei genauso spielerisch in Frage stellt. 

Die Einzelausstellung wird in der Galerie Reinhold Maas ab Mitte Mai zu sehen sein (der genaue Termin folgt in den nächsten Wochen).  

Erik Sturm. Zeitgeistexpress, 2012/2019, Atelieransicht, Detail.
Erik Sturm. Zeitgeistexpress, 2012/2019, Atelieransicht, Detail.

Jessy: Alicja Kwade – Kausalkonsequenz in der Langen Foundation

Es gibt eine Liste. Eine Art Bucket-Liste (wobei ich davon nicht soviel halte). Dennoch steht der Besuch aller Tadao Ando Gebäude auf der Welt auf meiner ganz persönlichen. In Deutschland findet man momentan zwei Gebäude des japanischen Architekten. Der Konferenzpavillion (1993) in Weil am Rhein komplementiert das Architektur-Ensembles des Vitra Campus’. In Nordrhein-Westfalen, genauer gesagt in Neuss, steht auf einer alten NATO-Raketenstation ein weiteres atemberaubendes Gebäude von Ando. Fast schwebend kommt der Betonbau der Langen Foundation (2004) mit seiner Glasfassade daher. Ruhig, grazil und stark zugleich wirkt das Gebäude auf den vielen Abbildungen. Wie muss die Wirkung erst in dem Gebäude sein? Wird es gleichzeitig Wärme und Kühle abgeben, wie es die anderen bereits besuchten Gebäude tun?

Was ein Besuch bis zu diesem Sommer unumgänglich macht ist die seit April 2020 laufende Einzelausstellung der Künstlerin Alicja Kwade. Mit dem Einsatz von Spiegeln schafft sie Momente der Irritation, die zur Hinterfragung des Vorgefundenen, des Bestehenden, führen. Zwei Steine in unterschiedlichen Farben stehen sich gegenüber. Dazwischen befindet sich ein hochformatiger Spiegel. Fast wie eine Haut trennt dieser die Steine physisch voneinander und verbindet diese optisch miteinander. Aus zwei werden eins, aus eins werden zwei. Viele dieser Momente lassen sich in den vielfältigen Skulpturen der Künstlerin wiederfinden. Kunst, die die Sinne und das eigene Denken in dem Moment der Betrachtung hinterfragen.

Die Ausstellung „Kausalkonsequenz“ in der Langen Foundation ist bis zum 8.8.2021 zu sehen.

Sara: Mit allen Sinnen – Staatsgalerie Stuttgart

Schon wieder Impressionisten – wie langweilig? Von der Tatsache abgesehen, dass ich zu den vielen Menschen gehöre, die das nie langweilig finden werden, bietet die Staatsgalerie Stuttgart in dieser Ausstellung eben „nicht nur“ Gemälde, sondern lädt die Besucher*innen dazu ein sich den gezeigten Werken auf unterschiedlichen Sinnesebenen zu nähern. Eine olfaktorische Museumsbegehung hatte ich allenthalben unfreiwillig in Menschenmassen, aber jetzt einen Manet betrachten und dabei Fliederduft atmen? Das wäre doch was! Die Freuden on top sind für mich außerdem, dass hier mehrere Leihgaben aus Privatbesitz gezeigt werden, die bisher noch nie zu sehen waren, und dass auch endlich weibliche Künstler*innen wie Mary Cassatt und Berthe Morisot ihren Auftritt finden. 

„Mit allen Sinnen“ ist bis zum 04.07.2021 in der Staatsgalerie Stuttgart zu sehen.

Camille Pissarro. Rouen, Platz der Republik bei Regen, 1883, Leihgabe aus Privatbesitz, Foto: © Staatsgalerie Stuttgart.

Unter die Haut. Der ergreifende Naturalismus des spanischen Barock

Jusepe de Ribera, Francisco de Zurbarán und Bartolomé Esteban Murillo, drei Künstlernamen die mir bei meinem ersten Besuch in Sevilla begegneten. Nicht nur, dass diese andalusische Stadt mein Herz gestohlen hat, so haben auch die jeweiligen Künstler Eindruck hinterlassen. Alle vereint ihre unglaublich naturalistische Darstellung der Menschen. Leuchtendes Inkarnat ist hier Programm und nun werden diese drei unglaublichen Künstler zusammen in der Nähe meines neuen zu Hause gezeigt. Zum Glück läuft die Ausstellung geplant annähernd ein Jahr, sodass man guter Hoffnung sein kann, diese besuchen zu können.

Die Ausstellung ist vom 7.05.2021 – 24.04.2022 im Wallraff Museum in Köln zu sehen.

Lisa: Reutlingen, Stuttgart und London – konkret

Konkrete Kunst beschäftigt mich schon seit meiner Jugend. Vielleicht liegt es daran, dass sich hier meine Leidenschaft zur Kunst mit meinem Interesse an Mathematik (ja, auch das habe ich, sonst hätte ich es nicht studiert :-)) verbindet. So freue ich mich schon ganz besonders auf drei Ausstellungen in Reutlingen „Gläserne Härten. Konkrete, generative und sonisch visionäre Kunst 1960-2020“, Stuttgart „system&intuition: KONKRETE KÜNSTLERINNEN“ und London „Sophie Taeuber-Arp“. Es folgt ein ausführlicher Beitrag zu diesen Ausstellungen auf dem Blog.

Nikolaus Koliusis. Die additiven Farbfilter 400 nm, 500 nm, 600 nm. 1982. 3 x Farbfilter mit latentem Duratrans Display Film, je 186 x 120 cm. Ausstellungsansicht Kunstmuseum Reutlingen | konkret, 2020. © Künstler, Kunstmuseum Reutlingen. Foto: Elisabeth Weiß.
Nikolaus Koliusis. Die additiven Farbfilter 400 nm, 500 nm, 600 nm. 1982. 3 x Farbfilter mit latentem Duratrans Display Film, je 186 x 120 cm. Ausstellungsansicht Kunstmuseum Reutlingen | konkret, 2020. © Künstler, Kunstmuseum Reutlingen. Foto: Elisabeth Weiß.

Auf Welche Ausstellungen freut ihr euch? Teilt sie gerne mit uns hier unten in den Kommentaren!