Auf Zeitreise im Kloster Bebenhausen

Wir sind nochmal ins Kloster Bebenhausen gefahren, um das Innere zu erkunden. Das Zusammenspiel der verschiedenen Baustile hat uns fasziniert.

„Das sind Ihre Tickets und der Klostereingang ist dann direkt hinter mir. Viel Spaß!“

Wir bedanken uns bei der freundlichen Dame an der Kasse und spicken über ihre Schulter durch das Fenster der Tür in den Kreuzgang. Endlich haben wir es geschafft und können uns das Kloster von innen anschauen. Doch noch zügeln wir den Drang, in die Klausur zu stürmen. Im Kassenbereich der ehemaligen Klosterküche schauen wir zunächst das Klostermodell an und informieren uns über die Geschichte der Anlage.

Gründung 1183, gebaut von den Zisterziensern, Grablege der Pfalzgrafen von Tübingen, nach der Reformation als Klosterschule und im 19. Jahrhundert als Schlossanlage der König*innen von Württemberg genutzt. Am Ende war sogar der Landtag hier: 1946-1952. Das war uns auch neu! Spannend, was hier alles passiert ist! Jetzt wollen wir endlich reingehen.

Der Blick auf die Kirche mit dem Dachreiter im Norden ist das meistfotografierte Motiv im Kloster. ©Hanicz

Eintauchen in eine andere Welt

Wir steigen die kleine Treppe hinter der Kassiererin hinauf, öffnen die Türe zum Kreuzgang und bleiben erstmal mitten im Weg stehen: Zu beeindruckend ist der Blick ins kleinteilige, aufwändig gestaltete Gewölbe der Kreuzgangflügel. Geradeaus, durch das Maßwerkfenster, fällt der Blick auf die Kirche im Nordflügel – nicht weniger beeindruckend. Ein Postkartenmotiv und definitiv einen Instapost wert!

Dem Rundgang folgend, stoßen wir zuerst auf das Sommerrefektorium. Wieder werden unsere Blicke nach oben geleitet: An den schmalen Säulen entlang, ohne störende Kapitelle, direkt ins bunt mit Fabelwesen und Blattwerk ausgestaltete Fächergewölbe. Über die bunten Maßwerkfenster gleitet unser Blick langsam wieder nach unten.

Blick ins Gewölbe des Sommerrefektoriums. ©Mayer

Wir schlendern weiter und folgen dem Kreuzgang. Der Kreuzgarten in der Mitte taucht immer wieder hinter dem kunstvollen Maßwerk der Fenster auf. Nur das Plätschern des Brunnens durchbricht die Stille der Klausur – gut, dass wir an einem Vormittag gekommen sind und die Anlage fast für uns alleine haben.

Vorbei am Parlatorium, in dem Archäologen in den 1980er Jahren eine mittelalterliche Heizanlage freilegen konnten, erreichen wir den Kapitelsaal, dessen große Fenster in den Gang blicken. Am Boden sind verschiedene Grabplatten der Äbte von Bebenhausen zu sehen. Abermals ziehen jedoch die bunten Gewölbe unsere Aufmerksamkeit auf sich: In der Mitte werden die Marterwerkzeuge Christi gezeigt – sicherlich ein Verweis auf das sogenannte Strafkapitel, von dem die Infotafel am Eingang berichtet. Hier mussten die Mönche ihre Regelverstöße gestehen und ihre Strafe entgegennehmen. 

Romanik im Ostflügel

Im Gegensatz zum hellen, lichten und fast zerbrechlich wirkenden Sommerrefektorium wirken die Räume des Ostflügels beinahe düster: Die niedrig ansetzenden Gewölbe ruhen auf dicken Säulen und wehrhaften Mauern mit kleinen Fenstern, die anzeigen, dass es sich um eines der ältesten Bauteile handelt. Der Bau wurde direkt nach Fertigstellung der Kirche um 1230 begonnen, die Formensprache der Romanik hat sich bis heute erhalten. 

Die Stufen ins Dormitorium, das im ersten Stock liegt, sind schon ziemlich ausgetreten. Wer hier schon hinauf- und hinuntergelaufen sein mag? Am Ende der Treppe angekommen, erwartet uns eine lange Halle mit vielen kleinen, abzweigenden Zellen. Ganz am Ende, unter dem großen Maßwerkfenster, steht ein röhrender Hirsch – ausgestopft natürlich. Ein Blick in die Zellen zeigt, dass nicht nur die Mönche, sondern auch die Landtagsabgeordneten hier geschlafen haben. Im Gegensatz zur harten Holzpritsche der Mönche, sehen die Gitterbetten mit den dicken Federdecken aber sehr gemütlich aus.

Wieder unten angelangt weist uns ein Schild darauf hin, dass die Kirche wegen eines Gottesdienstes geschlossen ist: Sie wird noch von der Gemeinde genutzt. Das Kloster möchte uns wohl noch nicht alle seine Geheimnisse preisgeben.

Das Kreuzganggewölbe ist aufwändig ausgestaltet mit figurativen und floralen Schlusssteinen. ©Hanicz

Stille und Gotik – der Kreuzgang

Wir stellen uns also zunächst nochmal an eines der Maßwerkfenster und lassen die Kulisse auf uns wirken: das Plätschern des Brunnens, die grün leuchtenden, niedrigen Buchshecken, das Knirschen von Schritten auf den Kieswegen, das Lichtspiel der Sonnenstrahlen, die das Maßwerk der Fenster auf den Boden übertragen. Es ist einfach ein mystischer Ort, der eine unglaubliche Ruhe ausstrahlt. 

Am Ende des Westflügels wartet ein weiteres Highlight: das Winterrefektorium. Das hölzerne, flache Tonnengewölbe und die kleinteiligen Jagdszenen an den Wänden lassen den Raum wie einen Konferenzsaal wirken und weniger wie einen Speisesaal, der auf Kargheit bedachten Zisterzienser. Tatsächlich entlehnten sich die Mönche im frühen 16. Jahrhundert der Ausstattungsstile weltlicher Bauten, wie Rathäusern. Der große Kachelofen stammt aber sicherlich aus dem 19. Jahrhundert, vom Königspaar – zu frisch wirken die Kacheln mit den szenischen Motiven. 

Wir werfen noch einen Blick in den angrenzenden, kleineren Raum, der in verschiedenen Vitrinen Objekte aus der Klosterzeit zeigt. Obwohl es schon lange Mittag geworden ist (wie schnell die Zeit vergeht!), bleibt es in den Räumen kühl. Wir treten durch ein kleines Portal ins Freie des Kreuzgartens. Nach dem dunklen, kühlen Kreuzgang blinzeln wir zunächst in die Sonne. Dann lassen wir den Blick an den Kreuzgangflügeln entlang schweifen. Jedes Fenster wurde mit unterschiedlichen Maßwerkformen ausgestaltet. Eine Meisterleistung!

Jedes Fenster im Kreuzgang hat eigene Maßwerkformen. ©Mayer

Wir lassen die einzigartige Atmosphäre auf uns wirken und überlegen: “Direkt noch zur Schlossführung?” – “Lieber das nächste Mal.” Zu sehr sind wir ergriffen von der Stimmung im Kloster. Bevor wir zum Ausgang gehen, nehmen wir nochmal Platz auf einer der Bänke im Kreuzgarten und betrachten die Kirche, den mächtigen Dachreiter mit seinen kleinen Wasserspeier-Ungeheuern und dem ausdifferenzierten Maßwerk. Er muss schon im Mittelalter die Zier der Klosteranlage gewesen sein!