FUMES AND PERFUMES 6.0

Frank Bayh und Steff Rosenberger-Ochs realisieren im Juli 2019 bereits zum sechsten Mal in Folge eine Fotoausstellung der besonderen Art.

Kunst wird in einem White Cube präsentiert, um die Aufmerksamkeit der Betrachter:innen auf das Werk zu lenken. Die Wahrnehmung von Kunst ist ein visueller Vorgang, der sich aus Betrachtung und Interpretation zusammensetzt. Diese augenscheinlich zeitgenössische Auffassung der Präsentation und Rezeption von Kunst wird durch das Ausstellungsprojekt FUMES AND PERFUMES grundlegend in Frage gestellt.

Fotografie von Hannah Woolf. In der Ausstellung Fumes and Perfumes 6.0 im Züblin Parkhaus in Stuttgart. Zu sehen ist ein gefliester Raum, unbekleidete menschliche Beine und rohes Hackfleisch, das aus dem Intimbereich des menschlichen Wesens zu quellen scheint.
© Hannah Woolf

Kunst im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt

Frank Bayh und Steff Rosenberger-Ochs, Peter Frank, Monica Menez und Yves Noir realisieren im Juli 2019 bereits zum sechsten Mal in Folge eine Fotoausstellung der besonderen Art. In Eigeninitiative vereinen die beiden Fotografen und Ausstellungsmacher zahlreiche nationale und internationale Fotokünstler:innen in einer Ausstellung im öffentlichen Raum des Stuttgarter Rotlichtviertels.

Dabei ist der öffentliche Raum wörtlich zu verstehen, denn es handelt sich um ein viel frequentiertes Parkhaus in einem der lebhaftesten Viertel der Landeshauptstadt. Ausschlaggebend für das Suchen und Finden dieses außergewöhnlichen Ausstellungsraums war der Mangel an Möglichkeiten, lokale Kunstprojekte und vor allem zeitgenössische Fotografie ausstellen zu können. Diese Notlage führt zu einer einzigartigen Ausstellung in einem fünfstöckigen Parkhaus, das von den Besucher*innen erklommen und erfahren werden muss.

Fotografie von Frank und Steff. In der Ausstellung Fumes and Perfumes 6.0 im Züblin Parkhaus in Stuttgart. Zu sehen ist eine unbekleidete Frau, die auf einem Hocker aus einem Elefantenbein sitzt. Sie blickt den Betrachter direkt an. In schwarz-weiß. Ihre Haare bedecken fast den gesamten Körper. Ihre Beine sind überschlagen.
© Frank und Steff

Die Erfahrung von Kunst hat vier Dimensionen

Erfahrung spielt bei dem Ausstellungsprojekt FUMES AND PERFUMES eine wichtige Rolle. Der Titel der Ausstellung verweist auf eine zweite wichtige Komponente der allumfassenden Kunsterfahrung. Die visuelle Betrachtung der großformatigen Fotografie wird beim Begehen des Parkhauses nicht nur von den Abgasdämpfen der vorbeifahrenden Autos begleitet. Punktuell steigt den Betrachter:innen ein wohliger, fast betörender Duft unterschiedlicher Parfums in die Nase. Die kontrastierenden Gerüche fügen sich zu einer umfassenden Geruchserfahrung zusammen, die Besucher:innen der Ausstellung während des Aufenthalts einhüllen. Durch die Abgase findet das öffentliche Leben, das um das Parkhaus herum stattfindet, den Weg in die sinnliche Erfahrung, durchzogen vom wohligen Duft, der den Fotografien zu entströmen scheint.

Überdenken gängiger Konventionen

Die Auffassung eines sterilen Ausstellungsraums und die damit verbundene visuelle Erfahrung gilt es beim Besuch des Parkhauses und der Ausstellung FUMES AND PERFUMES in ihren Grundfesten zu überdenken. Die Erfahrung der Kunst beginnt vielmehr auf dem Weg, den man sich durch das Rotlichtviertel bahnen muss, um zum Ausstellungsort zu gelangen. Fortgeführt wird sie, wenn das Auto in der Einfahrt des Parkhauses steht und das gewöhnliche Ticket für die Schranke einem den Weg in den Ausstellungsraum öffnet. Ihren Höhepunkt findet sie allerdings, wenn das eigene Auto geparkt ist und man sich mit einem kühlen Getränk in der Hand an den vorbeischleichenden Autos der Parkplatzsuchenden vorbeidrängt, um einen Blick auf die großformatigen und doch versteckten Fotografien der unterschiedlichen Künstler zu erhaschen. 

Fotografie von Osborne Macharia. In der Ausstellung Fumes and Perfumes 6.0 im Züblin Parkhaus in Stuttgart. Zu sehen ist ein dunkelhäutiger Mann vor einem Dschungel Hintergrund. Gekleidet ist er mit einem neongrünen Anzug, einem pinken Hemd und roten Schuhen. Zwischen seinen Beinen hält er eine Hyäne an einer groben Kette.
© Osborne Macharia

Das Ausstellungsprojekt FUMES AND PERFUMES , das von Jahr zu Jahr mehr Zulauf und positiven Zuspruch erlangt, stellt anhand der eingebundenen Umwelteinflüsse die Konventionen des zeitgenössischen Ausstellungsbetriebs in Frage und verbindet die visuelle Erfahrung einer Ausstellung mit dem alle Sinne umfassenden Erleben einer Großstadt. Besucher:innen befinden sich also sowohl in einer professionell kuratierten Fotoausstellung, gleichzeitig allerdings auch im gewöhnlichen Betrieb eines Parkhauses im Herzen der Landeshauptstadt. Mehr Urbanität kann kaum in einem Ausstellungsraum zu finden sein.