Im Gespräch mit: Kollektiv Bergstaffel

In ihren Privaträumen hatte das Kollektiv Bergstaffel zu Coronazeiten ein Wochenende lang eine Ausstellung installiert. Wie sie das alles auf die Beine gestellt haben, verraten sie uns im Interview.

Ein gewöhnliches Wohnhaus?

Die Ausstellung Zeit die drauf geht war vom 17.07. bis zum 19.07.2020 in den privaten Räumen des Kollektivs Bergstaffel zu sehen. Im Vorfeld war Paul von Kune vor Ort in der Bergstaffelstraße, Obertürkheim, und hat dort die Kurator*innen getroffen. Sebastian Schmitt, Isabel Stoffel, Vera-Kristin Hörner und Benjamin Hönsch führten ihn durch das Gebäude und den Garten, zeigten einige – bereits aufgebaute – Arbeiten und erklärten, welche Kunstwerke für welche Räume noch geplant waren. Bei einer Tasse Kaffee im Anschluss auf dem Balkon erzählten sie, wie es zu der Ausstellung in den privaten Räumen der Bergstaffel gekommen war.

  • Die Bergstaffel Kurator*innen (v.l.n.r.): Benjamin Hönsch, Isabel Stoffel, Sebastian Schmitt, Vera-Kristin Hörner © Foto: Paul Ambros
  • Zu Gast im Bergstaffel-Garten © Foto: Carlo Twiste
  • Zu Gast im Bergstaffel-Garten © Foto: Carlo Twiste

Interview mit den Kurator*innen

Paul: Seit wann macht Ihr hier im Haus Ausstellungen und wie kam es zur Idee für die Ausstellung jetzt?

Benjamin: Kurz nachdem ich zu Anfang meines Studiums eingezogen war, bekamen wir vom Vermieter die Mitteilung, dass das Haus kernsaniert werden würde. Da mussten eigentlich alle ausziehen, nur ich durfte wohnen bleiben. Ich bin so von Zimmer zu Zimmer gezogen. Da ist mir dann klar geworden, dass ich das ganze Haus ja für mich alleine hatte und trotz Baustelle Räumlichkeiten für Ausstellungen zur Verfügung hatte. 2016 bis 2018 gab es zu zehn Gelegenheiten je für ein Wochenende eine Ausstellung. Die Baustellensituation kam auch mal zu einem Ende und es konnten wieder neue Mitbewohner*innen einziehen. Das waren immer kreative Menschen, aber nicht nur Künstler*innen.

Isabel: Und zur Ausstellung Zeit die drauf geht kam es durch die Corona-Zeit. Da waren wir jetzt mal alle immer zu Hause, das kam sonst kaum vor. Als wir zusammensaßen, kam die Idee auf, dass wir uns im Rahmen einer Ausstellung mit der Situation auseinandersetzen wollten. Dabei sollte es der Kontext unserer Wohnung sein, in dem wir unsere Arbeiten und die von Freund*innen und Kolleg*innen zeigen wollten.

  • Fabian Widukind Penzdorfer. 21:23. 2020. © Fabian Widukind Penzdorfer, Foto: Paul Ambros
  • Isabel Stoffel. Ohne Titel. 2020. © Isabel Stoffel, Foto: Paul Ambros
  • Lukas Beyer. Ohne Titel. 2020. © Lukas Beyer, Foto: Paul Ambros

Paul: Ja, die Liste derjenigen, die hier zusammenkommen ist ganz beachtlich. Wie habt ihr die zusammengestellt?

Isabel: Die Künstler*innen in der Ausstellung haben wir zum Großteil direkt angeschrieben, wenn wir wussten, dass deren Arbeiten ins Konzept passen könnten. Wir wurden aber auch direkt auf unser Vorhaben angesprochen. Zunächst war angedacht, die Ausstellung im Kontext des Rundgangs an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart zu veranstalten. Dort und über unseren Instagram Account sind die Leute auf uns aufmerksam geworden.

Vera: Instagram war ohnehin erstmal eine gute Zwischenlösung. Zunächst waren Treffen in Gruppen ja überhaupt nicht möglich. Als Benjamin, Isabel und ich anfangs so zusammensaßen, haben wir darüber diskutiert, wie wir mit der Ausstellung das Private mit der Kunst in Beziehung setzen können. Natürlich ist Kunst für jede*n von uns auch eine private Erfahrung. Aber eben eine, die wir teilen wollen. Die Frage war, wie schaffen wir das jetzt in der Corona-Zeit.

Sebastian: Das Konzept der Ausstellung ist die Auseinandersetzung mit Nähe und Intimität als Gegensatz zum zuletzt omnipräsenten social distancing. Die Möglichkeit hier im privaten Raum eingeladen zu sein und eine Ausstellung ansehen zu können, ist ja aktuell schon etwas Besonderes. Damit öffnen wir den privaten Raum und bieten ein Konzept für den Umgang mit der Situation, selbstverständlich mit der gebotenen Vorsicht in der aktuellen Situation.

Vera: Entsprechend haben wir für die Ausstellung auch ein Hygienekonzept. Es dürfen zum Beispiel nur eine bestimmte Anzahl an Menschen gleichzeitig im Haus sein und die Ausstellung kann nur in Begleitung eines Guides besucht werden. Da wollen wir schon die Verantwortung tragen und eben nicht zum nächsten Corona Hotspot werden.

  • Ivana Škvorčević. Die untere Fläche. 2020. © Ivana Škvorčević, Foto: Paul Ambros
  • Eunyoung Bae. Raum ver.1-Foto Serie Take 2020. 2020. ©, Foto: Paul Ambros
  • Benedikt Waldmann. Zeitsparer I: Pinsel-Rasierer, Zeitsparer II: Meterstab-Stift, Zeitsparer III: Reibe-Topf, Zeitsparer IV: Glas-Reiniger. 2020. © Benedikt Waldmann, Foto: Paul Ambros

Paul: Wie macht ihr denn dann auf die Ausstellung aufmerksam? Das scheint doch schwierig zu sein, eine Öffentlichkeit für die Arbeiten herzustellen, aber gleichzeitig im Rahmen einer privaten Veranstaltung zu bleiben.

Benjamin: Werbung haben wir auf zwei Wegen gemacht. Zum einen über Social Media und zum anderen, indem wir alle unsere Freund*innen und Kolleg*innen per Mail angeschrieben haben. Wie viele letztlich zur Ausstellung kommen werden, können wir noch nicht abschätzen.

Vera: Wir sind auch nicht beim Rundgang der Akademie gelistet, auch wenn die Ausstellung am selben Wochenende stattfindet.

Benjamin: Das ist aber auch in Ordnung, so ist unsere Ausstellung eigenständig und doch Teil des großen Kunstwochenendes in Stuttgart.

Sebastian: Besonders interessant finde ich auch den Kooperationsgedanken: gemeinsam etwas schaffen in schwierigen Zeiten und ein inhaltlich spannendes Projekt realisieren. Ich glaube, das ist uns absolut gelungen.

  • Jaewon Park. Private Things. 2020. © Jaewon Park, Foto: Paul Ambros
  • Jaewon Park. Private Things. 2020. © Jaewon Park, Foto: Paul Ambros
  • Jaewon Park. Private Things. 2020. © Jaewon Park, Foto: Paul Ambros

Paul: Wie funktioniert das bei Euch in der Gruppe mit der Aufgabenverteilung? Wer ist für was zuständig?

Benjamin: Es gibt zwar schon gewisse Aufgabe etwa ein*e Socialmediabeauftragte*r. Aber die Grenzen sind fließend. Wir haben auch alle gleichermaßen Zugriff auf den Instagramaccount.

Sebastian: Die Absprachen funktionieren basisdemokratisch.

Vera: Genau, wir haben uns oft einfach abends getroffen und gemeinsam unsere Pläne entwickelt. Da hat sich dann immer jemand gefunden der*die gesagt hat: „Klar, das kann ich machen.“

Benjamin: Isabel hat beispielsweise sehr viel gemacht, was die Projektkoordination betrifft, so dass alle Künstler*innen und Kurator*innen immer über die aktuellen Aufgaben informiert waren. Auch diejenigen, die nicht jedes Mal anwesend sein konnten.

Sebastian: Und man muss dazu sagen, dass auch der Rest der WG einbezogen war. Es wohnen auch Menschen hier, die nicht mit ausstellen. Mit denen ist das auch alles abgesprochen.

Benjamin: Das war auch von Anfang an klar: Dass hier Ausstellungen stattfinden könnten, stand auch schon in der WG Beschreibung mit drin.

Yunna Kim. Fährte. 2020. © Yunna Kim, Foto: Paul Ambros
Yunna Kim. Fährte. 2020. © Yunna Kim, Foto: Paul Ambros

Paul: Auch wenn jetzt erstmal die Ausstellung Zeit die drauf geht ansteht; habt ihr schon Pläne für die Zeit danach, für eine nächste Ausstellung?

Benjamin: Die erste Phase mit Ausstellungen ging zu Ende, weil die spannende Baustellensituation weg war. So langsam hatten wir uns in den Privatraum eingerichtet und eingelebt und wir hatten auch alle unsere eigenen Projekte. Dass es jetzt wieder eine Ausstellung gibt liegt daran, dass es mit der aktuellen Situation einen Anstoß dafür gab.

Isabel: Erstmal ist die aktuelle Ausstellung noch voll im Sinn. In einer anderen Situation würde die Ausstellung auch ihr Konzept verlieren.

Sebastian: Eine weitere Ausstellung ist also erstmal noch nicht in Sicht, aber auch nicht ausgeschlossen.

Benjamin: Da wäre eben wieder eine solche Initialzündung nötig, wie sie uns die äußeren Umstände gerade geliefert haben.

Wir bedanken uns für die Einladung und den Einblick in die Planung der Ausstellung und sind gespannt, was ihr in Zukunft als Kollektiv Bergstaffel und einzeln so anstellt.