Interview mit: Sebastian Schneider

Engagiert, motiviert, realistisch und ehrlich – diese Adjektive fallen uns spontan ein, wenn wir Sebastian Schneider beschreiben müssten. Adjektive, die perfekt zu einem spannenden und aufschlussreichen Interview über seine Sicht und Erfahrungen auf die Kunstszene passen. Wir freuen uns euch Sebastian Schneider in einem Interview vorstellen zu dürfen.

Engagiert, motiviert, realistisch und ehrlich – diese Adjektive fallen uns spontan ein, wenn wir Sebastian Schneider beschreiben müssten. Adjektive, die perfekt zu einem spannenden und aufschlussreichen Interview über seine Sicht und Erfahrungen auf die Kunstszene passen. Sebastian hat bereits einige berufliche Stationen hinter sich und mit Sicherheit noch viele Spannende vor sich. Wir freuen uns euch Sebastian Schneider in einem Interview vorstellen zu dürfen. 

Sebastian Schneider. Eine Fragerunde zu deinem Leben.
Wer bist du und wo lebst du? Was hast du studiert?

Ich heiße Sebastian Schneider und arbeite zur Zeit als Projektmanager an der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart. Nach meinem Masterabschluss habe ich ein wissenschaftliches Volontariat an der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München gemacht, wo ich mehrere Ausstellungen kuratiert habe. Nach dem Ende der Vertragslaufzeit in München habe ich interimistisch die Abteilung für Kunstvermittlung am Kunstmuseum Stuttgart geleitet. 

Mein Weg ins Kuratorische und Organisatorische verlief eher umgekehrt, denn ich habe zunächst Freie Kunst an der Hochschule für Künste in Bremen studiert. Im letzten Drittel meines Studiums hat das Schreiben und Nachdenken über Kunst immer größeren Raum eingenommen. Ich habe mich deshalb nach meinem Diplom dazu entschlossen, in Frankfurt am Main den Master-Studiengang Curatorial Studies zu absolvieren – einen Schritt, den ich nie bereut habe.

Sebastian Schneider, Foto: Simone Gänsheimer.

Wie bist du zu dem geworden, der du heute bist?

Learning by doing! Ich gehöre nicht zu den Leuten, die schon in der Oberstufe genau wussten, was sie wollten. Mit Kunst beschäftige ich mich schon seit meiner Teenager-Zeit; was genau ich damit machen will, war mir aber lange nicht klar. Letztlich bin ich sehr dankbar, dass ich Kunst studiert habe. An deutschen Kunsthochschulen herrscht eine Freiheit, die mir geholfen hat, zu entdecken, was mich beruflich interessiert. Bei diesem Findungsprozess hat mein Nebenjob in der institutseigenen Bibliothek eine nicht unerhebliche Rolle gespielt, den ich fast über mein gesamtes Studium hinweg ausgeübt habe. Der permanente Kontakt mit Katalogen, Zeitschriften und wissenschaftlichen Veröffentlichungen war ein lustvolles Selbststudium, das mich extrem geprägt hat – das ist mir erst neulich wieder klar geworden.

Ausstellungansicht After the Fact. Propaganda im 21. Jahrhundert, (kuratiert von Stephanie Weber mit Sebastian Schneider), Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Foto: Lenbachhaus.

Nun zu deiner aktuellen Tätigkeit: Was machst du heute bzw. wo arbeitest du? 

Als Projektmanager an der Akademie Schloss Solitude betreue ich die Umsetzung des Jahresprogramms, das den übergeordneten Titel „Transformation – Unfolding the Future“ trägt. Es handelt sich um ein umfangreiches Programm, das anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Institution veranstaltet wird und unterschiedliche Formate, wie eine Gesprächsreihe, Ausstellungen sowie Kunstprojekte im öffentlichen Raum umfasst. Konkret arbeite ich gerade an der Umsetzung der Ausstellung „Beyond Walls“, die Arbeiten von Stipendiat*innen der Akademie Schloss Solitude im Kunstmuseum Stuttgart zeigt.

Leider stellt Corona die Durchführung einiger Veranstaltungen ziemlich auf die Probe. Andererseits mussten wir durch Corona viele Formate neu denken, was mir, der erst nach Abschluss der Planungsphase im vergangenen Jahr ans Haus gekommen ist, zu Gestaltungsspielraum verholfen hat.

Wie sieht ein Tag als Projektmanager für ein Jubiläum aus?

Als Projektmanager ist es meine Aufgabe die Durchführung der Veranstaltungen zu gewährleisten und die Kosten im Blick zu behalten. Bei „Beyond Walls“ bin ich einer der Kurator*innen, was eine enge Zusammenarbeit mit den beteiligten Künstler*innen sowie Grafiker*innen und Ausstellungsarchitekt*innen miteinschließt. Wie bereits beschrieben, stellt Corona die Planung und Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen vor große, bisher kaum bekannte Herausforderungen. Bei meiner derzeitigen Tätigkeit ist deshalb Kommunikation das A und O. Ich bin ständig mit verschiedenen Leuten in Kontakt, um Projekte vorzubereiten oder um zu prüfen, ob sie überhaupt machbar sind.

Akademie Schloss Solitude, Foto: Frank Kleinbach.

Sicherlich ist da auch viel zeitliche Flexibilität ein Thema. Ist deiner Meinung nach eine ausgewogene Work-Life-Balance möglich?

Es kann schon schnell passieren, dass man viele Überstunden anhäuft oder auch am Wochenende arbeitet. Gerade jetzt, wo sich die Spielregeln fast täglich ändern, hat man oft das Gefühl, man könnte eigentlich die ganze Zeit arbeiten – und es wäre trotzdem nicht genug. Mir persönlich macht es Spaß, alles zu geben, wenn ein größeres Projekt ansteht. Allerdings muss es auch die Phasen geben, in denen man ohne Stress arbeiten kann – sonst brennt man aus. Ich würde es sehr begrüßen, wenn der Kulturbereich im Zuge von Corona seine Strukturen mehr hinterfragen und gegebenenfalls umstellen würde.

Sebastian Schneider, Foto: Simone Gänsheimer.

Welche Faktoren könnten nach deiner Meinung schnell verbessert werden?

Man könnte das schnelle Tempo des Ausstellungsbetriebs reduzieren. Der Kunstbetrieb, wie wir ihn kennen, wird durch sein wahnsinniges Tempo gekennzeichnet, das sich auch nicht unbedingt positiv auf seine Klimabilanz auswirkt. Kunstinstitutionen könnten sich stärker lokalen Strukturen und Szenen zuwendenden oder Ausstellungen entwickeln, die wachsen und sich verändern, anstatt nach drei Monaten abgebaut zu werden. Viele Häuser haben sich in der jüngeren Vergangenheit auf anregende Weise mit ihrer eigenen Sammlung auseinandergesetzt.

Ausstellungsansicht Why Take a Chance with Anyone Else, (kuratiert von Sebastian Schneider), Offener Projektraum basis e.V. Frankfurt am Main, Foto: Nina Pieroth.

Let’s talk about money: Wie ist deine Meinung zur finanziellen Situation im Kulturbereich?

Die Menschen im oberen Teil der „Nahrungskette“, also zum Beispiel Kurator*innen, Dramaturg*innen oder Direktor*innen werden meiner Meinung nach fair entlohnt. Was ist aber mit den zahllosen, meist jungen Menschen, die als Assistent*innen, Volontär*innen oder in Projektstellen arbeiten? Hier ist die Bezahlung skandalös niedrig, vor allem wenn man bedenkt, welche tragende Funktion diesen Personen im Kulturbetrieb zukommt. Das eigentlich schlimme finde ich aber die zeitliche Begrenzung solcher Stellen. Kulturinstitutionen drängen viele ihrer Angestellten in prekäre Lebensverhältnisse und reproduzieren damit eine Gesellschaftsordnung, der sie durch die Inhalte ihres Programms Kritik entgegenzusetzen glauben.

Gibt es einen Rat, den du gerne als Studienanfänger bekommen hättest?

Widme Dich ganz dem Machen, alles andere fügt sich von selbst! (Tatsächlich habe ich diesen Rat sogar bekommen, seine Sinnhaftigkeit wurde mir aber erst später klar.)

Ausstellungansicht Dan Flavin. Untitled (For Ksenja), (kuratiert von Sebastian Schneider), Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Foto: Lenbachhaus.

Wie informierst du dich über das aktuelle Kunst- und Kulturschaffen?

Einen Großteil nimmt schon das Internet und Soziale Medien ein. Allerdings bin ich auch äußerst buchaffin. Ich lese regelmäßig die Süddeutsche Zeitung sowie Kunstzeitschriften wie frieze, Texte zur Kunst oder Third Text. Ich würde gern wieder mehr Katalogtexte und Sachbücher lesen, allerdings fehlt mir dazu meistens die Zeit.

Zum Schluss noch eine andere Frage: Hast du eine oder mehrere Kultur- und/oder Kunstinstitution in der Region, die du empfehlen kannst?

Im Theater Rampe habe ich letztes Jahr „Nana Ou Est-ce Que Tu Connais le Bara?“ gesehen. Das war definitiv eines meiner Kultur-Highlights 2019. Ein echter Geheimtipp war die Sammlung Zander im Schloss Bönnigheim – leider gibt es diese Dauerausstellung seit diesem Sommer nicht mehr. Ansonsten bin ich ein großer Fan der Klassischen Moderne und deshalb regelmäßig in der Staatsgalerie anzutreffen. Die mit Teppichen ausgelegten Galerieräume mögen vielleicht etwas in die Jahre gekommen sein, aber genau das macht den Charme für mich aus.

Ausstellungsansicht Weltempfänger (kuratiert von Karin Althaus und Sebastian Schneider), Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Foto: Lenbachhaus.

Die Eröffnung der Ausstellung, die für den 21. November 2020 geplant war, wurde aufgrund der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg verschoben. Sobald ein neuer Termin bekannt ist, werden wir euch auf unseren Social-Media-Kanälen darüber informieren.